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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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Die Unteroffiziere untersuchten nun auf das genaueste die "Adjüstirung", ob von den blanken Uniformknöpfen gerade die drei obersten aus den beiden schwarzen Brustriemen hervorblickten, ob die Halsbinde ordonnanzmäßig geschnallt und der Haarbusch in der richtigen Neigung nach vorn aufgesteckt sei. Mittlerweile hatte der Hauptmann Snethlage sein Frühstück beendigt und erschien im Kasernenhofe vor der Front. Neue Musterung, wobei es wieder vorkam, daß Snethlage uns beide, Dechen und mich, die wir im ersten Gliede standen, die Plätze wechseln ließ. Um 9 Uhr Abmarsch nach dem Lustgarten, wo wir gegen 10 Uhr ankamen. Einreihung in die übrigen Truppentheile, die mit uns paradiren sollten. Wegen Mangels einer eignen Bande folgten die Pionire gewöhnlich den Neufchateller Jägern. Endlich um 11 Uhr erschien der kritische Moment, wo wir mit klingendem Spiele, im richtigen Allignement, drei Mann hoch, bei dem Könige vorbeimarschirten. War das Allignement nicht ganz gerade nach dem Lineal gezogen, so erfolgten Aeußerungen der allerhöchsten Unzufriedenheit; indessen war es männiglich bekannt, daß die Pionire mit besonderer Nachsicht behandelt wurden, weil sie wegen ihrer anderweitigen Arbeiten nicht viel Zeit auf das Exerciren verwenden konnten. Einmal jedoch bemerkte das scharfe Auge des Königs, daß die Schnecken auf unseren Feldflaschen sehr ungleiche Durchmesser hätten, und mithin gegen das Gesetz der "Egalität" verstießen. Wir wurden deshalb am folgenden Morgen nach der Kaserne bestellt, und brachten einen ganzen Vormittag damit hin, durch Einschieben von kleinen Riemenstückchen die "Egalität" der Durchmesser herzustellen. Die Feldflaschen wurden nämlich damals auf dem Tornister festgeschnallt, und das

Die Unteroffiziere untersuchten nun auf das genaueste die „Adjüstirung“, ob von den blanken Uniformknöpfen gerade die drei obersten aus den beiden schwarzen Brustriemen hervorblickten, ob die Halsbinde ordonnanzmäßig geschnallt und der Haarbusch in der richtigen Neigung nach vorn aufgesteckt sei. Mittlerweile hatte der Hauptmann Snethlage sein Frühstück beendigt und erschien im Kasernenhofe vor der Front. Neue Musterung, wobei es wieder vorkam, daß Snethlage uns beide, Dechen und mich, die wir im ersten Gliede standen, die Plätze wechseln ließ. Um 9 Uhr Abmarsch nach dem Lustgarten, wo wir gegen 10 Uhr ankamen. Einreihung in die übrigen Truppentheile, die mit uns paradiren sollten. Wegen Mangels einer eignen Bande folgten die Pionire gewöhnlich den Neufchateller Jägern. Endlich um 11 Uhr erschien der kritische Moment, wo wir mit klingendem Spiele, im richtigen Allignement, drei Mann hoch, bei dem Könige vorbeimarschirten. War das Allignement nicht ganz gerade nach dem Lineal gezogen, so erfolgten Aeußerungen der allerhöchsten Unzufriedenheit; indessen war es männiglich bekannt, daß die Pionire mit besonderer Nachsicht behandelt wurden, weil sie wegen ihrer anderweitigen Arbeiten nicht viel Zeit auf das Exerciren verwenden konnten. Einmal jedoch bemerkte das scharfe Auge des Königs, daß die Schnecken auf unseren Feldflaschen sehr ungleiche Durchmesser hätten, und mithin gegen das Gesetz der „Egalität“ verstießen. Wir wurden deshalb am folgenden Morgen nach der Kaserne bestellt, und brachten einen ganzen Vormittag damit hin, durch Einschieben von kleinen Riemenstückchen die „Egalität“ der Durchmesser herzustellen. Die Feldflaschen wurden nämlich damals auf dem Tornister festgeschnallt, und das

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[249/0257] Die Unteroffiziere untersuchten nun auf das genaueste die „Adjüstirung“, ob von den blanken Uniformknöpfen gerade die drei obersten aus den beiden schwarzen Brustriemen hervorblickten, ob die Halsbinde ordonnanzmäßig geschnallt und der Haarbusch in der richtigen Neigung nach vorn aufgesteckt sei. Mittlerweile hatte der Hauptmann Snethlage sein Frühstück beendigt und erschien im Kasernenhofe vor der Front. Neue Musterung, wobei es wieder vorkam, daß Snethlage uns beide, Dechen und mich, die wir im ersten Gliede standen, die Plätze wechseln ließ. Um 9 Uhr Abmarsch nach dem Lustgarten, wo wir gegen 10 Uhr ankamen. Einreihung in die übrigen Truppentheile, die mit uns paradiren sollten. Wegen Mangels einer eignen Bande folgten die Pionire gewöhnlich den Neufchateller Jägern. Endlich um 11 Uhr erschien der kritische Moment, wo wir mit klingendem Spiele, im richtigen Allignement, drei Mann hoch, bei dem Könige vorbeimarschirten. War das Allignement nicht ganz gerade nach dem Lineal gezogen, so erfolgten Aeußerungen der allerhöchsten Unzufriedenheit; indessen war es männiglich bekannt, daß die Pionire mit besonderer Nachsicht behandelt wurden, weil sie wegen ihrer anderweitigen Arbeiten nicht viel Zeit auf das Exerciren verwenden konnten. Einmal jedoch bemerkte das scharfe Auge des Königs, daß die Schnecken auf unseren Feldflaschen sehr ungleiche Durchmesser hätten, und mithin gegen das Gesetz der „Egalität“ verstießen. Wir wurden deshalb am folgenden Morgen nach der Kaserne bestellt, und brachten einen ganzen Vormittag damit hin, durch Einschieben von kleinen Riemenstückchen die „Egalität“ der Durchmesser herzustellen. Die Feldflaschen wurden nämlich damals auf dem Tornister festgeschnallt, und das

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/257>, abgerufen am 11.06.2024.