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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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mer der einen enthielt reines Pulver, die der anderen dasselbe Volumen gemischten Pulvers. Ueber jeder Kammer war ein Sandhügel von 4-5 Fuß Höhe aufgeschichtet. Unsere Mineure hatten den Hügel über der vollen Kammer, von der sie sich doch mehr versprachen als von der gemischten, mit einem geflickten Strohmann in französischer Uniform geschmückt, und freuten sich darauf, wie hoch er in die Luft fliegen werde; allein die Wirkung entsprach ihren Erwartungen nicht. Wir standen einzeln in einem großen Halbkreise in gehöriger Entfernung umher, der Hauptmann mit mehreren Artillerieoffizieren unter einer Kieferngruppe, die sich von dem hellen Abendhimmel kräftig abhob. Nachdem Kettlitz gemeldet, daß alles in Ordnung sei, ward auf ein gegebenes Zeichen zuerst die volle Kammer, dann die gemischte angezündet. Bei der ersten erhob sich der Strohmann ungefähr zehn Fuß hoch in die Luft, bei der zweiten ward der Sandberg viel höher emporgeschleudert, und wir alle fühlten einen Ruck im Boden. Der Schall war beide Male ganz unbedeutend, kaum dem einer fern abgeschossenen Kanone vergleichbar.

Die Schießübungen mit dem kurzen Gewehr waren von der allerunvollkommensten Art. Wir erhielten die gewöhnlichen Kommispatronen, aus denen die Kugel ganz locker in den Lauf hinabrollte. Dies mochte genügen, um in der Schlacht auf das Gerathewohl in den dichtesten Haufen der Feinde zu feuern, aber wir sollten mit diesen Rollkugeln nach der Scheibe schießen. Das Treffen war ein bloßer Zufall. Dechen ärgerte sich so sehr über dieses plan- und zwecklose Knallen, daß er eines Tages sich Talgpflaster mitbrachte, die Kugel fest aufsetzte und nun die besten Schüsse that. Allein der Neid der übrigen

mer der einen enthielt reines Pulver, die der anderen dasselbe Volumen gemischten Pulvers. Ueber jeder Kammer war ein Sandhügel von 4–5 Fuß Höhe aufgeschichtet. Unsere Mineure hatten den Hügel über der vollen Kammer, von der sie sich doch mehr versprachen als von der gemischten, mit einem geflickten Strohmann in französischer Uniform geschmückt, und freuten sich darauf, wie hoch er in die Luft fliegen werde; allein die Wirkung entsprach ihren Erwartungen nicht. Wir standen einzeln in einem großen Halbkreise in gehöriger Entfernung umher, der Hauptmann mit mehreren Artillerieoffizieren unter einer Kieferngruppe, die sich von dem hellen Abendhimmel kräftig abhob. Nachdem Kettlitz gemeldet, daß alles in Ordnung sei, ward auf ein gegebenes Zeichen zuerst die volle Kammer, dann die gemischte angezündet. Bei der ersten erhob sich der Strohmann ungefähr zehn Fuß hoch in die Luft, bei der zweiten ward der Sandberg viel höher emporgeschleudert, und wir alle fühlten einen Ruck im Boden. Der Schall war beide Male ganz unbedeutend, kaum dem einer fern abgeschossenen Kanone vergleichbar.

Die Schießübungen mit dem kurzen Gewehr waren von der allerunvollkommensten Art. Wir erhielten die gewöhnlichen Kommispatronen, aus denen die Kugel ganz locker in den Lauf hinabrollte. Dies mochte genügen, um in der Schlacht auf das Gerathewohl in den dichtesten Haufen der Feinde zu feuern, aber wir sollten mit diesen Rollkugeln nach der Scheibe schießen. Das Treffen war ein bloßer Zufall. Dechen ärgerte sich so sehr über dieses plan- und zwecklose Knallen, daß er eines Tages sich Talgpflaster mitbrachte, die Kugel fest aufsetzte und nun die besten Schüsse that. Allein der Neid der übrigen

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[256/0264] mer der einen enthielt reines Pulver, die der anderen dasselbe Volumen gemischten Pulvers. Ueber jeder Kammer war ein Sandhügel von 4–5 Fuß Höhe aufgeschichtet. Unsere Mineure hatten den Hügel über der vollen Kammer, von der sie sich doch mehr versprachen als von der gemischten, mit einem geflickten Strohmann in französischer Uniform geschmückt, und freuten sich darauf, wie hoch er in die Luft fliegen werde; allein die Wirkung entsprach ihren Erwartungen nicht. Wir standen einzeln in einem großen Halbkreise in gehöriger Entfernung umher, der Hauptmann mit mehreren Artillerieoffizieren unter einer Kieferngruppe, die sich von dem hellen Abendhimmel kräftig abhob. Nachdem Kettlitz gemeldet, daß alles in Ordnung sei, ward auf ein gegebenes Zeichen zuerst die volle Kammer, dann die gemischte angezündet. Bei der ersten erhob sich der Strohmann ungefähr zehn Fuß hoch in die Luft, bei der zweiten ward der Sandberg viel höher emporgeschleudert, und wir alle fühlten einen Ruck im Boden. Der Schall war beide Male ganz unbedeutend, kaum dem einer fern abgeschossenen Kanone vergleichbar. Die Schießübungen mit dem kurzen Gewehr waren von der allerunvollkommensten Art. Wir erhielten die gewöhnlichen Kommispatronen, aus denen die Kugel ganz locker in den Lauf hinabrollte. Dies mochte genügen, um in der Schlacht auf das Gerathewohl in den dichtesten Haufen der Feinde zu feuern, aber wir sollten mit diesen Rollkugeln nach der Scheibe schießen. Das Treffen war ein bloßer Zufall. Dechen ärgerte sich so sehr über dieses plan- und zwecklose Knallen, daß er eines Tages sich Talgpflaster mitbrachte, die Kugel fest aufsetzte und nun die besten Schüsse that. Allein der Neid der übrigen

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/264>, abgerufen am 11.06.2024.