Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].am Morgen, Mittag und Abend sein Schoppen dünnen Neckarweines nicht fehlen durfte. Seine Geschäfte hatte er niedergelegt: sie bestanden in der Verwaltung des Kirchenvermögens mehrerer protestantischer Gemeinden, über deren komplicirte Einrichtung, die zum Theil noch aus den Zeiten der Reformation herstammte, er gute Auskunft zu geben wußte. Seine Frau war die Seele des Hauses, und sorgte mit zwei erwachsenen Töchtern, Julchen und Ernestine für den Mittagstisch von 16-18 Studenten, deren glücklicher Appetit durch eine angemessene Kost für täglich 30 Kreuzer befriedigt werden mußte. Der Schaffner präsidirte beim Mittagstische mit großer Würde; er wetzte sein langes Tranchirmesser mit der Geschicklichkeit eines Metzgermeisters, und wußte jedem Gaste sein Lieblingsstück auf den Teller zu befördern: aber er konnte sehr empfindlich werden, wenn er in das Kreuzfeuer der Brodtkügelchen gerieth, das manchmal von einigen Studenten mit Hintansetzung alles Anstandes unterhalten ward. In dem winzig kleinen Hausgärtchen, das kaum einige Quadratruthen hielt, und ein paar Stufen am Fuße des Schloßberges emporstieg, standen einige Obstbäume und wenige Küchenkräuter, die Weinlaube hatte kaum für zwei schmale Bänke Platz; alles war auf das mäßigste bürgerliche Genügen eingerichtet, aber ein Blick auf die blauen Berge führte gleich den Geist in die weiteste Ferne. Die beiden Töchter sangen artige schwäbische Lieder, wobei, wie dies so oft vorkömmt, Ernestine die jüngere den Sopran, und Julchen die ältere den Alt übernahm. Freilich durfte man nicht an den Meistergesang der Schwestern Sebald in Berlin zurückdenken, doch wurden am Morgen, Mittag und Abend sein Schoppen dünnen Neckarweines nicht fehlen durfte. Seine Geschäfte hatte er niedergelegt: sie bestanden in der Verwaltung des Kirchenvermögens mehrerer protestantischer Gemeinden, über deren komplicirte Einrichtung, die zum Theil noch aus den Zeiten der Reformation herstammte, er gute Auskunft zu geben wußte. Seine Frau war die Seele des Hauses, und sorgte mit zwei erwachsenen Töchtern, Julchen und Ernestine für den Mittagstisch von 16–18 Studenten, deren glücklicher Appetit durch eine angemessene Kost für täglich 30 Kreuzer befriedigt werden mußte. Der Schaffner präsidirte beim Mittagstische mit großer Würde; er wetzte sein langes Tranchirmesser mit der Geschicklichkeit eines Metzgermeisters, und wußte jedem Gaste sein Lieblingsstück auf den Teller zu befördern: aber er konnte sehr empfindlich werden, wenn er in das Kreuzfeuer der Brodtkügelchen gerieth, das manchmal von einigen Studenten mit Hintansetzung alles Anstandes unterhalten ward. In dem winzig kleinen Hausgärtchen, das kaum einige Quadratruthen hielt, und ein paar Stufen am Fuße des Schloßberges emporstieg, standen einige Obstbäume und wenige Küchenkräuter, die Weinlaube hatte kaum für zwei schmale Bänke Platz; alles war auf das mäßigste bürgerliche Genügen eingerichtet, aber ein Blick auf die blauen Berge führte gleich den Geist in die weiteste Ferne. Die beiden Töchter sangen artige schwäbische Lieder, wobei, wie dies so oft vorkömmt, Ernestine die jüngere den Sopran, und Julchen die ältere den Alt übernahm. 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Der Schaffner präsidirte beim Mittagstische mit großer Würde; er wetzte sein langes Tranchirmesser mit der Geschicklichkeit eines Metzgermeisters, und wußte jedem Gaste sein Lieblingsstück auf den Teller zu befördern: aber er konnte sehr empfindlich werden, wenn er in das Kreuzfeuer der Brodtkügelchen gerieth, das manchmal von einigen Studenten mit Hintansetzung alles Anstandes unterhalten ward. In dem winzig kleinen Hausgärtchen, das kaum einige Quadratruthen hielt, und ein paar Stufen am Fuße des Schloßberges emporstieg, standen einige Obstbäume und wenige Küchenkräuter, die Weinlaube hatte kaum für zwei schmale Bänke Platz; alles war auf das mäßigste bürgerliche Genügen eingerichtet, aber ein Blick auf die blauen Berge führte gleich den Geist in die weiteste Ferne. </p><lb/> <p>Die beiden Töchter sangen artige schwäbische Lieder, wobei, wie dies so oft vorkömmt, Ernestine die jüngere den Sopran, und Julchen die ältere den Alt übernahm. 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am Morgen, Mittag und Abend sein Schoppen dünnen Neckarweines nicht fehlen durfte. Seine Geschäfte hatte er niedergelegt: sie bestanden in der Verwaltung des Kirchenvermögens mehrerer protestantischer Gemeinden, über deren komplicirte Einrichtung, die zum Theil noch aus den Zeiten der Reformation herstammte, er gute Auskunft zu geben wußte. Seine Frau war die Seele des Hauses, und sorgte mit zwei erwachsenen Töchtern, Julchen und Ernestine für den Mittagstisch von 16–18 Studenten, deren glücklicher Appetit durch eine angemessene Kost für täglich 30 Kreuzer befriedigt werden mußte. Der Schaffner präsidirte beim Mittagstische mit großer Würde; er wetzte sein langes Tranchirmesser mit der Geschicklichkeit eines Metzgermeisters, und wußte jedem Gaste sein Lieblingsstück auf den Teller zu befördern: aber er konnte sehr empfindlich werden, wenn er in das Kreuzfeuer der Brodtkügelchen gerieth, das manchmal von einigen Studenten mit Hintansetzung alles Anstandes unterhalten ward. In dem winzig kleinen Hausgärtchen, das kaum einige Quadratruthen hielt, und ein paar Stufen am Fuße des Schloßberges emporstieg, standen einige Obstbäume und wenige Küchenkräuter, die Weinlaube hatte kaum für zwei schmale Bänke Platz; alles war auf das mäßigste bürgerliche Genügen eingerichtet, aber ein Blick auf die blauen Berge führte gleich den Geist in die weiteste Ferne.
Die beiden Töchter sangen artige schwäbische Lieder, wobei, wie dies so oft vorkömmt, Ernestine die jüngere den Sopran, und Julchen die ältere den Alt übernahm. Freilich durfte man nicht an den Meistergesang der Schwestern Sebald in Berlin zurückdenken, doch wurden
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