Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].musikalischen Takt, daß er kaum nach der Musik im richtigen Schritte marschiren konnte. Wie oft habe ich ihm später im Scherz die vielen Fußtritte vorgeworfen, die er mir während unseres Pionirjahres hinter mir hermarschirend versetzt hatte. Mit unsrer Musik war es schwach bestellt, wir hatten keine eigne Bande, sondern nur einen Hornisten von sehr untergeordneter Begabung. Sein kläglich unreines Blasen auf einem alten Waldhorne erregte weit mehr Heiterkeit als Aerger, und da das Exerciren bei uns nicht als Hauptsache galt, wie bei den Linientruppen, so ward die geringe Geschicklichkeit des Hornisten nicht oft in Anspruch genommen. Vor der Besichtigung durch den Obersten von Krohn hatten uns die Unteroffiziere zu verstehn gegeben, daß der Herr Oberst "die langen Redereien" nicht liebe, wir möchten uns daher in unseren Antworten so kurz als möglich fassen. Dies wurde allgemein befolgt, und gab unter andern zu folgendem Gespräche Anlaß. Wie heißen Sie? - Struve. Was ist Ihr Herr Vater? - Postsekretär. Was wollen Sie werden? - Auch. Auf die vorläufigen Uebungen in der grauen Jacke folgte das Exerciren in der Uniform mit Tschako, Gewehr, Faschinenmesser und Patrontasche, zuletzt mit Tornister und Mantel. Die damalige Bekleidung der Soldaten war weder bequem noch schön noch zweckmäßig. Der Tschako, eine polnische oder russische Erfindung, oben breiter als unten, balancirte auf der Mitte des Kopfes, und wurde durch den Sturmriemen fest an den Hirnschädel gedrückt; der schmale schwarze Schirm von steifem Glanzleder, weit entfernt die Augen zu schütten, lag fest auf der Stirn, musikalischen Takt, daß er kaum nach der Musik im richtigen Schritte marschiren konnte. Wie oft habe ich ihm später im Scherz die vielen Fußtritte vorgeworfen, die er mir während unseres Pionirjahres hinter mir hermarschirend versetzt hatte. Mit unsrer Musik war es schwach bestellt, wir hatten keine eigne Bande, sondern nur einen Hornisten von sehr untergeordneter Begabung. Sein kläglich unreines Blasen auf einem alten Waldhorne erregte weit mehr Heiterkeit als Aerger, und da das Exerciren bei uns nicht als Hauptsache galt, wie bei den Linientruppen, so ward die geringe Geschicklichkeit des Hornisten nicht oft in Anspruch genommen. Vor der Besichtigung durch den Obersten von Krohn hatten uns die Unteroffiziere zu verstehn gegeben, daß der Herr Oberst „die langen Redereien“ nicht liebe, wir möchten uns daher in unseren Antworten so kurz als möglich fassen. Dies wurde allgemein befolgt, und gab unter andern zu folgendem Gespräche Anlaß. Wie heißen Sie? – Struve. Was ist Ihr Herr Vater? – Postsekretär. Was wollen Sie werden? – Auch. Auf die vorläufigen Uebungen in der grauen Jacke folgte das Exerciren in der Uniform mit Tschako, Gewehr, Faschinenmesser und Patrontasche, zuletzt mit Tornister und Mantel. Die damalige Bekleidung der Soldaten war weder bequem noch schön noch zweckmäßig. Der Tschako, eine polnische oder russische Erfindung, oben breiter als unten, balancirte auf der Mitte des Kopfes, und wurde durch den Sturmriemen fest an den Hirnschädel gedrückt; der schmale schwarze Schirm von steifem Glanzleder, weit entfernt die Augen zu schütten, lag fest auf der Stirn, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0253" n="245"/> musikalischen Takt, daß er kaum nach der Musik im richtigen Schritte marschiren konnte. Wie oft habe ich ihm später im Scherz die vielen Fußtritte vorgeworfen, die er mir während unseres Pionirjahres hinter mir hermarschirend versetzt hatte. Mit unsrer Musik war es schwach bestellt, wir hatten keine eigne Bande, sondern nur einen Hornisten von sehr untergeordneter Begabung. Sein kläglich unreines Blasen auf einem alten Waldhorne erregte weit mehr Heiterkeit als Aerger, und da das Exerciren bei uns nicht als Hauptsache galt, wie bei den Linientruppen, so ward die geringe Geschicklichkeit des Hornisten nicht oft in Anspruch genommen. </p><lb/> <p>Vor der Besichtigung durch den Obersten von Krohn hatten uns die Unteroffiziere zu verstehn gegeben, daß der Herr Oberst „die langen Redereien“ nicht liebe, wir möchten uns daher in unseren Antworten so kurz als möglich fassen. Dies wurde allgemein befolgt, und gab unter andern zu folgendem Gespräche Anlaß. </p><lb/> <p>Wie heißen Sie? – Struve. </p><lb/> <p>Was ist Ihr Herr Vater? – Postsekretär. </p><lb/> <p>Was wollen Sie werden? – Auch. </p><lb/> <p>Auf die vorläufigen Uebungen in der grauen Jacke folgte das Exerciren in der Uniform mit Tschako, Gewehr, Faschinenmesser und Patrontasche, zuletzt mit Tornister und Mantel. Die damalige Bekleidung der Soldaten war weder bequem noch schön noch zweckmäßig. Der Tschako, eine polnische oder russische Erfindung, oben breiter als unten, balancirte auf der Mitte des Kopfes, und wurde durch den Sturmriemen fest an den Hirnschädel gedrückt; der schmale schwarze Schirm von steifem Glanzleder, weit entfernt die Augen zu schütten, lag fest auf der Stirn, </p> </div> </body> </text> </TEI> [245/0253]
musikalischen Takt, daß er kaum nach der Musik im richtigen Schritte marschiren konnte. Wie oft habe ich ihm später im Scherz die vielen Fußtritte vorgeworfen, die er mir während unseres Pionirjahres hinter mir hermarschirend versetzt hatte. Mit unsrer Musik war es schwach bestellt, wir hatten keine eigne Bande, sondern nur einen Hornisten von sehr untergeordneter Begabung. Sein kläglich unreines Blasen auf einem alten Waldhorne erregte weit mehr Heiterkeit als Aerger, und da das Exerciren bei uns nicht als Hauptsache galt, wie bei den Linientruppen, so ward die geringe Geschicklichkeit des Hornisten nicht oft in Anspruch genommen.
Vor der Besichtigung durch den Obersten von Krohn hatten uns die Unteroffiziere zu verstehn gegeben, daß der Herr Oberst „die langen Redereien“ nicht liebe, wir möchten uns daher in unseren Antworten so kurz als möglich fassen. Dies wurde allgemein befolgt, und gab unter andern zu folgendem Gespräche Anlaß.
Wie heißen Sie? – Struve.
Was ist Ihr Herr Vater? – Postsekretär.
Was wollen Sie werden? – Auch.
Auf die vorläufigen Uebungen in der grauen Jacke folgte das Exerciren in der Uniform mit Tschako, Gewehr, Faschinenmesser und Patrontasche, zuletzt mit Tornister und Mantel. Die damalige Bekleidung der Soldaten war weder bequem noch schön noch zweckmäßig. Der Tschako, eine polnische oder russische Erfindung, oben breiter als unten, balancirte auf der Mitte des Kopfes, und wurde durch den Sturmriemen fest an den Hirnschädel gedrückt; der schmale schwarze Schirm von steifem Glanzleder, weit entfernt die Augen zu schütten, lag fest auf der Stirn,
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/253>, abgerufen am 27.07.2024. |