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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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Nicolai sprach beim Essen sehr viel, und erzählte weitläufige Geschichten, von denen wir wenig verstanden. So lange ich mit meiner Schwester allein war, saßen wir ganz still und suchten die Langeweile so gut es anging zu überwinden. Als der lebhafte Fritz dazu kam, gab es immer etwas zu kichern und zu plaudern, bis der Grosvater mahnend ausrief: Still, wenn große Leute sprechen, müssen die Kinder schweigen. Wir gehorchten augenblicklich und warteten nur darauf, daß die großen Leute schweigen würden, um unsrerseits sprechen zu können, aber vergeblich. Das ging mehrere Tage so fort; das Wispern und Plaudern war nicht zu unterdrücken, und als der Grosvater wieder einmal dieselbe Phrase in drohendem Tone hören ließ, sagte Fritz halb weinerlich: aber, Herr Nicolai, Sie sprechen ja immer! Er wurde nun noch strenger zur Ruhe verwiesen, aber Tante Jettchen hat mir später gestanden, daß die Wahrheit dieser Bemerkung ihr und meinen Aeltern ein unwillkührliches Lächeln abgelockt.

Ein Lieblingsgericht des Grosvaters war eine kleine grätenreiche Fischart, von den Berlinern Stäkerlinge genannt. Diese mußten in jeder Woche wenigstens einmal vorkommen. Da er nun auch während des mühseligen Ausklaubens der Gräten und des nachherigen Essens bei der spärlichen Beleuchtung unaufhörlich sprach, so saßen, wie ich später erfuhr, meine Aeltern und Tante Jettchen oft in wahrer Todesangst am Tische, weil sie jeden Augenblick fürchteten, ihn an einer Gräte ersticken zu sehn.

Nach Tische setzte der Grosvater, ein wenig auf dem grünen Sopha ausruhend, die Unterhaltung fort. Wir durften nun noch weniger plaudern als vorher, und griffen um so lieber zu einem Bande der Kinderbücher, die der

Nicolai sprach beim Essen sehr viel, und erzählte weitläufige Geschichten, von denen wir wenig verstanden. So lange ich mit meiner Schwester allein war, saßen wir ganz still und suchten die Langeweile so gut es anging zu überwinden. Als der lebhafte Fritz dazu kam, gab es immer etwas zu kichern und zu plaudern, bis der Grosvater mahnend ausrief: Still, wenn große Leute sprechen, müssen die Kinder schweigen. Wir gehorchten augenblicklich und warteten nur darauf, daß die großen Leute schweigen würden, um unsrerseits sprechen zu können, aber vergeblich. Das ging mehrere Tage so fort; das Wispern und Plaudern war nicht zu unterdrücken, und als der Grosvater wieder einmal dieselbe Phrase in drohendem Tone hören ließ, sagte Fritz halb weinerlich: aber, Herr Nicolai, Sie sprechen ja immer! Er wurde nun noch strenger zur Ruhe verwiesen, aber Tante Jettchen hat mir später gestanden, daß die Wahrheit dieser Bemerkung ihr und meinen Aeltern ein unwillkührliches Lächeln abgelockt.

Ein Lieblingsgericht des Grosvaters war eine kleine grätenreiche Fischart, von den Berlinern Stäkerlinge genannt. Diese mußten in jeder Woche wenigstens einmal vorkommen. Da er nun auch während des mühseligen Ausklaubens der Gräten und des nachherigen Essens bei der spärlichen Beleuchtung unaufhörlich sprach, so saßen, wie ich später erfuhr, meine Aeltern und Tante Jettchen oft in wahrer Todesangst am Tische, weil sie jeden Augenblick fürchteten, ihn an einer Gräte ersticken zu sehn.

Nach Tische setzte der Grosvater, ein wenig auf dem grünen Sopha ausruhend, die Unterhaltung fort. Wir durften nun noch weniger plaudern als vorher, und griffen um so lieber zu einem Bande der Kinderbücher, die der

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[46/0058] Nicolai sprach beim Essen sehr viel, und erzählte weitläufige Geschichten, von denen wir wenig verstanden. So lange ich mit meiner Schwester allein war, saßen wir ganz still und suchten die Langeweile so gut es anging zu überwinden. Als der lebhafte Fritz dazu kam, gab es immer etwas zu kichern und zu plaudern, bis der Grosvater mahnend ausrief: Still, wenn große Leute sprechen, müssen die Kinder schweigen. Wir gehorchten augenblicklich und warteten nur darauf, daß die großen Leute schweigen würden, um unsrerseits sprechen zu können, aber vergeblich. Das ging mehrere Tage so fort; das Wispern und Plaudern war nicht zu unterdrücken, und als der Grosvater wieder einmal dieselbe Phrase in drohendem Tone hören ließ, sagte Fritz halb weinerlich: aber, Herr Nicolai, Sie sprechen ja immer! Er wurde nun noch strenger zur Ruhe verwiesen, aber Tante Jettchen hat mir später gestanden, daß die Wahrheit dieser Bemerkung ihr und meinen Aeltern ein unwillkührliches Lächeln abgelockt. Ein Lieblingsgericht des Grosvaters war eine kleine grätenreiche Fischart, von den Berlinern Stäkerlinge genannt. Diese mußten in jeder Woche wenigstens einmal vorkommen. Da er nun auch während des mühseligen Ausklaubens der Gräten und des nachherigen Essens bei der spärlichen Beleuchtung unaufhörlich sprach, so saßen, wie ich später erfuhr, meine Aeltern und Tante Jettchen oft in wahrer Todesangst am Tische, weil sie jeden Augenblick fürchteten, ihn an einer Gräte ersticken zu sehn. Nach Tische setzte der Grosvater, ein wenig auf dem grünen Sopha ausruhend, die Unterhaltung fort. Wir durften nun noch weniger plaudern als vorher, und griffen um so lieber zu einem Bande der Kinderbücher, die der

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/58>, abgerufen am 22.11.2024.