Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].bildung und Reinheit des Profiles glich sie ganz und gar der jüngsten Tochter der Herzogin von Kurland, unserem Prinzeßchen Dorothea, von der ein schönes Pastellbild, durch Fräulein Stocks kunstreiche Hand angefertigt, im Wohnzimmer meiner Mutter hing. Unser lieber Lehrer und Freund Dähling sollte auch an dem Spiele theilnehmen, aber er entschuldigte sich auf die treuherzigste Weise: sein Gedächtniß sei zu widerspänstig, und er könne nicht das kleinste Stück auswendig lernen. Wir ließen indessen mit Bitten nicht nach, und zuletzt übernahm er im Don Ranudo die Rolle des Bauern, dessen Käse und Brodt der hungrige Grande verzehrt. Statt des Brodtes hatten wir einen ansehnlichen Chokoladenkuchen backen lassen. Ich gab den Don Ranudo, und um mich recht zu zeigen, verzehrte ich so viel von dem süßen Gebäck, daß mir von Stund' an die Chokolade den grösten Widerwillen erregte, den ich niemals überwinden lernte. Fräulein Stock gab die Olympia ganz vortrefflich, Fritz war ein vorzüglicher Pedrillo. Bei dieser Vorstellung (29. Febr. 1816) hatten wir ein überaus glänzendes Auditorium: Frau von der Recke und Tiedge, Graf Brühl, General von Witzleben, Schinkel, Rauch, Tieck, Wach und andre Notabilitäten. Der Bibliotheksaal faßte ein sehr geräumiges Theater, und die Gypsbüsten der alten Gelehrten, deren eine ganze Anzahl auch nach der Schenkung an die königliche Bibliothek übrig geblieben war, schauten von den Bücherschränken ganz ernsthaft auf die Scherze der Jugend herunter. Was in dem heiteren Beisammensein so vieler lebhaften jungen Personen an geistigen Berührungen vorkam, wie manche flüchtige und ernste Neigung von Herzen zu bildung und Reinheit des Profiles glich sie ganz und gar der jüngsten Tochter der Herzogin von Kurland, unserem Prinzeßchen Dorothea, von der ein schönes Pastellbild, durch Fräulein Stocks kunstreiche Hand angefertigt, im Wohnzimmer meiner Mutter hing. Unser lieber Lehrer und Freund Dähling sollte auch an dem Spiele theilnehmen, aber er entschuldigte sich auf die treuherzigste Weise: sein Gedächtniß sei zu widerspänstig, und er könne nicht das kleinste Stück auswendig lernen. Wir ließen indessen mit Bitten nicht nach, und zuletzt übernahm er im Don Ranudo die Rolle des Bauern, dessen Käse und Brodt der hungrige Grande verzehrt. Statt des Brodtes hatten wir einen ansehnlichen Chokoladenkuchen backen lassen. Ich gab den Don Ranudo, und um mich recht zu zeigen, verzehrte ich so viel von dem süßen Gebäck, daß mir von Stund’ an die Chokolade den grösten Widerwillen erregte, den ich niemals überwinden lernte. Fräulein Stock gab die Olympia ganz vortrefflich, Fritz war ein vorzüglicher Pedrillo. Bei dieser Vorstellung (29. Febr. 1816) hatten wir ein überaus glänzendes Auditorium: Frau von der Recke und Tiedge, Graf Brühl, General von Witzleben, Schinkel, Rauch, Tieck, Wach und andre Notabilitäten. Der Bibliotheksaal faßte ein sehr geräumiges Theater, und die Gypsbüsten der alten Gelehrten, deren eine ganze Anzahl auch nach der Schenkung an die königliche Bibliothek übrig geblieben war, schauten von den Bücherschränken ganz ernsthaft auf die Scherze der Jugend herunter. Was in dem heiteren Beisammensein so vieler lebhaften jungen Personen an geistigen Berührungen vorkam, wie manche flüchtige und ernste Neigung von Herzen zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0141" n="133"/> bildung und Reinheit des Profiles glich sie ganz und gar der jüngsten Tochter der Herzogin von Kurland, unserem Prinzeßchen Dorothea, von der ein schönes Pastellbild, durch Fräulein Stocks kunstreiche Hand angefertigt, im Wohnzimmer meiner Mutter hing. </p><lb/> <p>Unser lieber Lehrer und Freund Dähling sollte auch an dem Spiele theilnehmen, aber er entschuldigte sich auf die treuherzigste Weise: sein Gedächtniß sei zu widerspänstig, und er könne nicht das kleinste Stück auswendig lernen. 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Der Bibliotheksaal faßte ein sehr geräumiges Theater, und die Gypsbüsten der alten Gelehrten, deren eine ganze Anzahl auch nach der Schenkung an die königliche Bibliothek übrig geblieben war, schauten von den Bücherschränken ganz ernsthaft auf die Scherze der Jugend herunter. </p><lb/> <p>Was in dem heiteren Beisammensein so vieler lebhaften jungen Personen an geistigen Berührungen vorkam, wie manche flüchtige und ernste Neigung von Herzen zu </p> </div> </body> </text> </TEI> [133/0141]
bildung und Reinheit des Profiles glich sie ganz und gar der jüngsten Tochter der Herzogin von Kurland, unserem Prinzeßchen Dorothea, von der ein schönes Pastellbild, durch Fräulein Stocks kunstreiche Hand angefertigt, im Wohnzimmer meiner Mutter hing.
Unser lieber Lehrer und Freund Dähling sollte auch an dem Spiele theilnehmen, aber er entschuldigte sich auf die treuherzigste Weise: sein Gedächtniß sei zu widerspänstig, und er könne nicht das kleinste Stück auswendig lernen. Wir ließen indessen mit Bitten nicht nach, und zuletzt übernahm er im Don Ranudo die Rolle des Bauern, dessen Käse und Brodt der hungrige Grande verzehrt. Statt des Brodtes hatten wir einen ansehnlichen Chokoladenkuchen backen lassen. Ich gab den Don Ranudo, und um mich recht zu zeigen, verzehrte ich so viel von dem süßen Gebäck, daß mir von Stund’ an die Chokolade den grösten Widerwillen erregte, den ich niemals überwinden lernte. Fräulein Stock gab die Olympia ganz vortrefflich, Fritz war ein vorzüglicher Pedrillo. Bei dieser Vorstellung (29. Febr. 1816) hatten wir ein überaus glänzendes Auditorium: Frau von der Recke und Tiedge, Graf Brühl, General von Witzleben, Schinkel, Rauch, Tieck, Wach und andre Notabilitäten. Der Bibliotheksaal faßte ein sehr geräumiges Theater, und die Gypsbüsten der alten Gelehrten, deren eine ganze Anzahl auch nach der Schenkung an die königliche Bibliothek übrig geblieben war, schauten von den Bücherschränken ganz ernsthaft auf die Scherze der Jugend herunter.
Was in dem heiteren Beisammensein so vieler lebhaften jungen Personen an geistigen Berührungen vorkam, wie manche flüchtige und ernste Neigung von Herzen zu
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/141>, abgerufen am 26.07.2024. |