Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].daß ihm auch das Bewußtsein aller andern Seelen geblieben ist, mit denen er hienieden in Verbindung stand. Dies wollte ich anfangs nicht zugeben, allein Paul zeigte mir sehr deutlich, daß ein Selbstbewußtsein an sich ein Unding sei, wenn ihm nicht das Bewußtsein eines anderen zur Seite oder gegenüber stehe. Wenn nun, fuhr Paul fort, in seiner Seele das Bewußtsein unserer Seelen lebt, wäre es da nicht ein wesentlicher Mangel, wenn er uns von seinem Bewußtsein nicht sollte Kenntniß geben können? Halt, rief ich, du steuerst auf die Geisterseherei los, und auf dieses Gebiet werde ich dir nicht folgen. Paul versicherte, daß er weit davon entfernt, und nur bestrebt sei, sich selbst über den Zustand der Seele nach dem Tode klar zu werden. Er gestand mir sogar, daß er in der Nacht nach dem Tode unseres Freundes, durch irgend ein Geräusch aufgeschreckt, den Geist des Dahingeschiedenen beschworen habe, ihm, wenn es in seiner Macht stehe, irgend ein Zeichen seiner Existenz zu geben, daß er unter heftigem Herzklopfen in banger Erwartung gelauscht, daß aber nicht das allermindeste erfolgt sei. Ein Wesen also, meinte er, das nicht im Stande sei, dem liebsten Freunde das kleinste Zeichen seiner Existenz zu geben, sei für diesen Freund nicht mehr vorhanden, man könne dieses Wesen also nicht in unserem Sinne lebendig nennen. Dies schien mir mehr spitzfindig als wahr, und ich fragte ihn, ob er sich nicht ein Leben denken könne, das in andrer Weise als das irdische Leben, den Bedingungen seines Daseins genüge? Er konnte dies zwar in abstracto nicht läugnen, behauptete aber, daß in concreto sich kein faßlicher Begriff mit einem über das Leben hinausgehenden Leben verbinden lasse. Und dabei blieben wir diesmal stehn. daß ihm auch das Bewußtsein aller andern Seelen geblieben ist, mit denen er hienieden in Verbindung stand. Dies wollte ich anfangs nicht zugeben, allein Paul zeigte mir sehr deutlich, daß ein Selbstbewußtsein an sich ein Unding sei, wenn ihm nicht das Bewußtsein eines anderen zur Seite oder gegenüber stehe. Wenn nun, fuhr Paul fort, in seiner Seele das Bewußtsein unserer Seelen lebt, wäre es da nicht ein wesentlicher Mangel, wenn er uns von seinem Bewußtsein nicht sollte Kenntniß geben können? Halt, rief ich, du steuerst auf die Geisterseherei los, und auf dieses Gebiet werde ich dir nicht folgen. Paul versicherte, daß er weit davon entfernt, und nur bestrebt sei, sich selbst über den Zustand der Seele nach dem Tode klar zu werden. Er gestand mir sogar, daß er in der Nacht nach dem Tode unseres Freundes, durch irgend ein Geräusch aufgeschreckt, den Geist des Dahingeschiedenen beschworen habe, ihm, wenn es in seiner Macht stehe, irgend ein Zeichen seiner Existenz zu geben, daß er unter heftigem Herzklopfen in banger Erwartung gelauscht, daß aber nicht das allermindeste erfolgt sei. Ein Wesen also, meinte er, das nicht im Stande sei, dem liebsten Freunde das kleinste Zeichen seiner Existenz zu geben, sei für diesen Freund nicht mehr vorhanden, man könne dieses Wesen also nicht in unserem Sinne lebendig nennen. Dies schien mir mehr spitzfindig als wahr, und ich fragte ihn, ob er sich nicht ein Leben denken könne, das in andrer Weise als das irdische Leben, den Bedingungen seines Daseins genüge? Er konnte dies zwar in abstracto nicht läugnen, behauptete aber, daß in concreto sich kein faßlicher Begriff mit einem über das Leben hinausgehenden Leben verbinden lasse. Und dabei blieben wir diesmal stehn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0166" n="158"/> daß