Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].in Vergessenheit gerathen; der Luther gehörte, wie ältere Leute versicherten, zu Ifflands besten Rollen. Bei der im Jahre 1817 abgeschlossenen evangelischen Union, die der fromme Sinn des Königs Friedrich Wilhelms III. zwischen Lutheranern und Reformirten zu Stande gebracht, traten aufs neue Luthers Verdienste in den Vordergrund, und es verlautete im Publikum, daß die Weihe der Kraft wieder zur Aufführung kommen werde. Inzwischen jedoch hatte die öffentliche Meinung sich ganz von Werner abgewandt. Man erfuhr, er sei in Wien katholisch geworden und habe eine Weihe der Unkraft geschrieben, worin er Luthers Reformation als die unheilvollste That der neueren Zeit verdamme. Man perhorrescirte die Weihe der Kraft nicht nur als das Werk eines Apostaten, sondern man hielt es überhaupt für unwürdig, des hochverehrten Reformators Person auf den Brettern zu sehen. Besonders regte sich bei den Studenten eine sehr energische Opposition, der auch mein Freund August, damals Student der Medizin, mit angehörte. Am Abende der Aufführung war das ganze Parterre mit Studenten gefüllt; bei Luthers Erscheinen entstand ein fürchterlicher Tumult, der lange nicht gestillt werden konnte. Die Polizei mußte endlich einschreiten; viele Civilisten wurden verhaftet, viele Studenten, unter denen auch August, gaben ihre Erkennungskarten ab. Bei dem Verhöre vor dem Universitätsrichter erklärten sie einmüthig, ihr Trommeln habe weder dem Schauspieler Mattausch, der als guter Katholik den Luther ohne alle Gewissensbisse spiele, noch auch dem verächtlichen Apostaten Werner gegolten, sondern sie hätten es für ganz unleidlich gehalten, die Persönlichkeit Luthers im Scheine der Theaterlampen auftreten zu sehn; in Vergessenheit gerathen; der Luther gehörte, wie ältere Leute versicherten, zu Ifflands besten Rollen. Bei der im Jahre 1817 abgeschlossenen evangelischen Union, die der fromme Sinn des Königs Friedrich Wilhelms III. zwischen Lutheranern und Reformirten zu Stande gebracht, traten aufs neue Luthers Verdienste in den Vordergrund, und es verlautete im Publikum, daß die Weihe der Kraft wieder zur Aufführung kommen werde. Inzwischen jedoch hatte die öffentliche Meinung sich ganz von Werner abgewandt. Man erfuhr, er sei in Wien katholisch geworden und habe eine Weihe der Unkraft geschrieben, worin er Luthers Reformation als die unheilvollste That der neueren Zeit verdamme. Man perhorrescirte die Weihe der Kraft nicht nur als das Werk eines Apostaten, sondern man hielt es überhaupt für unwürdig, des hochverehrten Reformators Person auf den Brettern zu sehen. Besonders regte sich bei den Studenten eine sehr energische Opposition, der auch mein Freund August, damals Student der Medizin, mit angehörte. Am Abende der Aufführung war das ganze Parterre mit Studenten gefüllt; bei Luthers Erscheinen entstand ein fürchterlicher Tumult, der lange nicht gestillt werden konnte. Die Polizei mußte endlich einschreiten; viele Civilisten wurden verhaftet, viele Studenten, unter denen auch August, gaben ihre Erkennungskarten ab. Bei dem Verhöre vor dem Universitätsrichter erklärten sie einmüthig, ihr Trommeln habe weder dem Schauspieler Mattausch, der als guter Katholik den Luther ohne alle Gewissensbisse spiele, noch auch dem verächtlichen Apostaten Werner gegolten, sondern sie hätten es für ganz unleidlich gehalten, die Persönlichkeit Luthers im Scheine der Theaterlampen auftreten zu sehn; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0120" n="112"/> in