Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Jettchen zu den ausgesuchtesten Genüssen. Der Minister blieb auch nach seiner plötzlichen Entlassung mit der königlichen Familie in den freundschaftlichsten Beziehungen. Der Kronprinz hatte einst einen Besuch in Tegel gemacht, und rühmte an der königlichen Tafel die angenehme Aufnahme. "Sehr unrecht", sagte sein Vater, "daß von den hübschesten Partien mir nichts sagen." Es ward nun ein zweiter Besuch in Tegel abgestattet, von dem der König äußerst befriedigt zurückkehrte.

Den Staatsrath Uhden mit seiner Tochter Luise hießen wir immer willkommen. Diese letzte stellten wir an ausbündiger Schönheit neben Laura Hufeland, doch war der Karakter der beiden Köpfe ein ganz verschiedener. Laura konnte für eine tragische Muse gelten, Luise für eine Juno. Gesellte sich, was recht oft geschah, zu diesen beiden noch Agnes Rauch, die schlanke Tochter des Bildhauers, so ließ sich der Vergleich mit den drei Grazien kaum abweisen.

Rauchs edle Heldengestalt wird allen denen unvergeßlich bleiben, die ihn persönlich gekannt. Er hatte das Glück, sein ganzes Leben hindurch, als Jüngling, Mann und Greis schön zu sein. Durch eigne Kraft und unermüdlichen Fleiß schwang er sich aus den dürftigsten Umständen, vom Lehrling eines armen Steinmetzen in Arolsen zum berühmtesten Bildhauer Deutschlands auf. Seine Vorfahren wohnten als einfache Landleute in dem rauhen Gebirge oberhalb der Stadt; daher sei, wie er meinte, der Name Rauch abzuleiten. In der Wirtschaft seiner Aeltern ging es so knapp her, daß seine Mutter nicht selten in Noth gerieth, wenn unverhofft einige Vettern aus dem Gebirge zum Besuche anlangten, und einen Gebirgsappetit

Jettchen zu den ausgesuchtesten Genüssen. Der Minister blieb auch nach seiner plötzlichen Entlassung mit der königlichen Familie in den freundschaftlichsten Beziehungen. Der Kronprinz hatte einst einen Besuch in Tegel gemacht, und rühmte an der königlichen Tafel die angenehme Aufnahme. „Sehr unrecht“, sagte sein Vater, „daß von den hübschesten Partien mir nichts sagen.“ Es ward nun ein zweiter Besuch in Tegel abgestattet, von dem der König äußerst befriedigt zurückkehrte.

Den Staatsrath Uhden mit seiner Tochter Luise hießen wir immer willkommen. Diese letzte stellten wir an ausbündiger Schönheit neben Laura Hufeland, doch war der Karakter der beiden Köpfe ein ganz verschiedener. Laura konnte für eine tragische Muse gelten, Luise für eine Juno. Gesellte sich, was recht oft geschah, zu diesen beiden noch Agnes Rauch, die schlanke Tochter des Bildhauers, so ließ sich der Vergleich mit den drei Grazien kaum abweisen.

