Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Beginne der Arbeit sagte der freundliche Hauptmann: die Freiwilligen könnten nach Hause gehn, nur wer sich für die Sache besonders interessire, möge bleiben. Die meisten, mit Paul an der Spitze, zogen freudig davon; ich blieb mit drei anderen, Homeyer, Köhnemann und Schlickmann zurück.

Jene englische Erfindung erwies sich als durchaus unpraktisch, und wir quälten uns den ganzen Vormittag vergeblich, um die Brücke zu Stande zu bringen. Sie bestand aus einem netzförmigen Flechtwerk von schweren Schiffstauen, das quer über den Schafgraben gezogen, durch Flaschenzüge an beiden Ufern angespannt, und zuletzt mit Brettern belegt werden sollte. Es waren zur Befestigung der Kloben einige gewaltige Balken am Ufer, parallel mit dem Wasser in die Erde versenkt. Aber das Gewicht des Flechtwerkes war selbst bei der geringen Länge von kaum 100 Fuß zu groß; die Brücke wurde nie horizontal angespannt, sondern behielt in der Mitte eine tiefe Ausbauchung, so daß an ein Belegen mit Brettern nicht zu denken war. Bei einem letzten angestrengten Versuche, die Spannung der Brücke etwas mehr der Horizontale zu nähern, erwies sich die Kraft der Flaschenzüge als so ungeheuer, daß auf der einen Seite die ganze Erdmasse der Uferböschung, die den Balken hielt, zu weichen anfing. Nun war es Zeit aufzuhören und die Mannschaft vom jenseitigen Ufer zurückzurufen. Ueber das schwankende geneigte Flechtwerk hinwegzuschreiten, war nicht leicht, die meisten kamen zum großen Ergötzen der Kameraden auf allen Vieren hinüber. Ich ließ die übrigen voraus, und es gelang mir, mit einiger Balancirkunst, glücklich auf zwei Beinen anzukommen. Da klopfte der

Beginne der Arbeit sagte der freundliche Hauptmann: die Freiwilligen könnten nach Hause gehn, nur wer sich für die Sache besonders interessire, möge bleiben. Die meisten, mit Paul an der Spitze, zogen freudig davon; ich blieb mit drei anderen, Homeyer, Köhnemann und Schlickmann zurück.

