Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Nun sollte auch Knesebecke zur Violine mit herangezogen werden, allein er weigerte sich standhaft, und alles Zureden war vergebens. Er versicherte lachend, er kenne sich, und wisse sehr wohl, daß er einem wilden Pferde gleiche, welches in Feuer gesetzt, regelmäßig durchgehet. Sogar fremde Virtuosen zeigten dem Unternehmen ihr Wohlwollen. Der französische Violinist Alexandre Boucher, als Konzertspieler von großem Ruf und wegen seiner fabelhaften Aehnlichkeit mit Napoleon I. damals sehr bekannt, wollte Theil nehmen, nicht als Ripienviolinist, sondern als Contrabassist. Als ich nun Rodenstein fragte, wie oft wir zu den Proben nach Mannheim hinüber fahren müßten, so meinte er, das sei nicht nöthig; die leichte Begleitung der Chöre, die uns allein zufalle, sage nur immer Ja, und es werde schon ohne Probe gehn. Dies schien mir, trotzdem daß ich den Messias in Berlin oft gehört und fast auswendig wußte, ein sehr bedenkliches Wagestück; allein Rodenstein war ganz wohlgemuth; er schaffte unsre Cellostimmen herbei, wir gingen sie zusammen durch, und suchten darin so gut als möglich heimisch zu werden. Das Konzert war auf den 19. Juni bestimmt. Einige Tage vorher machte ich mit Rodenstein und andern Freunden eine kleine Rundreise nach Karlsruhe und Speyer, um diese Städte kennen zu lernen. Aus Jean Paul wußte ich, daß Karlsruhe gebaut sei wie ein Fächer; das im reinsten Zopfstyl errichtete Schloß bildet den Knopf, von wo aus man in alle die langen, langweiligen Straßen hineinsehn kann. Der ausgedehnte Park mit seinen tiefen Schattengängen übertraf unsre Erwartung; wir versäumten nicht, den Bleithurm zu besteigen, der von seinem bleiernen Dache den Nun sollte auch Knesebecke zur Violine mit herangezogen werden, allein er weigerte sich standhaft, und alles Zureden war vergebens. Er versicherte lachend, er kenne sich, und wisse sehr wohl, daß er einem wilden Pferde gleiche, welches in Feuer gesetzt, regelmäßig durchgehet. Sogar fremde Virtuosen zeigten dem Unternehmen ihr Wohlwollen. Der französische Violinist Alexandre Boucher, als Konzertspieler von großem Ruf und wegen seiner fabelhaften Aehnlichkeit mit Napoléon I. damals sehr bekannt, wollte Theil nehmen, nicht als Ripienviolinist, sondern als Contrabassist. Als ich nun Rodenstein fragte, wie oft wir zu den Proben nach Mannheim hinüber fahren müßten, so meinte er, das sei nicht nöthig; die leichte Begleitung der Chöre, die uns allein zufalle, sage nur immer Ja, und es werde schon ohne Probe gehn. Dies schien mir, trotzdem daß ich den Messias in Berlin oft gehört und fast auswendig wußte, ein sehr bedenkliches Wagestück; allein Rodenstein war ganz wohlgemuth; er schaffte unsre Cellostimmen herbei, wir gingen sie zusammen durch, und suchten darin so gut als möglich heimisch zu werden. Das Konzert war auf den 19. Juni bestimmt. Einige Tage vorher machte ich mit Rodenstein und andern Freunden eine kleine Rundreise nach Karlsruhe und Speyer, um diese Städte kennen zu lernen. Aus Jean Paul wußte ich, daß Karlsruhe gebaut sei wie ein Fächer; das im reinsten Zopfstyl errichtete Schloß bildet den Knopf, von wo aus man in alle die langen, langweiligen Straßen hineinsehn kann. Der ausgedehnte Park mit seinen tiefen Schattengängen übertraf unsre Erwartung; wir versäumten nicht, den Bleithurm zu besteigen, der von seinem bleiernen Dache den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0380" n="372"/> Nun sollte auch Knesebecke zur Violine mit herangezogen werden, allein er weigerte sich standhaft, und alles Zureden war vergebens. Er versicherte lachend, er kenne sich, und wisse sehr wohl, daß er einem wilden Pferde gleiche, welches in Feuer gesetzt, regelmäßig durchgehet. </p><lb/> <p>Sogar fremde Virtuosen zeigten dem Unternehmen ihr Wohlwollen. 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Nun sollte auch Knesebecke zur Violine mit herangezogen werden, allein er weigerte sich standhaft, und alles Zureden war vergebens. Er versicherte lachend, er kenne sich, und wisse sehr wohl, daß er einem wilden Pferde gleiche, welches in Feuer gesetzt, regelmäßig durchgehet.
Sogar fremde Virtuosen zeigten dem Unternehmen ihr Wohlwollen. Der französische Violinist Alexandre Boucher, als Konzertspieler von großem Ruf und wegen seiner fabelhaften Aehnlichkeit mit Napoléon I. damals sehr bekannt, wollte Theil nehmen, nicht als Ripienviolinist, sondern als Contrabassist.
Als ich nun Rodenstein fragte, wie oft wir zu den Proben nach Mannheim hinüber fahren müßten, so meinte er, das sei nicht nöthig; die leichte Begleitung der Chöre, die uns allein zufalle, sage nur immer Ja, und es werde schon ohne Probe gehn. Dies schien mir, trotzdem daß ich den Messias in Berlin oft gehört und fast auswendig wußte, ein sehr bedenkliches Wagestück; allein Rodenstein war ganz wohlgemuth; er schaffte unsre Cellostimmen herbei, wir gingen sie zusammen durch, und suchten darin so gut als möglich heimisch zu werden.
Das Konzert war auf den 19. Juni bestimmt. Einige Tage vorher machte ich mit Rodenstein und andern Freunden eine kleine Rundreise nach Karlsruhe und Speyer, um diese Städte kennen zu lernen. Aus Jean Paul wußte ich, daß Karlsruhe gebaut sei wie ein Fächer; das im reinsten Zopfstyl errichtete Schloß bildet den Knopf, von wo aus man in alle die langen, langweiligen Straßen hineinsehn kann. Der ausgedehnte Park mit seinen tiefen Schattengängen übertraf unsre Erwartung; wir versäumten nicht, den Bleithurm zu besteigen, der von seinem bleiernen Dache den
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