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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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einen guten Schutz gewährte. Wenn die Hoffenster zu unserer Parterrewohnung geöffnet wurden, so schaute nicht selten ein großer Pferdekopf herein; wir hörten mit staunender Neugier die französischen Sprüche und Ausrufungen der Soldaten beim Putzen und Satteln der schmucken Thiere, und kannten bald die Reihenfolge der Verrichtungen vom Striegeln und Bürsten an bis auf das Waschen und Kämmen. Fritz wußte die verschiedenen Arten des Schnalzens und Pfeifens auf das glücklichste wiederzugeben.

War die Verpflegung nicht nach dem Wunsche der Gäste, so wurde sie zurückgeschickt; es ist in unserm Hause vorgekommen, daß ein Diner, welches dem französischen Generale nicht gut genug war, aus den Fenstern in den Hof geworfen wurde! Das war dem würdigen, an solche Behandlung nicht gewöhnten Hausherrn Nicolai zu arg. Er ließ sich bei dem General melden, und wollte ihm, da er des französischen hinreichend kundig war, Vorstellungen über sein Betragen machen. Allein die Unterhaltung, welche anfangs von dem französischen Generale, trotz seines unartigen Betragens mit französischer Urbanität geführt ward, nahm durch Nicolais heftiges Wesen einen so gereizten Charakter an, daß sie in eine höchst anstößige Zänkerei ausartete, welche die an der Thür horchenden Hausleute mit der größten Besorgniß erfüllte. Vielleicht würden noch schlimmere Verwicklungen entstanden sein, wenn nicht die Armee weitergerückt wäre.

Im allgemeinen war das Betragen der französischen Soldaten nur zu loben. Bei den häufigen Durchmärschen wechselte die Einquartirung sehr oft, aber man hörte wenig von Erpressungen und Rohheiten. Es fiel mir später bei, daß Madame Clause uns einmal gesagt hatte, jede

einen guten Schutz gewährte. Wenn die Hoffenster zu unserer Parterrewohnung geöffnet wurden, so schaute nicht selten ein großer Pferdekopf herein; wir hörten mit staunender Neugier die französischen Sprüche und Ausrufungen der Soldaten beim Putzen und Satteln der schmucken Thiere, und kannten bald die Reihenfolge der Verrichtungen vom Striegeln und Bürsten an bis auf das Waschen und Kämmen. Fritz wußte die verschiedenen Arten des Schnalzens und Pfeifens auf das glücklichste wiederzugeben.

War die Verpflegung nicht nach dem Wunsche der Gäste, so wurde sie zurückgeschickt; es ist in unserm Hause vorgekommen, daß ein Diner, welches dem französischen Generale nicht gut genug war, aus den Fenstern in den Hof geworfen wurde! Das war dem würdigen, an solche Behandlung nicht gewöhnten Hausherrn Nicolai zu arg. Er ließ sich bei dem General melden, und wollte ihm, da er des französischen hinreichend kundig war, Vorstellungen über sein Betragen machen. Allein die Unterhaltung, welche anfangs von dem französischen Generale, trotz seines unartigen Betragens mit französischer Urbanität geführt ward, nahm durch Nicolais heftiges Wesen einen so gereizten Charakter an, daß sie in eine höchst anstößige Zänkerei ausartete, welche die an der Thür horchenden Hausleute mit der größten Besorgniß erfüllte. Vielleicht würden noch schlimmere Verwicklungen entstanden sein, wenn nicht die Armee weitergerückt wäre.

Im allgemeinen war das Betragen der französischen Soldaten nur zu loben. Bei den häufigen Durchmärschen wechselte die Einquartirung sehr oft, aber man hörte wenig von Erpressungen und Rohheiten. Es fiel mir später bei, daß Madame Clause uns einmal gesagt hatte, jede

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[69/0081] einen guten Schutz gewährte. Wenn die Hoffenster zu unserer Parterrewohnung geöffnet wurden, so schaute nicht selten ein großer Pferdekopf herein; wir hörten mit staunender Neugier die französischen Sprüche und Ausrufungen der Soldaten beim Putzen und Satteln der schmucken Thiere, und kannten bald die Reihenfolge der Verrichtungen vom Striegeln und Bürsten an bis auf das Waschen und Kämmen. Fritz wußte die verschiedenen Arten des Schnalzens und Pfeifens auf das glücklichste wiederzugeben. War die Verpflegung nicht nach dem Wunsche der Gäste, so wurde sie zurückgeschickt; es ist in unserm Hause vorgekommen, daß ein Diner, welches dem französischen Generale nicht gut genug war, aus den Fenstern in den Hof geworfen wurde! Das war dem würdigen, an solche Behandlung nicht gewöhnten Hausherrn Nicolai zu arg. Er ließ sich bei dem General melden, und wollte ihm, da er des französischen hinreichend kundig war, Vorstellungen über sein Betragen machen. Allein die Unterhaltung, welche anfangs von dem französischen Generale, trotz seines unartigen Betragens mit französischer Urbanität geführt ward, nahm durch Nicolais heftiges Wesen einen so gereizten Charakter an, daß sie in eine höchst anstößige Zänkerei ausartete, welche die an der Thür horchenden Hausleute mit der größten Besorgniß erfüllte. Vielleicht würden noch schlimmere Verwicklungen entstanden sein, wenn nicht die Armee weitergerückt wäre. Im allgemeinen war das Betragen der französischen Soldaten nur zu loben. Bei den häufigen Durchmärschen wechselte die Einquartirung sehr oft, aber man hörte wenig von Erpressungen und Rohheiten. Es fiel mir später bei, daß Madame Clause uns einmal gesagt hatte, jede

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/81>, abgerufen am 19.05.2024.