Jene englische Erfindung erwies sich als durchaus unpraktisch, und wir quälten uns den ganzen Vormittag vergeblich, um die Brücke zu Stande zu bringen. Sie bestand aus einem netzförmigen Flechtwerk von schweren Schiffstauen, das quer über den Schafgraben gezogen, durch Flaschenzüge an beiden Ufern angespannt, und zuletzt mit Brettern belegt werden sollte. Es waren zur Befestigung der Kloben einige gewaltige Balken am Ufer, parallel mit dem Wasser in die Erde versenkt. Aber das Gewicht des Flechtwerkes war selbst bei der geringen Länge von kaum 100 Fuß zu groß; die Brücke wurde nie horizontal angespannt, sondern behielt in der Mitte eine tiefe Ausbauchung, so daß an ein Belegen mit Brettern nicht zu denken war. Bei einem letzten angestrengten Versuche, die Spannung der Brücke etwas mehr der Horizontale zu nähern, erwies sich die Kraft der Flaschenzüge als so ungeheuer, daß auf der einen Seite die ganze Erdmasse der Uferböschung, die den Balken hielt, zu weichen anfing. Nun war es Zeit aufzuhören und die Mannschaft vom jenseitigen Ufer zurückzurufen. Ueber das schwankende geneigte Flechtwerk hinwegzuschreiten, war nicht leicht, die meisten kamen zum großen Ergötzen der Kameraden auf allen Vieren hinüber. Ich ließ die übrigen voraus, und es gelang mir, mit einiger Balancirkunst, glücklich auf zwei Beinen anzukommen. Da klopfte der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0272" n="264"/>
Beginne der Arbeit sagte der freundliche Hauptmann: die Freiwilligen könnten nach Hause gehn, nur wer sich für die Sache besonders interessire, möge bleiben. Die meisten, mit Paul an der Spitze, zogen freudig davon; ich blieb mit drei anderen, Homeyer, Köhnemann und Schlickmann zurück. </p><lb/>
        <p>Jene englische Erfindung erwies sich als durchaus unpraktisch, und wir quälten uns den ganzen Vormittag vergeblich, um die Brücke zu Stande zu bringen. Sie bestand aus einem netzförmigen Flechtwerk von schweren Schiffstauen, das quer über den Schafgraben gezogen, durch Flaschenzüge an beiden Ufern angespannt, und zuletzt mit Brettern belegt werden sollte. Es waren zur Befestigung der Kloben einige gewaltige Balken am Ufer, parallel mit dem Wasser in die Erde versenkt. Aber das Gewicht des Flechtwerkes war selbst bei der geringen Länge von kaum 100 Fuß zu groß; die Brücke wurde nie horizontal angespannt, sondern behielt in der Mitte eine tiefe Ausbauchung, so daß an ein Belegen mit Brettern nicht zu denken war. Bei einem letzten angestrengten Versuche, die Spannung der Brücke etwas mehr der Horizontale zu nähern, erwies sich die Kraft der Flaschenzüge als so ungeheuer, daß auf der einen Seite die ganze Erdmasse der Uferböschung, die den Balken hielt, zu weichen anfing. Nun war es Zeit aufzuhören und die Mannschaft vom jenseitigen Ufer zurückzurufen. Ueber das schwankende geneigte Flechtwerk hinwegzuschreiten, war nicht leicht, die meisten kamen zum großen Ergötzen der Kameraden auf allen Vieren hinüber. Ich ließ die übrigen voraus, und es gelang mir, mit einiger Balancirkunst, glücklich auf zwei Beinen anzukommen. Da klopfte der
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0272] Beginne der Arbeit sagte der freundliche Hauptmann: die Freiwilligen könnten nach Hause gehn, nur wer sich für die Sache besonders interessire, möge bleiben. Die meisten, mit Paul an der Spitze, zogen freudig davon; ich blieb mit drei anderen, Homeyer, Köhnemann und Schlickmann zurück. Jene englische Erfindung erwies sich als durchaus unpraktisch, und wir quälten uns den ganzen Vormittag vergeblich, um die Brücke zu Stande zu bringen. Sie bestand aus einem netzförmigen Flechtwerk von schweren Schiffstauen, das quer über den Schafgraben gezogen, durch Flaschenzüge an beiden Ufern angespannt, und zuletzt mit Brettern belegt werden sollte. Es waren zur Befestigung der Kloben einige gewaltige Balken am Ufer, parallel mit dem Wasser in die Erde versenkt. Aber das Gewicht des Flechtwerkes war selbst bei der geringen Länge von kaum 100 Fuß zu groß; die Brücke wurde nie horizontal angespannt, sondern behielt in der Mitte eine tiefe Ausbauchung, so daß an ein Belegen mit Brettern nicht zu denken war. Bei einem letzten angestrengten Versuche, die Spannung der Brücke etwas mehr der Horizontale zu nähern, erwies sich die Kraft der Flaschenzüge als so ungeheuer, daß auf der einen Seite die ganze Erdmasse der Uferböschung, die den Balken hielt, zu weichen anfing. Nun war es Zeit aufzuhören und die Mannschaft vom jenseitigen Ufer zurückzurufen. Ueber das schwankende geneigte Flechtwerk hinwegzuschreiten, war nicht leicht, die meisten kamen zum großen Ergötzen der Kameraden auf allen Vieren hinüber. Ich ließ die übrigen voraus, und es gelang mir, mit einiger Balancirkunst, glücklich auf zwei Beinen anzukommen. Da klopfte der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/272
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/272>, abgerufen am 24.11.2024.