Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].trete, daß einige andere Incongruenzen stehn geblieben, das komme doch gewiß auf Rechnung der Rhapsoden, aber die höhere Gedankeneinheit des Ganzen bleibe darum nicht minder fest. Er habe auch mit Wolf selbst darüber gesprochen, und ihm gesagt, daß er (Wolf) nur die Außenwerke der Festung erobert, die Stadt selbst werde er wohl nie einnehmen. Jener habe darauf in seiner spöttischen Art die Sache für abgemacht erklärt, und sich unter andern auf Göthes Beistimmung in dem Gedichte: Hermann und Dorothea berufen. "Aber hatte er denn", fuhr Voss ganz entrüstet gegen uns fort, "nicht den Vers gelesen Euch besteche der Wein, Liebe und Freundschaft das Ohr! Bedarf eine gerechte Sache wohl der Bestechung? Sollten Wein und Liebe mitwirken, um eine unrichtige Theorie annehmlich zu machen?["] Voss hatte seinen kleinen Hausgarten mit den besten Obstbäumen, den feinsten Weinsorten, den saftigsten Gemüsen bepflanzt. Hier zwischen seinen Blumen und Pflanzen, beim Durchwandeln der Lauben in der Abendkühle war er am liebenswürdigsten. Einst blieb er vor einem Pflaumenbaume der edelsten Sorte stehn, der einen langen Schnitt in der Rinde von oben bis unten zeigte. "Dem haben wir sein Röckchen aufschneiden müssen, damit er nicht aus der Haut fahre!" Einen großen Genuß gewährten mir in Heidelberg die Briefe meiner Schwester, die mich mit Berlin immer im Zusammenhange erhielten. Die Begebenheiten eines bürgerlichen Familienkreises und seiner Umgebungen sind trete, daß einige andere Incongruenzen stehn geblieben, das komme doch gewiß auf Rechnung der Rhapsoden, aber die höhere Gedankeneinheit des Ganzen bleibe darum nicht minder fest. Er habe auch mit Wolf selbst darüber gesprochen, und ihm gesagt, daß er (Wolf) nur die Außenwerke der Festung erobert, die Stadt selbst werde er wohl nie einnehmen. Jener habe darauf in seiner spöttischen Art die Sache für abgemacht erklärt, und sich unter andern auf Göthes Beistimmung in dem Gedichte: Hermann und Dorothea berufen. „Aber hatte er denn“, fuhr Voss ganz entrüstet gegen uns fort, „nicht den Vers gelesen Euch besteche der Wein, Liebe und Freundschaft das Ohr! Bedarf eine gerechte Sache wohl der Bestechung? Sollten Wein und Liebe mitwirken, um eine unrichtige Theorie annehmlich zu machen?[“] Voss hatte seinen kleinen Hausgarten mit den besten Obstbäumen, den feinsten Weinsorten, den saftigsten Gemüsen bepflanzt. Hier zwischen seinen Blumen und Pflanzen, beim Durchwandeln der Lauben in der Abendkühle war er am liebenswürdigsten. Einst blieb er vor einem Pflaumenbaume der edelsten Sorte stehn, der einen langen Schnitt in der Rinde von oben bis unten zeigte. „Dem haben wir sein Röckchen aufschneiden müssen, damit er nicht aus der Haut fahre!“ Einen großen Genuß gewährten mir in Heidelberg die Briefe meiner Schwester, die mich mit Berlin immer im Zusammenhange erhielten. Die Begebenheiten eines bürgerlichen Familienkreises und seiner Umgebungen sind <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0347" n="339"/> trete, daß einige andere Incongruenzen stehn geblieben, das komme doch gewiß auf Rechnung der Rhapsoden, aber die höhere Gedankeneinheit des Ganzen bleibe darum nicht minder fest. Er habe auch mit Wolf selbst darüber gesprochen, und ihm gesagt, daß er (Wolf) nur die Außenwerke der Festung erobert, die Stadt selbst werde er wohl nie einnehmen. Jener habe darauf in seiner spöttischen Art die Sache für abgemacht erklärt, und sich unter andern auf Göthes Beistimmung in dem Gedichte: Hermann und Dorothea berufen. „Aber hatte er denn“, fuhr Voss ganz entrüstet gegen uns fort, „nicht den Vers gelesen<lb/><lg><l rendition="#et">Euch besteche der Wein, Liebe und Freundschaft das Ohr!</l></lg></p><lb/> <p>Bedarf eine gerechte Sache wohl der Bestechung? Sollten Wein und Liebe mitwirken, um eine unrichtige Theorie annehmlich zu machen?<supplied>“</supplied></p><lb/> <p>Voss hatte seinen kleinen Hausgarten mit den besten Obstbäumen, den feinsten Weinsorten, den saftigsten Gemüsen bepflanzt. Hier zwischen seinen Blumen und Pflanzen, beim Durchwandeln der Lauben in der Abendkühle war er am liebenswürdigsten. Einst blieb er vor einem Pflaumenbaume der edelsten Sorte stehn, der einen langen Schnitt in der Rinde von oben bis unten zeigte. „Dem haben wir sein Röckchen aufschneiden müssen, damit er nicht aus der Haut fahre!“ </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Einen großen Genuß gewährten mir in Heidelberg die Briefe meiner Schwester, die mich mit Berlin immer im Zusammenhange erhielten. Die Begebenheiten eines bürgerlichen Familienkreises und seiner Umgebungen sind </p> </div> </body> </text> </TEI> [339/0347]
trete, daß einige andere Incongruenzen stehn geblieben, das komme doch gewiß auf Rechnung der Rhapsoden, aber die höhere Gedankeneinheit des Ganzen bleibe darum nicht minder fest. Er habe auch mit Wolf selbst darüber gesprochen, und ihm gesagt, daß er (Wolf) nur die Außenwerke der Festung erobert, die Stadt selbst werde er wohl nie einnehmen. Jener habe darauf in seiner spöttischen Art die Sache für abgemacht erklärt, und sich unter andern auf Göthes Beistimmung in dem Gedichte: Hermann und Dorothea berufen. „Aber hatte er denn“, fuhr Voss ganz entrüstet gegen uns fort, „nicht den Vers gelesen
Euch besteche der Wein, Liebe und Freundschaft das Ohr!
Bedarf eine gerechte Sache wohl der Bestechung? Sollten Wein und Liebe mitwirken, um eine unrichtige Theorie annehmlich zu machen?“
Voss hatte seinen kleinen Hausgarten mit den besten Obstbäumen, den feinsten Weinsorten, den saftigsten Gemüsen bepflanzt. Hier zwischen seinen Blumen und Pflanzen, beim Durchwandeln der Lauben in der Abendkühle war er am liebenswürdigsten. Einst blieb er vor einem Pflaumenbaume der edelsten Sorte stehn, der einen langen Schnitt in der Rinde von oben bis unten zeigte. „Dem haben wir sein Röckchen aufschneiden müssen, damit er nicht aus der Haut fahre!“
Einen großen Genuß gewährten mir in Heidelberg die Briefe meiner Schwester, die mich mit Berlin immer im Zusammenhange erhielten. Die Begebenheiten eines bürgerlichen Familienkreises und seiner Umgebungen sind
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/347>, abgerufen am 05.07.2024. |