Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Da das Zusammenrollen des Mantels zu einer Wurst niemals die gehörige Gleichförmigkeit hervorbrachte, so verfiel ein anschlägiger Kopf darauf, mehrere dicke Weidenruthen mit hineinzuwickeln, die zwar Volumen und Gewicht vermehrten, aber die gewünschte Steifigkeit gaben. Dies ward allgemein eingeführt, und für die "Adjüstirung" lautete der Befehl "Mäntel mit Weidenruthen" oder "Mäntel ohne Weidenruthen". Aber die monströse Wurst war immer noch vorhanden; man schlug vor, den Mantel zusammengelegt einzuschnallen, aber wohin? Auf dem Tornister schien der geeignetste Platz, doch hier thronte bereits die Feldflasche; wurde diese an einem besonderen Riemen getragen, so hinderte sie im Gehn. Der Mantel sollte also unter den Tornister geschnallt werden, wo er weniger ins Auge fiel. Man erzählte, daß Friedrich Wilhelm III. an diesen Versuchen vielen Antheil nahm, und sich beinahe für Anschnallung unter dem Tornister entschieden hätte, allein der alte General York, den er um seine Meinung fragte, erwiederte unumwunden: Recht schön, Majestät! aber meine Leute können bei der alten Art laden, das geht bei der neuen nicht! Man hatte übersehn, daß die neue Art den Zugang zur Patrontasche verhindere. Wenn ich meine, aus den Feldzügen heimgekehrten Freunde fragte, wie es denn möglich gewesen sei, in dieser unzweckmäßigsten aller Kleidungen zu marschiren und zu fechten, so erhielt ich zur Antwort, der Kamaschendienst sei damals noch nicht so arg gewesen als jetzt im Frieden, wo die Offiziere nichts zu thun hätten; auch wisse man, daß das übermäßige Streben nach "Egalität und Propertät" von dem Könige Friedrich Wilhelm III. selbst aus- Da das Zusammenrollen des Mantels zu einer Wurst niemals die gehörige Gleichförmigkeit hervorbrachte, so verfiel ein anschlägiger Kopf darauf, mehrere dicke Weidenruthen mit hineinzuwickeln, die zwar Volumen und Gewicht vermehrten, aber die gewünschte Steifigkeit gaben. Dies ward allgemein eingeführt, und für die „Adjüstirung“ lautete der Befehl „Mäntel mit Weidenruthen“ oder „Mäntel ohne Weidenruthen“. Aber die monströse Wurst war immer noch vorhanden; man schlug vor, den Mantel zusammengelegt einzuschnallen, aber wohin? Auf dem Tornister schien der geeignetste Platz, doch hier thronte bereits die Feldflasche; wurde diese an einem besonderen Riemen getragen, so hinderte sie im Gehn. Der Mantel sollte also unter den Tornister geschnallt werden, wo er weniger ins Auge fiel. Man erzählte, daß Friedrich Wilhelm III. an diesen Versuchen vielen Antheil nahm, und sich beinahe für Anschnallung unter dem Tornister entschieden hätte, allein der alte General York, den er um seine Meinung fragte, erwiederte unumwunden: Recht schön, Majestät! aber meine Leute können bei der alten Art laden, das geht bei der neuen nicht! Man hatte übersehn, daß die neue Art den Zugang zur Patrontasche verhindere. Wenn ich meine, aus den Feldzügen heimgekehrten Freunde fragte, wie es denn möglich gewesen sei, in dieser unzweckmäßigsten aller Kleidungen zu marschiren und zu fechten, so erhielt ich zur Antwort, der Kamaschendienst sei damals noch nicht so arg gewesen als jetzt im Frieden, wo die Offiziere nichts zu thun hätten; auch wisse man, daß das übermäßige Streben nach „Egalität und Propertät“ von dem Könige Friedrich Wilhelm III. selbst aus- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0255" n="247"/> </p><lb/> <p>Da das Zusammenrollen des Mantels zu einer