Vergessenheit gerathen; der Luther gehörte, wie ältere Leute versicherten, zu Ifflands besten Rollen. Bei der im Jahre 1817 abgeschlossenen evangelischen Union, die der fromme Sinn des Königs Friedrich Wilhelms III. zwischen Lutheranern und Reformirten zu Stande gebracht, traten aufs neue Luthers Verdienste in den Vordergrund, und es verlautete im Publikum, daß die Weihe der Kraft wieder zur Aufführung kommen werde. Inzwischen jedoch hatte die öffentliche Meinung sich ganz von Werner abgewandt. Man erfuhr, er sei in Wien katholisch geworden und habe eine Weihe der Unkraft geschrieben, worin er Luthers Reformation als die unheilvollste That der neueren Zeit verdamme. Man perhorrescirte die Weihe der Kraft nicht nur als das Werk eines Apostaten, sondern man hielt es überhaupt für unwürdig, des hochverehrten Reformators Person auf den Brettern zu sehen. Besonders regte sich bei den Studenten eine sehr energische Opposition, der auch mein Freund August, damals Student der Medizin, mit angehörte. Am Abende der Aufführung war das ganze Parterre mit Studenten gefüllt; bei Luthers Erscheinen entstand ein fürchterlicher Tumult, der lange nicht gestillt werden konnte. Die Polizei mußte endlich einschreiten; viele Civilisten wurden verhaftet, viele Studenten, unter denen auch August, gaben ihre Erkennungskarten ab. Bei dem Verhöre vor dem Universitätsrichter erklärten sie einmüthig, ihr Trommeln habe weder dem Schauspieler Mattausch, der als guter Katholik den Luther ohne alle Gewissensbisse spiele, noch auch dem verächtlichen Apostaten Werner gegolten, sondern sie hätten es für ganz unleidlich gehalten, die Persönlichkeit Luthers im Scheine der Theaterlampen auftreten zu sehn; </p> </div> </body> </text> </TEI> [112/0120]
in Vergessenheit gerathen; der Luther gehörte, wie ältere Leute versicherten, zu Ifflands besten Rollen. Bei der im Jahre 1817 abgeschlossenen evangelischen Union, die der fromme Sinn des Königs Friedrich Wilhelms III. zwischen Lutheranern und Reformirten zu Stande gebracht, traten aufs neue Luthers Verdienste in den Vordergrund, und es verlautete im Publikum, daß die Weihe der Kraft wieder zur Aufführung kommen werde. Inzwischen jedoch hatte die öffentliche Meinung sich ganz von Werner abgewandt. Man erfuhr, er sei in Wien katholisch geworden und habe eine Weihe der Unkraft geschrieben, worin er Luthers Reformation als die unheilvollste That der neueren Zeit verdamme. Man perhorrescirte die Weihe der Kraft nicht nur als das Werk eines Apostaten, sondern man hielt es überhaupt für unwürdig, des hochverehrten Reformators Person auf den Brettern zu sehen. Besonders regte sich bei den Studenten eine sehr energische Opposition, der auch mein Freund August, damals Student der Medizin, mit angehörte. Am Abende der Aufführung war das ganze Parterre mit Studenten gefüllt; bei Luthers Erscheinen entstand ein fürchterlicher Tumult, der lange nicht gestillt werden konnte. Die Polizei mußte endlich einschreiten; viele Civilisten wurden verhaftet, viele Studenten, unter denen auch August, gaben ihre Erkennungskarten ab. Bei dem Verhöre vor dem Universitätsrichter erklärten sie einmüthig, ihr Trommeln habe weder dem Schauspieler Mattausch, der als guter Katholik den Luther ohne alle Gewissensbisse spiele, noch auch dem verächtlichen Apostaten Werner gegolten, sondern sie hätten es für ganz unleidlich gehalten, die Persönlichkeit Luthers im Scheine der Theaterlampen auftreten zu sehn;
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/120>, abgerufen am 26.07.2024. |