Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].len Belastung warnten, die durch einen permanenten Kriegszustand dem Lande aufgebürdet werde; andre fanden es ungerecht, daß der Gebildete vor dem Ungebildeten den Vorzug der kürzeren Dienstzeit habe, daß die Länge der Einstellung von den Schulzeugnissen abhängig gemacht, und im Heere eine Aristokratie von Gelehrten geschaffen werde. Es fehlte auch nicht an Unzufriedenen, welche die bei jeder neuen Einrichtung zu Tage tretenden Unzukömmlichkeiten aufmutzten und vieles ins Lächerliche zogen. So wurde unter andern eine Einrichtung bespöttelt, die während der Freiheitskriege von den russischen Garderegimentem auf die preußischen Truppen übergegangen war. Die Russen strichen das Haar am Hinterkopfe mit Wichse in die Höhe, so daß es wie eine schwarze Bürste weit abstand, und den stupiden Slavenköpfen einen noch mehr thierischen Ausdruck gab. Dies wurde von den Preußen nachgeahmt, und sollte auch bei den Freiwilligen eingeführt werden. Als ein Freiwilliger sich zu dieser lästigen und lächerlichen Operation nicht verstehn wollte, indem er vorgab, daß seine Haare sich der Wichse nicht fügten, so wurde er von dem Unteroffiziere dem Hauptmanne vorgeführt, mit den Worten: Herr Hauptmann, diesem Unglücklichen wollen die Haare nicht stehn! Ein immens reicher schlesischer Graf trat als Freiwilliger in das erste Garderegiment, und mußte alle Vormittage im Lustgarten exerciren. Da sah man denn gegen 10 Uhr einen eleganten Vierspänner von der Seite der Linden heranrollen, zwei galonirte Bediente sprangen herab, öffneten respektvoll die Thür, und heraus stieg der Graf in der grauen Kommisjacke, um gleich darauf von dem Unteroffiziere sich andonnern und anwettern zu lassen. len Belastung warnten, die durch einen permanenten Kriegszustand dem Lande aufgebürdet werde; andre fanden es ungerecht, daß der Gebildete vor dem Ungebildeten den Vorzug der kürzeren Dienstzeit habe, daß die Länge der Einstellung von den Schulzeugnissen abhängig gemacht, und im Heere eine Aristokratie von Gelehrten geschaffen werde. Es fehlte auch nicht an Unzufriedenen, welche die bei jeder neuen Einrichtung zu Tage tretenden Unzukömmlichkeiten aufmutzten und vieles ins Lächerliche zogen. So wurde unter andern eine Einrichtung bespöttelt, die während der Freiheitskriege von den russischen Garderegimentem auf die preußischen Truppen übergegangen war. Die Russen strichen das Haar am Hinterkopfe mit Wichse in die Höhe, so daß es wie eine schwarze Bürste weit abstand, und den stupiden Slavenköpfen einen noch mehr thierischen Ausdruck gab. Dies wurde von den Preußen nachgeahmt, und sollte auch bei den Freiwilligen eingeführt werden. Als ein Freiwilliger sich zu dieser lästigen und lächerlichen Operation nicht verstehn wollte, indem er vorgab, daß seine Haare sich der Wichse nicht fügten, so wurde er von dem Unteroffiziere dem Hauptmanne vorgeführt, mit den Worten: Herr Hauptmann, diesem Unglücklichen wollen die Haare nicht stehn! Ein immens reicher schlesischer Graf trat als Freiwilliger in das erste Garderegiment, und mußte alle Vormittage im Lustgarten exerciren. Da sah man denn gegen 10 Uhr einen eleganten Vierspänner von der Seite der Linden heranrollen, zwei galonirte Bediente sprangen herab, öffneten respektvoll die Thür, und heraus stieg der Graf in der grauen Kommisjacke, um gleich darauf von dem Unteroffiziere sich andonnern und anwettern zu lassen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0219" n="211"/> len Belastung warnten, die durch einen permanenten Kriegszustand dem Lande aufgebürdet werde; andre fanden es ungerecht, daß der Gebildete vor dem Ungebildeten den Vorzug der kürzeren Dienstzeit habe, daß die Länge der Einstellung von den Schulzeugnissen abhängig gemacht, und im Heere eine Aristokratie von Gelehrten geschaffen werde. Es fehlte auch nicht an Unzufriedenen, welche die bei jeder neuen Einrichtung zu Tage tretenden Unzukömmlichkeiten aufmutzten und vieles ins Lächerliche zogen. So wurde unter andern eine Einrichtung bespöttelt, die während der Freiheitskriege von den russischen Garderegimentem auf die preußischen Truppen übergegangen war. Die Russen strichen das Haar am Hinterkopfe mit Wichse in die Höhe, so daß es wie eine schwarze Bürste weit abstand, und den stupiden Slavenköpfen einen noch mehr thierischen Ausdruck gab. Dies wurde von den Preußen nachgeahmt, und sollte auch bei den Freiwilligen eingeführt werden. Als ein Freiwilliger sich zu dieser lästigen und lächerlichen Operation nicht verstehn wollte, indem er vorgab, daß seine Haare sich der Wichse nicht fügten, so wurde er von dem Unteroffiziere dem Hauptmanne vorgeführt, mit den Worten: Herr Hauptmann, diesem Unglücklichen wollen die Haare nicht stehn! </p><lb/> <p>Ein immens reicher schlesischer Graf trat als Freiwilliger in das erste Garderegiment, und mußte alle Vormittage im Lustgarten exerciren. Da sah man denn gegen 10 Uhr einen eleganten Vierspänner von der Seite der Linden heranrollen, zwei galonirte Bediente sprangen herab, öffneten respektvoll die Thür, und heraus stieg der Graf in der grauen Kommisjacke, um gleich darauf von dem Unteroffiziere sich andonnern und anwettern zu lassen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [211/0219]
len Belastung warnten, die durch einen permanenten Kriegszustand dem Lande aufgebürdet werde; andre fanden es ungerecht, daß der Gebildete vor dem Ungebildeten den Vorzug der kürzeren Dienstzeit habe, daß die Länge der Einstellung von den Schulzeugnissen abhängig gemacht, und im Heere eine Aristokratie von Gelehrten geschaffen werde. Es fehlte auch nicht an Unzufriedenen, welche die bei jeder neuen Einrichtung zu Tage tretenden Unzukömmlichkeiten aufmutzten und vieles ins Lächerliche zogen. So wurde unter andern eine Einrichtung bespöttelt, die während der Freiheitskriege von den russischen Garderegimentem auf die preußischen Truppen übergegangen war. Die Russen strichen das Haar am Hinterkopfe mit Wichse in die Höhe, so daß es wie eine schwarze Bürste weit abstand, und den stupiden Slavenköpfen einen noch mehr thierischen Ausdruck gab. Dies wurde von den Preußen nachgeahmt, und sollte auch bei den Freiwilligen eingeführt werden. Als ein Freiwilliger sich zu dieser lästigen und lächerlichen Operation nicht verstehn wollte, indem er vorgab, daß seine Haare sich der Wichse nicht fügten, so wurde er von dem Unteroffiziere dem Hauptmanne vorgeführt, mit den Worten: Herr Hauptmann, diesem Unglücklichen wollen die Haare nicht stehn!
Ein immens reicher schlesischer Graf trat als Freiwilliger in das erste Garderegiment, und mußte alle Vormittage im Lustgarten exerciren. Da sah man denn gegen 10 Uhr einen eleganten Vierspänner von der Seite der Linden heranrollen, zwei galonirte Bediente sprangen herab, öffneten respektvoll die Thür, und heraus stieg der Graf in der grauen Kommisjacke, um gleich darauf von dem Unteroffiziere sich andonnern und anwettern zu lassen.
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