Rauchs edle Heldengestalt wird allen denen unvergeßlich bleiben, die ihn persönlich gekannt. Er hatte das Glück, sein ganzes Leben hindurch, als Jüngling, Mann und Greis schön zu sein. Durch eigne Kraft und unermüdlichen Fleiß schwang er sich aus den dürftigsten Umständen, vom Lehrling eines armen Steinmetzen in Arolsen zum berühmtesten Bildhauer Deutschlands auf. Seine Vorfahren wohnten als einfache Landleute in dem rauhen Gebirge oberhalb der Stadt; daher sei, wie er meinte, der Name Rauch abzuleiten. In der Wirtschaft seiner Aeltern ging es so knapp her, daß seine Mutter nicht selten in Noth gerieth, wenn unverhofft einige Vettern aus dem Gebirge zum Besuche anlangten, und einen Gebirgsappetit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0146" n="138"/>
Jettchen zu den ausgesuchtesten Genüssen. Der Minister blieb auch nach seiner plötzlichen Entlassung mit der königlichen Familie in den freundschaftlichsten Beziehungen. Der Kronprinz hatte einst einen Besuch in Tegel gemacht, und rühmte an der königlichen Tafel die angenehme Aufnahme. &#x201E;Sehr unrecht&#x201C;, sagte sein Vater, &#x201E;daß von den hübschesten Partien mir nichts sagen.&#x201C; Es ward nun ein zweiter Besuch in Tegel abgestattet, von dem der König äußerst befriedigt zurückkehrte. </p><lb/>
        <p>Den Staatsrath Uhden mit seiner Tochter Luise hießen wir immer willkommen. Diese letzte stellten wir an ausbündiger Schönheit neben Laura Hufeland, doch war der Karakter der beiden Köpfe ein ganz verschiedener. Laura konnte für eine tragische Muse gelten, Luise für eine Juno. Gesellte sich, was recht oft geschah, zu diesen beiden noch Agnes Rauch, die schlanke Tochter des Bildhauers, so ließ sich der Vergleich mit den drei Grazien kaum abweisen. </p><lb/>
        <p>Rauchs edle Heldengestalt wird allen denen unvergeßlich bleiben, die ihn persönlich gekannt. Er hatte das Glück, sein ganzes Leben hindurch, als Jüngling, Mann und Greis schön zu sein. Durch eigne Kraft und unermüdlichen Fleiß schwang er sich aus den dürftigsten Umständen, vom Lehrling eines armen Steinmetzen in Arolsen zum berühmtesten Bildhauer Deutschlands auf. Seine Vorfahren wohnten als einfache Landleute in dem rauhen Gebirge oberhalb der Stadt; daher sei, wie er meinte, der Name Rauch abzuleiten. In der Wirtschaft seiner Aeltern ging es so knapp her, daß seine Mutter nicht selten in Noth gerieth, wenn unverhofft einige Vettern aus dem Gebirge zum Besuche anlangten, und einen Gebirgsappetit
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0146] Jettchen zu den ausgesuchtesten Genüssen. Der Minister blieb auch nach seiner plötzlichen Entlassung mit der königlichen Familie in den freundschaftlichsten Beziehungen. Der Kronprinz hatte einst einen Besuch in Tegel gemacht, und rühmte an der königlichen Tafel die angenehme Aufnahme. „Sehr unrecht“, sagte sein Vater, „daß von den hübschesten Partien mir nichts sagen.“ Es ward nun ein zweiter Besuch in Tegel abgestattet, von dem der König äußerst befriedigt zurückkehrte. Den Staatsrath Uhden mit seiner Tochter Luise hießen wir immer willkommen. Diese letzte stellten wir an ausbündiger Schönheit neben Laura Hufeland, doch war der Karakter der beiden Köpfe ein ganz verschiedener. Laura konnte für eine tragische Muse gelten, Luise für eine Juno. Gesellte sich, was recht oft geschah, zu diesen beiden noch Agnes Rauch, die schlanke Tochter des Bildhauers, so ließ sich der Vergleich mit den drei Grazien kaum abweisen. Rauchs edle Heldengestalt wird allen denen unvergeßlich bleiben, die ihn persönlich gekannt. Er hatte das Glück, sein ganzes Leben hindurch, als Jüngling, Mann und Greis schön zu sein. Durch eigne Kraft und unermüdlichen Fleiß schwang er sich aus den dürftigsten Umständen, vom Lehrling eines armen Steinmetzen in Arolsen zum berühmtesten Bildhauer Deutschlands auf. Seine Vorfahren wohnten als einfache Landleute in dem rauhen Gebirge oberhalb der Stadt; daher sei, wie er meinte, der Name Rauch abzuleiten. In der Wirtschaft seiner Aeltern ging es so knapp her, daß seine Mutter nicht selten in Noth gerieth, wenn unverhofft einige Vettern aus dem Gebirge zum Besuche anlangten, und einen Gebirgsappetit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/146
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/146>, abgerufen am 19.05.2024.