Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].ohne alle Verlegenheit den Eintretenden das Geld abnahm, was ich nimmermehr zu Wege gebracht hätte. Der Grosvater Eichmann gab ein blankes Achtgroschenstück mit der Bemerkung: Nicht wahr, Fritz! Standespersonen zahlen nach Belieben! Dadurch wurde es uns möglich gemacht, eine Stadt als Hinterwand anzuschaffen. Nach und nach waren Pauls Stücke alle durchgespielt, und neue schwer zu beschaffen. Herr Krämer verließ Berlin, und nun gerieth die Dekorationsmalerei ins Stocken. Wir erhielten durch die Vermittlung des Dr. Kohlrausch einen neuen Zeichenlehrer, Herrn Dähling aus Hannover, zu dem ich bald das gröste Vertrauen und eine wahre Freundschaft faßte, die bis an seinen Tod (1860) gedauert hat. Als er meine bei Kramer gefertigten Blätter ansah, sagte er: Recht gut, aber es fehlt an der Perspektive! Diese Wissenschaft wurde nun mit allem Eifer vorgenommen, und gewährte mir das gröste Vergnügen. Meines Vaters Reisbrett, das er gern zu diesen Uebungen hergab, hatte zwar nicht die seitlichen Ansätze wie das der Tante Jettchen, aber Dähling zeigte mir, wie man durch eine leichte geometrische Konstruction jene entfernten Durchschnittspunkte entbehren könne. Von den geradlinigen Figuren schritten wir zu den Kreisen etc. fort, und blieben zuletzt bei dem Probleme stehn, ob eine Kugel jemals in anderer Gestalt, als in der eines Kreises könne gezeichnet werden? Mein Lehrer war der Ansicht, sie könne als Ellipse erscheinen; ich vermochte, obgleich mir dies ganz gegen den Mann ging, nichts einzuwenden, später habe ich wohl gehört, daß die Sache bei den Theoretikern noch nicht entschieden sei. Eines Abends, als Dähling zum Thee bei uns war, ohne alle Verlegenheit den Eintretenden das Geld abnahm, was ich nimmermehr zu Wege gebracht hätte. Der Grosvater Eichmann gab ein blankes Achtgroschenstück mit der Bemerkung: Nicht wahr, Fritz! Standespersonen zahlen nach Belieben! Dadurch wurde es uns möglich gemacht, eine Stadt als Hinterwand anzuschaffen. Nach und nach waren Pauls Stücke alle durchgespielt, und neue schwer zu beschaffen. Herr Krämer verließ Berlin, und nun gerieth die Dekorationsmalerei ins Stocken. Wir erhielten durch die Vermittlung des Dr. Kohlrausch einen neuen Zeichenlehrer, Herrn Dähling aus Hannover, zu dem ich bald das gröste Vertrauen und eine wahre Freundschaft faßte, die bis an seinen Tod (1860) gedauert hat. Als er meine bei Kramer gefertigten Blätter ansah, sagte er: Recht gut, aber es fehlt an der Perspektive! Diese Wissenschaft wurde nun mit allem Eifer vorgenommen, und gewährte mir das gröste Vergnügen. Meines Vaters Reisbrett, das er gern zu diesen Uebungen hergab, hatte zwar nicht die seitlichen Ansätze wie das der Tante Jettchen, aber Dähling zeigte mir, wie man durch eine leichte geometrische Konstruction jene entfernten Durchschnittspunkte entbehren könne. Von den geradlinigen Figuren schritten wir zu den Kreisen etc. fort, und blieben zuletzt bei dem Probleme stehn, ob eine Kugel jemals in anderer Gestalt, als in der eines Kreises könne gezeichnet werden? Mein Lehrer war der Ansicht, sie könne als Ellipse erscheinen; ich vermochte, obgleich mir dies ganz gegen den Mann ging, nichts einzuwenden, später habe ich wohl gehört, daß die Sache bei den Theoretikern noch nicht entschieden sei. Eines Abends, als Dähling zum Thee bei uns war, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0136" n="128"/> ohne alle Verlegenheit den Eintretenden das Geld abnahm, was ich nimmermehr zu Wege gebracht hätte. Der Grosvater Eichmann gab ein blankes Achtgroschenstück mit der Bemerkung: Nicht wahr, Fritz! Standespersonen zahlen nach Belieben! Dadurch wurde es uns möglich gemacht, eine Stadt als Hinterwand anzuschaffen. </p><lb/> <p>Nach und nach waren Pauls Stücke alle durchgespielt, und neue schwer zu beschaffen. 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ohne alle Verlegenheit den Eintretenden das Geld abnahm, was ich nimmermehr zu Wege gebracht hätte. Der Grosvater Eichmann gab ein blankes Achtgroschenstück mit der Bemerkung: Nicht wahr, Fritz! Standespersonen zahlen nach Belieben! Dadurch wurde es uns möglich gemacht, eine Stadt als Hinterwand anzuschaffen.
Nach und nach waren Pauls Stücke alle durchgespielt, und neue schwer zu beschaffen. Herr Krämer verließ Berlin, und nun gerieth die Dekorationsmalerei ins Stocken. Wir erhielten durch die Vermittlung des Dr. Kohlrausch einen neuen Zeichenlehrer, Herrn Dähling aus Hannover, zu dem ich bald das gröste Vertrauen und eine wahre Freundschaft faßte, die bis an seinen Tod (1860) gedauert hat. Als er meine bei Kramer gefertigten Blätter ansah, sagte er: Recht gut, aber es fehlt an der Perspektive! Diese Wissenschaft wurde nun mit allem Eifer vorgenommen, und gewährte mir das gröste Vergnügen. Meines Vaters Reisbrett, das er gern zu diesen Uebungen hergab, hatte zwar nicht die seitlichen Ansätze wie das der Tante Jettchen, aber Dähling zeigte mir, wie man durch eine leichte geometrische Konstruction jene entfernten Durchschnittspunkte entbehren könne. Von den geradlinigen Figuren schritten wir zu den Kreisen etc. fort, und blieben zuletzt bei dem Probleme stehn, ob eine Kugel jemals in anderer Gestalt, als in der eines Kreises könne gezeichnet werden? Mein Lehrer war der Ansicht, sie könne als Ellipse erscheinen; ich vermochte, obgleich mir dies ganz gegen den Mann ging, nichts einzuwenden, später habe ich wohl gehört, daß die Sache bei den Theoretikern noch nicht entschieden sei.
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/136>, abgerufen am 26.07.2024. |