Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].meinen Worten geäußert. Sehr spät erfuhren wir durch irgend eine dritte Person, Herr von Rodde sei sehr musikalisch, und könne für einen Virtuosen auf der Geige gelten. Nun ward er von meinem Vater dringend aufgefordert, unsern Zirkel durch sein Talent zu erfreuen, und es ward gleich ein Quartettabend über 8 Tage festgesetzt. Da spielte Herr von Rodde nicht nur die erste Geige in den Mozartschen Quartetten mit seltner Meisterschaft, sondern er legte auch zum Schlusse ein selbstkomponirtes Streichquartett auf, über welches die Fachmänner sich sehr beifällig äußerten. Mit großer Naivheit erzählte er uns nachher, er habe fast die ganze Woche mit dem Ausschreiben der Stimmen hingebracht, weil der Notenschreiber ihm erklärte, es sei unmöglich, die Arbeit in so kurzer Zeit zu vollenden. Mein Vater war hocherfreut über den Erwerb dieser frischen musikalischen Kraft, aber nicht lange sollten wir derselben genießen: denn wenige Wochen nachdem diese reiche Quelle aufgesprudelt, reiste Herr von Rodde nach seiner Vaterstadt zurück, wo er später die höchsten juristischen Stellen erlangte. Für den General von Pfuel empfanden wir eine besondere Zuneigung, nachdem wir erfahren, daß er überall, wo eine Gelegenheit sich zeigte, gegen Napoleon I. gekämpft, und zuletzt in den Befreiungskriegen sich rühmlichst ausgezeichnet. Nach der Eroberung von Paris im März 1814 ward er Kommandant der feindlichen Hauptstadt, und wußte die naseweisen eingebildeten Franzosen fest im Zaume zu halten. Als die Rückkehr der bourbonischen Dynastie entschieden war, kannte die Anmaaßung der alten Aristokratie keine Gränzen. Eines Tages ward meinen Worten geäußert. Sehr spät erfuhren wir durch irgend eine dritte Person, Herr von Rodde sei sehr musikalisch, und könne für einen Virtuosen auf der Geige gelten. Nun ward er von meinem Vater dringend aufgefordert, unsern Zirkel durch sein Talent zu erfreuen, und es ward gleich ein Quartettabend über 8 Tage festgesetzt. Da spielte Herr von Rodde nicht nur die erste Geige in den Mozartschen Quartetten mit seltner Meisterschaft, sondern er legte auch zum Schlusse ein selbstkomponirtes Streichquartett auf, über welches die Fachmänner sich sehr beifällig äußerten. Mit großer Naivheit erzählte er uns nachher, er habe fast die ganze Woche mit dem Ausschreiben der Stimmen hingebracht, weil der Notenschreiber ihm erklärte, es sei unmöglich, die Arbeit in so kurzer Zeit zu vollenden. Mein Vater war hocherfreut über den Erwerb dieser frischen musikalischen Kraft, aber nicht lange sollten wir derselben genießen: denn wenige Wochen nachdem diese reiche Quelle aufgesprudelt, reiste Herr von Rodde nach seiner Vaterstadt zurück, wo er später die höchsten juristischen Stellen erlangte. Für den General von Pfuel empfanden wir eine besondere Zuneigung, nachdem wir erfahren, daß er überall, wo eine Gelegenheit sich zeigte, gegen Napoléon I. gekämpft, und zuletzt in den Befreiungskriegen sich rühmlichst ausgezeichnet. Nach der Eroberung von Paris im März 1814 ward er Kommandant der feindlichen Hauptstadt, und wußte die naseweisen eingebildeten Franzosen fest im Zaume zu halten. Als die Rückkehr der bourbonischen Dynastie entschieden war, kannte die Anmaaßung der alten Aristokratie keine Gränzen. Eines Tages ward <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0149" n="141"/> meinen Worten geäußert. Sehr spät erfuhren wir durch irgend eine dritte Person, Herr von Rodde sei sehr musikalisch, und könne für einen Virtuosen auf der Geige gelten. Nun ward er von meinem Vater dringend aufgefordert, unsern Zirkel durch sein Talent zu erfreuen, und es ward gleich ein Quartettabend über 8 Tage festgesetzt. Da spielte Herr von Rodde nicht nur die erste Geige in den Mozartschen Quartetten mit seltner Meisterschaft, sondern er legte auch zum Schlusse ein selbstkomponirtes Streichquartett auf, über welches die Fachmänner sich sehr beifällig äußerten. Mit großer Naivheit erzählte er uns nachher, er habe fast die ganze Woche mit dem Ausschreiben der Stimmen hingebracht, weil der Notenschreiber ihm erklärte, es sei unmöglich, die Arbeit in so kurzer Zeit zu vollenden. </p><lb/> <p>Mein Vater war hocherfreut über den Erwerb dieser frischen musikalischen Kraft, aber nicht lange sollten wir derselben genießen: denn wenige Wochen nachdem diese reiche Quelle aufgesprudelt, reiste Herr von Rodde nach seiner Vaterstadt zurück, wo er später die höchsten juristischen Stellen erlangte. </p><lb/> <p>Für den General von Pfuel empfanden wir eine besondere Zuneigung, nachdem wir erfahren, daß er überall, wo eine Gelegenheit sich zeigte, gegen Napoléon I. gekämpft, und zuletzt in den Befreiungskriegen sich rühmlichst ausgezeichnet. Nach der Eroberung von Paris im März 1814 ward er Kommandant der feindlichen Hauptstadt, und wußte die naseweisen eingebildeten Franzosen fest im Zaume zu halten. 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meinen Worten geäußert. Sehr spät erfuhren wir durch irgend eine dritte Person, Herr von Rodde sei sehr musikalisch, und könne für einen Virtuosen auf der Geige gelten. Nun ward er von meinem Vater dringend aufgefordert, unsern Zirkel durch sein Talent zu erfreuen, und es ward gleich ein Quartettabend über 8 Tage festgesetzt. Da spielte Herr von Rodde nicht nur die erste Geige in den Mozartschen Quartetten mit seltner Meisterschaft, sondern er legte auch zum Schlusse ein selbstkomponirtes Streichquartett auf, über welches die Fachmänner sich sehr beifällig äußerten. Mit großer Naivheit erzählte er uns nachher, er habe fast die ganze Woche mit dem Ausschreiben der Stimmen hingebracht, weil der Notenschreiber ihm erklärte, es sei unmöglich, die Arbeit in so kurzer Zeit zu vollenden.
Mein Vater war hocherfreut über den Erwerb dieser frischen musikalischen Kraft, aber nicht lange sollten wir derselben genießen: denn wenige Wochen nachdem diese reiche Quelle aufgesprudelt, reiste Herr von Rodde nach seiner Vaterstadt zurück, wo er später die höchsten juristischen Stellen erlangte.
Für den General von Pfuel empfanden wir eine besondere Zuneigung, nachdem wir erfahren, daß er überall, wo eine Gelegenheit sich zeigte, gegen Napoléon I. gekämpft, und zuletzt in den Befreiungskriegen sich rühmlichst ausgezeichnet. Nach der Eroberung von Paris im März 1814 ward er Kommandant der feindlichen Hauptstadt, und wußte die naseweisen eingebildeten Franzosen fest im Zaume zu halten. Als die Rückkehr der bourbonischen Dynastie entschieden war, kannte die Anmaaßung der alten Aristokratie keine Gränzen. Eines Tages ward
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/149>, abgerufen am 26.07.2024. |