Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].in der elenden Sandwüste etwas zu sehn. Später erfuhren wir, daß der See ausgetrocknet, und die Burg irgend eines märkischen Raubritters dem Erdboden gleichgemacht sei. Hier in Seeburg blieben wir ungefähr 14 Tage; ich wohnte zusammen mit Dechen und Laroche (später Geheimer Oberbergrath) bei dem Bauer Krüger, der uns alle Abend in der engen dumpfigen Stube eine Streu zurechtmachte, sonst aber von den ungebetenen Gästen nicht viel Notiz nahm. Alle Morgen marschirte das Detachement nach Pichelsdorf, um diesseits und jenseits der Havel die Wege für die Artillerie fahrbar zu machen. Unsere Pontonnire schlugen nach der Insel Pichelswerder eine solide Schiffbrücke, die von den bewaldeten Uferhügeln sich sehr gut ausnahm. Auf der andern Seite gegen Spandau hin waren von den Spandauer Truppen noch zwei Schiffbrücken angelegt. Gegen Abend kehrten wir in die Quartiere zurück, und suchten nach der Ermüdung des Tages sehr bald die willkomne Streu. Manchmal fanden wir unsre Wirtsleute beim Abendessen, dessen Ausgiebigkeit uns in Erstaunen setzte. Krüger, seine Frau, seine Tochter und eine Kuhmagd saßen an einem viereckigen Tische, in dessen Mitte eine große Schüssel mit Pellkartoffeln stand. Ohne ein Wort zu sprechen und im gleichmäßigen Tempo griffen die vier Beisitzer in die Schüssel, schälten eine Kartoffel, tauchten sie in das Salzfaß und schoben sie langsam in den Mund. Dies dauerte ohne Unterbrechung so lange bis die Schüssel leer war. Es kam auf jede Person wenigstens ein Dutzend Kartoffeln. Eben so viel wurden um 12 Uhr zu Mittage verzehrt. Dazu gab es Wasser aus dem Ziehbrunnen vor dem Hause. Bei dieser rein vegetabilischen Kost waren die Leute ganz wohl aus- in der elenden Sandwüste etwas zu sehn. Später erfuhren wir, daß der See ausgetrocknet, und die Burg irgend eines märkischen Raubritters dem Erdboden gleichgemacht sei. Hier in Seeburg blieben wir ungefähr 14 Tage; ich wohnte zusammen mit Dechen und Laroche (später Geheimer Oberbergrath) bei dem Bauer Krüger, der uns alle Abend in der engen dumpfigen Stube eine Streu zurechtmachte, sonst aber von den ungebetenen Gästen nicht viel Notiz nahm. Alle Morgen marschirte das Detachement nach Pichelsdorf, um diesseits und jenseits der Havel die Wege für die Artillerie fahrbar zu machen. Unsere Pontonnire schlugen nach der Insel Pichelswerder eine solide Schiffbrücke, die von den bewaldeten Uferhügeln sich sehr gut ausnahm. Auf der andern Seite gegen Spandau hin waren von den Spandauer Truppen noch zwei Schiffbrücken angelegt. Gegen Abend kehrten wir in die Quartiere zurück, und suchten nach der Ermüdung des Tages sehr bald die willkomne Streu. Manchmal fanden wir unsre Wirtsleute beim Abendessen, dessen Ausgiebigkeit uns in Erstaunen setzte. Krüger, seine Frau, seine Tochter und eine Kuhmagd saßen an einem viereckigen Tische, in dessen Mitte eine große Schüssel mit Pellkartoffeln stand. Ohne ein Wort zu sprechen und im gleichmäßigen Tempo griffen die vier Beisitzer in die Schüssel, schälten eine Kartoffel, tauchten sie in das Salzfaß und schoben sie langsam in den Mund. Dies dauerte ohne Unterbrechung so lange bis die Schüssel leer war. Es kam auf jede Person wenigstens ein Dutzend Kartoffeln. Eben so viel wurden um 12 Uhr zu Mittage verzehrt. Dazu gab es Wasser aus dem Ziehbrunnen vor dem Hause. Bei dieser rein vegetabilischen Kost waren die Leute ganz wohl aus- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0267" n="259"/> in