Wurst niemals die gehörige Gleichförmigkeit hervorbrachte, so verfiel ein anschlägiger Kopf darauf, mehrere dicke Weidenruthen mit hineinzuwickeln, die zwar Volumen und Gewicht vermehrten, aber die gewünschte Steifigkeit gaben. Dies ward allgemein eingeführt, und für die „Adjüstirung“ lautete der Befehl „Mäntel mit Weidenruthen“ oder „Mäntel ohne Weidenruthen“. </p><lb/> <p>Aber die monströse Wurst war immer noch vorhanden; man schlug vor, den Mantel zusammengelegt einzuschnallen, aber wohin? Auf dem Tornister schien der geeignetste Platz, doch hier thronte bereits die Feldflasche; wurde diese an einem besonderen Riemen getragen, so hinderte sie im Gehn. Der Mantel sollte also unter den Tornister geschnallt werden, wo er weniger ins Auge fiel. Man erzählte, daß Friedrich Wilhelm III. an diesen Versuchen vielen Antheil nahm, und sich beinahe für Anschnallung unter dem Tornister entschieden hätte, allein der alte General York, den er um seine Meinung fragte, erwiederte unumwunden: Recht schön, Majestät! aber meine Leute können bei der alten Art laden, das geht bei der neuen nicht! Man hatte übersehn, daß die neue Art den Zugang zur Patrontasche verhindere. </p><lb/> <p>Wenn ich meine, aus den Feldzügen heimgekehrten Freunde fragte, wie es denn möglich gewesen sei, in dieser unzweckmäßigsten aller Kleidungen zu marschiren und zu fechten, so erhielt ich zur Antwort, der Kamaschendienst sei damals noch nicht so arg gewesen als jetzt im Frieden, wo die Offiziere nichts zu thun hätten; auch wisse man, daß das übermäßige Streben nach „Egalität und Propertät“ von dem Könige Friedrich Wilhelm III. selbst aus- </p> </div> </body> </text> </TEI> [247/0255]
Da das Zusammenrollen des Mantels zu einer Wurst niemals die gehörige Gleichförmigkeit hervorbrachte, so verfiel ein anschlägiger Kopf darauf, mehrere dicke Weidenruthen mit hineinzuwickeln, die zwar Volumen und Gewicht vermehrten, aber die gewünschte Steifigkeit gaben. Dies ward allgemein eingeführt, und für die „Adjüstirung“ lautete der Befehl „Mäntel mit Weidenruthen“ oder „Mäntel ohne Weidenruthen“.
Aber die monströse Wurst war immer noch vorhanden; man schlug vor, den Mantel zusammengelegt einzuschnallen, aber wohin? Auf dem Tornister schien der geeignetste Platz, doch hier thronte bereits die Feldflasche; wurde diese an einem besonderen Riemen getragen, so hinderte sie im Gehn. Der Mantel sollte also unter den Tornister geschnallt werden, wo er weniger ins Auge fiel. Man erzählte, daß Friedrich Wilhelm III. an diesen Versuchen vielen Antheil nahm, und sich beinahe für Anschnallung unter dem Tornister entschieden hätte, allein der alte General York, den er um seine Meinung fragte, erwiederte unumwunden: Recht schön, Majestät! aber meine Leute können bei der alten Art laden, das geht bei der neuen nicht! Man hatte übersehn, daß die neue Art den Zugang zur Patrontasche verhindere.
Wenn ich meine, aus den Feldzügen heimgekehrten Freunde fragte, wie es denn möglich gewesen sei, in dieser unzweckmäßigsten aller Kleidungen zu marschiren und zu fechten, so erhielt ich zur Antwort, der Kamaschendienst sei damals noch nicht so arg gewesen als jetzt im Frieden, wo die Offiziere nichts zu thun hätten; auch wisse man, daß das übermäßige Streben nach „Egalität und Propertät“ von dem Könige Friedrich Wilhelm III. selbst aus-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/255 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/255>, abgerufen am 27.07.2024. |