Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].wisse Naivheit in seinem Tone, wenn er sagte: Laß doch Bardolph seine Nase ausmünzen! oder wenn er der erzürnten Wirtin ganz phlegmatisch entgegenblies : Sackleinewand, Sackleinewand! Als König in der Schenke ahmte er sehr glücklich das Organ des Herrn Mattausch nach, der damals den König Heinrich IV. spielte; das unsterbliche: Futter für Pulver! kam erst durch seinen Ausdruck recht ins Publikum. In manchen dieser Rollen, namentlich im Fallstaff und Shylok hat später Döring versucht, den Devrient so treu als möglich zu kopiren; allein es ging hier, wie es mit allen Nachbildungen zu gehn pflegt, sie arten meistens in Karikatur aus, und erwecken nur noch größere Sehnsucht nach dem Originale. Dem armen Poeten Lorenz Kindlein von Kotzebue wußte Devrient eine große Innigkeit des Gefühls einzuhauchen, man wurde zum tiefsten Mitleiden hingerissen; die Erkennungscene mit seiner Tochter hatte etwas shakspearisches. Als Hubert de Burgh zeigte er ein so dämonisches Aeußere, daß man erschrak, wenn er nach dem Selbstgespräche des Königs Johann, im Hintergrunde ganz unhörbar auftrat. Selbst die kleine Rolle des Banditen in der Emilia Galotti würzte er mit jenen infernalischen Ingredienzen, die sich nur fühlen, nicht sagen lassen. Zur Verspottung der Juden war ein unbedeutendes Stück geschrieben worden: wisse Naivheit in seinem Tone, wenn er sagte: Laß doch Bardolph seine Nase ausmünzen! oder wenn er der erzürnten Wirtin ganz phlegmatisch entgegenblies : Sackleinewand, Sackleinewand! Als König in der Schenke ahmte er sehr glücklich das Organ des Herrn Mattausch nach, der damals den König Heinrich IV. spielte; das unsterbliche: Futter für Pulver! kam erst durch seinen Ausdruck recht ins Publikum. In manchen dieser Rollen, namentlich im Fallstaff und Shylok hat später Döring versucht, den Devrient so treu als möglich zu kopiren; allein es ging hier, wie es mit allen Nachbildungen zu gehn pflegt, sie arten meistens in Karikatur aus, und erwecken nur noch größere Sehnsucht nach dem Originale. Dem armen Poeten Lorenz Kindlein von Kotzebue wußte Devrient eine große Innigkeit des Gefühls einzuhauchen, man wurde zum tiefsten Mitleiden hingerissen; die Erkennungscene mit seiner Tochter hatte etwas shakspearisches. Als Hubert de Burgh zeigte er ein so dämonisches Aeußere, daß man erschrak, wenn er nach dem Selbstgespräche des Königs Johann, im Hintergrunde ganz unhörbar auftrat. Selbst die kleine Rolle des Banditen in der Emilia Galotti würzte er mit jenen infernalischen Ingredienzen, die sich nur fühlen, nicht sagen lassen. Zur Verspottung der Juden war ein unbedeutendes Stück geschrieben worden: ‹Unser Verkehr›, dessen Aufführung lange Zeit hintertrieben wurde, weil in der Umgebung des Staatskanzlers Hardenberg sich viele Juden befanden. Hardenberg erhielt deshalb den Beinamen: der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0103" n="95"/> wisse Naivheit in seinem Tone, wenn er sagte: Laß doch Bardolph seine Nase ausmünzen! oder wenn er der erzürnten Wirtin ganz phlegmatisch entgegenblies : Sackleinewand, Sackleinewand! Als König in der Schenke ahmte er sehr glücklich das Organ des Herrn Mattausch nach, der damals den König Heinrich IV. spielte; das unsterbliche: Futter für Pulver! kam erst durch seinen Ausdruck recht ins Publikum. </p><lb/> <p>In manchen dieser Rollen, namentlich im Fallstaff und Shylok hat später Döring versucht, den Devrient so treu als möglich zu kopiren; allein es ging hier, wie es mit allen Nachbildungen zu gehn pflegt, sie arten meistens in Karikatur aus, und erwecken nur noch größere Sehnsucht nach dem Originale. </p><lb/> <p>Dem armen Poeten Lorenz Kindlein von Kotzebue wußte Devrient eine große Innigkeit des Gefühls einzuhauchen, man wurde zum tiefsten Mitleiden hingerissen; die Erkennungscene mit seiner Tochter hatte etwas shakspearisches. </p><lb/> <p>Als Hubert de Burgh zeigte er ein so dämonisches Aeußere, daß man erschrak, wenn er nach dem Selbstgespräche des Königs Johann, im Hintergrunde ganz unhörbar auftrat. </p><lb/> <p>Selbst die kleine Rolle des Banditen in der Emilia Galotti würzte er mit jenen infernalischen Ingredienzen, die sich nur fühlen, nicht sagen lassen. </p><lb/> <p>Zur Verspottung der Juden war ein unbedeutendes Stück geschrieben worden: ‹Unser Verkehr›, dessen Aufführung lange Zeit hintertrieben wurde, weil in der Umgebung des Staatskanzlers Hardenberg sich viele Juden befanden. Hardenberg erhielt deshalb den Beinamen: der </p> </div> </body> </text> </TEI> [95/0103]
wisse Naivheit in seinem Tone, wenn er sagte: Laß doch Bardolph seine Nase ausmünzen! oder wenn er der erzürnten Wirtin ganz phlegmatisch entgegenblies : Sackleinewand, Sackleinewand! Als König in der Schenke ahmte er sehr glücklich das Organ des Herrn Mattausch nach, der damals den König Heinrich IV. spielte; das unsterbliche: Futter für Pulver! kam erst durch seinen Ausdruck recht ins Publikum.
In manchen dieser Rollen, namentlich im Fallstaff und Shylok hat später Döring versucht, den Devrient so treu als möglich zu kopiren; allein es ging hier, wie es mit allen Nachbildungen zu gehn pflegt, sie arten meistens in Karikatur aus, und erwecken nur noch größere Sehnsucht nach dem Originale.
Dem armen Poeten Lorenz Kindlein von Kotzebue wußte Devrient eine große Innigkeit des Gefühls einzuhauchen, man wurde zum tiefsten Mitleiden hingerissen; die Erkennungscene mit seiner Tochter hatte etwas shakspearisches.
Als Hubert de Burgh zeigte er ein so dämonisches Aeußere, daß man erschrak, wenn er nach dem Selbstgespräche des Königs Johann, im Hintergrunde ganz unhörbar auftrat.
Selbst die kleine Rolle des Banditen in der Emilia Galotti würzte er mit jenen infernalischen Ingredienzen, die sich nur fühlen, nicht sagen lassen.
Zur Verspottung der Juden war ein unbedeutendes Stück geschrieben worden: ‹Unser Verkehr›, dessen Aufführung lange Zeit hintertrieben wurde, weil in der Umgebung des Staatskanzlers Hardenberg sich viele Juden befanden. Hardenberg erhielt deshalb den Beinamen: der
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