der elenden Sandwüste etwas zu sehn. Später erfuhren wir, daß der See ausgetrocknet, und die Burg irgend eines märkischen Raubritters dem Erdboden gleichgemacht sei. Hier in Seeburg blieben wir ungefähr 14 Tage; ich wohnte zusammen mit Dechen und Laroche (später Geheimer Oberbergrath) bei dem Bauer Krüger, der uns alle Abend in der engen dumpfigen Stube eine Streu zurechtmachte, sonst aber von den ungebetenen Gästen nicht viel Notiz nahm. </p><lb/> <p>Alle Morgen marschirte das Detachement nach Pichelsdorf, um diesseits und jenseits der Havel die Wege für die Artillerie fahrbar zu machen. Unsere Pontonnire schlugen nach der Insel Pichelswerder eine solide Schiffbrücke, die von den bewaldeten Uferhügeln sich sehr gut ausnahm. Auf der andern Seite gegen Spandau hin waren von den Spandauer Truppen noch zwei Schiffbrücken angelegt. Gegen Abend kehrten wir in die Quartiere zurück, und suchten nach der Ermüdung des Tages sehr bald die willkomne Streu. Manchmal fanden wir unsre Wirtsleute beim Abendessen, dessen Ausgiebigkeit uns in Erstaunen setzte. Krüger, seine Frau, seine Tochter und eine Kuhmagd saßen an einem viereckigen Tische, in dessen Mitte eine große Schüssel mit Pellkartoffeln stand. Ohne ein Wort zu sprechen und im gleichmäßigen Tempo griffen die vier Beisitzer in die Schüssel, schälten eine Kartoffel, tauchten sie in das Salzfaß und schoben sie langsam in den Mund. Dies dauerte ohne Unterbrechung so lange bis die Schüssel leer war. Es kam auf jede Person wenigstens ein Dutzend Kartoffeln. Eben so viel wurden um 12 Uhr zu Mittage verzehrt. Dazu gab es Wasser aus dem Ziehbrunnen vor dem Hause. Bei dieser rein vegetabilischen Kost waren die Leute ganz wohl aus- </p> </div> </body> </text> </TEI> [259/0267]
in der elenden Sandwüste etwas zu sehn. Später erfuhren wir, daß der See ausgetrocknet, und die Burg irgend eines märkischen Raubritters dem Erdboden gleichgemacht sei. Hier in Seeburg blieben wir ungefähr 14 Tage; ich wohnte zusammen mit Dechen und Laroche (später Geheimer Oberbergrath) bei dem Bauer Krüger, der uns alle Abend in der engen dumpfigen Stube eine Streu zurechtmachte, sonst aber von den ungebetenen Gästen nicht viel Notiz nahm.
Alle Morgen marschirte das Detachement nach Pichelsdorf, um diesseits und jenseits der Havel die Wege für die Artillerie fahrbar zu machen. Unsere Pontonnire schlugen nach der Insel Pichelswerder eine solide Schiffbrücke, die von den bewaldeten Uferhügeln sich sehr gut ausnahm. Auf der andern Seite gegen Spandau hin waren von den Spandauer Truppen noch zwei Schiffbrücken angelegt. Gegen Abend kehrten wir in die Quartiere zurück, und suchten nach der Ermüdung des Tages sehr bald die willkomne Streu. Manchmal fanden wir unsre Wirtsleute beim Abendessen, dessen Ausgiebigkeit uns in Erstaunen setzte. Krüger, seine Frau, seine Tochter und eine Kuhmagd saßen an einem viereckigen Tische, in dessen Mitte eine große Schüssel mit Pellkartoffeln stand. Ohne ein Wort zu sprechen und im gleichmäßigen Tempo griffen die vier Beisitzer in die Schüssel, schälten eine Kartoffel, tauchten sie in das Salzfaß und schoben sie langsam in den Mund. Dies dauerte ohne Unterbrechung so lange bis die Schüssel leer war. Es kam auf jede Person wenigstens ein Dutzend Kartoffeln. Eben so viel wurden um 12 Uhr zu Mittage verzehrt. Dazu gab es Wasser aus dem Ziehbrunnen vor dem Hause. Bei dieser rein vegetabilischen Kost waren die Leute ganz wohl aus-
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