ihm auch das Bewußtsein aller andern Seelen geblieben ist, mit denen er hienieden in Verbindung stand. Dies wollte ich anfangs nicht zugeben, allein Paul zeigte mir sehr deutlich, daß ein Selbstbewußtsein an sich ein Unding sei, wenn ihm nicht das Bewußtsein eines anderen zur Seite oder gegenüber stehe. Wenn nun, fuhr Paul fort, in seiner Seele das Bewußtsein unserer Seelen lebt, wäre es da nicht ein wesentlicher Mangel, wenn er uns von seinem Bewußtsein nicht sollte Kenntniß geben können? Halt, rief ich, du steuerst auf die Geisterseherei los, und auf dieses Gebiet werde ich dir nicht folgen. Paul versicherte, daß er weit davon entfernt, und nur bestrebt sei, sich selbst über den Zustand der Seele nach dem Tode klar zu werden. Er gestand mir sogar, daß er in der Nacht nach dem Tode unseres Freundes, durch irgend ein Geräusch aufgeschreckt, den Geist des Dahingeschiedenen beschworen habe, ihm, wenn es in seiner Macht stehe, irgend ein Zeichen seiner Existenz zu geben, daß er unter heftigem Herzklopfen in banger Erwartung gelauscht, daß aber nicht das allermindeste erfolgt sei. Ein Wesen also, meinte er, das nicht im Stande sei, dem liebsten Freunde das kleinste Zeichen seiner Existenz zu geben, sei für diesen Freund nicht mehr vorhanden, man könne dieses Wesen also nicht in unserem Sinne lebendig nennen. Dies schien mir mehr spitzfindig als wahr, und ich fragte ihn, ob er sich nicht ein Leben denken könne, das in andrer Weise als das irdische Leben, den Bedingungen seines Daseins genüge? Er konnte dies zwar in abstracto nicht läugnen, behauptete aber, daß in concreto sich kein faßlicher Begriff mit einem über das Leben hinausgehenden Leben verbinden lasse. Und dabei blieben wir diesmal stehn. </p> </div> </body> </text> </TEI> [158/0166]
daß ihm auch das Bewußtsein aller andern Seelen geblieben ist, mit denen er hienieden in Verbindung stand. Dies wollte ich anfangs nicht zugeben, allein Paul zeigte mir sehr deutlich, daß ein Selbstbewußtsein an sich ein Unding sei, wenn ihm nicht das Bewußtsein eines anderen zur Seite oder gegenüber stehe. Wenn nun, fuhr Paul fort, in seiner Seele das Bewußtsein unserer Seelen lebt, wäre es da nicht ein wesentlicher Mangel, wenn er uns von seinem Bewußtsein nicht sollte Kenntniß geben können? Halt, rief ich, du steuerst auf die Geisterseherei los, und auf dieses Gebiet werde ich dir nicht folgen. Paul versicherte, daß er weit davon entfernt, und nur bestrebt sei, sich selbst über den Zustand der Seele nach dem Tode klar zu werden. Er gestand mir sogar, daß er in der Nacht nach dem Tode unseres Freundes, durch irgend ein Geräusch aufgeschreckt, den Geist des Dahingeschiedenen beschworen habe, ihm, wenn es in seiner Macht stehe, irgend ein Zeichen seiner Existenz zu geben, daß er unter heftigem Herzklopfen in banger Erwartung gelauscht, daß aber nicht das allermindeste erfolgt sei. Ein Wesen also, meinte er, das nicht im Stande sei, dem liebsten Freunde das kleinste Zeichen seiner Existenz zu geben, sei für diesen Freund nicht mehr vorhanden, man könne dieses Wesen also nicht in unserem Sinne lebendig nennen. Dies schien mir mehr spitzfindig als wahr, und ich fragte ihn, ob er sich nicht ein Leben denken könne, das in andrer Weise als das irdische Leben, den Bedingungen seines Daseins genüge? Er konnte dies zwar in abstracto nicht läugnen, behauptete aber, daß in concreto sich kein faßlicher Begriff mit einem über das Leben hinausgehenden Leben verbinden lasse. Und dabei blieben wir diesmal stehn.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |