gigen Antworten dem Disponenten Herrn Ritter. Er führte also den Autor aus seiner Stube nach der Buchhandlung hinunter, und beim Rückwege über den Hof ereignete sich das Unglück.
Während des langweiligen Liegens blieb mein Vater stets heiter und guter Dinge; nicht ein einziges Mal habe ich ein Zeichen des Unmuthes oder der Ungeduld an ihm wahrgenommen. Als Kohlrausch ihm gestattete, Freunde zu sehn, wurde der Stuhl an seinem Bette von Besuchern nicht leer. Zu diesen gehörte unter andern der vom Grafen Brühl geschickte Solotänzer Schulz, der vor mehreren Jahren auch die Kniescheibe gebrochen, und nachher doch wieder den Arlekin getanzt hatte.
Eines Tages fand ich am Bette meines Vaters einen stattlichen Mann in glänzender Uniform. Er schien noch gar nicht alt zu sein, aber der kahle Kopf hing ihm auf die Brust herab, das Auge hatte nur einen matten Glanz, und mit Mühe schien er das Gespräch fortzuführen. Aus seinen freundschaftlichen Aeußerungen sah ich, daß er meinen Vater schon früher müsse gekannt haben. Es war der sächsische General von Thielemann, der im russischen Feldzuge unter Napoleon I. gedient. Die Schrecknisse des Rückzuges hatten den kräftigen Mann vor der Zeit zum Greise gemacht.
Ueber den langsamen Versuchen im Gehn kam das Frühjahr heran; der Umzug nach dem großen Garten ward in gewohnter Weise bewerkstelligt, und im Herbste konnte mein Vater den Weg von der Blumenstraße nach der Brüderstraße wie früher zu Fuße zurücklegen.
gigen Antworten dem Disponenten Herrn Ritter. Er führte also den Autor aus seiner Stube nach der Buchhandlung hinunter, und beim Rückwege über den Hof ereignete sich das Unglück.
Während des langweiligen Liegens blieb mein Vater stets heiter und guter Dinge; nicht ein einziges Mal habe ich ein Zeichen des Unmuthes oder der Ungeduld an ihm wahrgenommen. Als Kohlrausch ihm gestattete, Freunde zu sehn, wurde der Stuhl an seinem Bette von Besuchern nicht leer. Zu diesen gehörte unter andern der vom Grafen Brühl geschickte Solotänzer Schulz, der vor mehreren Jahren auch die Kniescheibe gebrochen, und nachher doch wieder den Arlekin getanzt hatte.
Eines Tages fand ich am Bette meines Vaters einen stattlichen Mann in glänzender Uniform. Er schien noch gar nicht alt zu sein, aber der kahle Kopf hing ihm auf die Brust herab, das Auge hatte nur einen matten Glanz, und mit Mühe schien er das Gespräch fortzuführen. Aus seinen freundschaftlichen Aeußerungen sah ich, daß er meinen Vater schon früher müsse gekannt haben. Es war der sächsische General von Thielemann, der im russischen Feldzuge unter Napoléon I. gedient. Die Schrecknisse des Rückzuges hatten den kräftigen Mann vor der Zeit zum Greise gemacht.
Ueber den langsamen Versuchen im Gehn kam das Frühjahr heran; der Umzug nach dem großen Garten ward in gewohnter Weise bewerkstelligt, und im Herbste konnte mein Vater den Weg von der Blumenstraße nach der Brüderstraße wie früher zu Fuße zurücklegen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0190"n="182"/>
gigen Antworten dem Disponenten Herrn Ritter. Er führte also den Autor aus seiner Stube nach der Buchhandlung hinunter, und beim Rückwege über den Hof ereignete sich das Unglück. </p><lb/><p>Während des langweiligen Liegens blieb mein Vater stets heiter und guter Dinge; nicht ein einziges Mal habe ich ein Zeichen des Unmuthes oder der Ungeduld an ihm wahrgenommen. Als Kohlrausch ihm gestattete, Freunde zu sehn, wurde der Stuhl an seinem Bette von Besuchern nicht leer. Zu diesen gehörte unter andern der vom Grafen Brühl geschickte Solotänzer Schulz, der vor mehreren Jahren auch die Kniescheibe gebrochen, und nachher doch wieder den Arlekin getanzt hatte. </p><lb/><p>Eines Tages fand ich am Bette meines Vaters einen stattlichen Mann in glänzender Uniform. Er schien noch gar nicht alt zu sein, aber der kahle Kopf hing ihm auf die Brust herab, das Auge hatte nur einen matten Glanz, und mit Mühe schien er das Gespräch fortzuführen. Aus seinen freundschaftlichen Aeußerungen sah ich, daß er meinen Vater schon früher müsse gekannt haben. Es war der sächsische General von Thielemann, der im russischen Feldzuge unter Napoléon I. gedient. Die Schrecknisse des Rückzuges hatten den kräftigen Mann vor der Zeit zum Greise gemacht. </p><lb/><p>Ueber den langsamen Versuchen im Gehn kam das Frühjahr heran; der Umzug nach dem großen Garten ward in gewohnter Weise bewerkstelligt, und im Herbste konnte mein Vater den Weg von der Blumenstraße nach der Brüderstraße wie früher zu Fuße zurücklegen. </p><lb/></div></body></text></TEI>
[182/0190]
gigen Antworten dem Disponenten Herrn Ritter. Er führte also den Autor aus seiner Stube nach der Buchhandlung hinunter, und beim Rückwege über den Hof ereignete sich das Unglück.
Während des langweiligen Liegens blieb mein Vater stets heiter und guter Dinge; nicht ein einziges Mal habe ich ein Zeichen des Unmuthes oder der Ungeduld an ihm wahrgenommen. Als Kohlrausch ihm gestattete, Freunde zu sehn, wurde der Stuhl an seinem Bette von Besuchern nicht leer. Zu diesen gehörte unter andern der vom Grafen Brühl geschickte Solotänzer Schulz, der vor mehreren Jahren auch die Kniescheibe gebrochen, und nachher doch wieder den Arlekin getanzt hatte.
Eines Tages fand ich am Bette meines Vaters einen stattlichen Mann in glänzender Uniform. Er schien noch gar nicht alt zu sein, aber der kahle Kopf hing ihm auf die Brust herab, das Auge hatte nur einen matten Glanz, und mit Mühe schien er das Gespräch fortzuführen. Aus seinen freundschaftlichen Aeußerungen sah ich, daß er meinen Vater schon früher müsse gekannt haben. Es war der sächsische General von Thielemann, der im russischen Feldzuge unter Napoléon I. gedient. Die Schrecknisse des Rückzuges hatten den kräftigen Mann vor der Zeit zum Greise gemacht.
Ueber den langsamen Versuchen im Gehn kam das Frühjahr heran; der Umzug nach dem großen Garten ward in gewohnter Weise bewerkstelligt, und im Herbste konnte mein Vater den Weg von der Blumenstraße nach der Brüderstraße wie früher zu Fuße zurücklegen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/190>, abgerufen am 26.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.