Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].und betrachteten damit den großen Völkerkampf als abgeschlossen. -------- Wenn ich auf jene bewegte Zeit meines Jugendlebens einen Rückblick werfe, so erscheint mir immer von neuem Napoleon wie eine dämonische Gewalt, von der Vorsehung dazu bestimmt, das alte Europa aufzulösen und durcheinander zu rütteln. Den giftigen Haß, mit dem wir ihn damals verfolgten, hatte er vollkommen durch seine maaßlosen Gewaltthaten verdient; jetzt pflegt man seine Willkührherrschaft mit der Größe seiner Mission, wo nicht zu rechtfertigen, doch zu entschuldigen, aber die von seinen Schlägen betroffenen und zermalmten konnten sich wenig von der Berechtigung dieser Mission überzeugen. Daß ein einzelner Mensch beinahe 20 Jahre lang der Mittelpunkt und Lenker der europäischen Völkergeschichte gewesen sei, erfüllte uns mit Staunen, aber wir jüngeren standen den Ereignissen viel zu nahe, um ein unparteiisches Urtheil gewinnen zu können. Napoleon bleibt in meiner Vorstellung auch jetzt noch der Unhold, der Bösewicht, der Alp meiner Jugend. Aus der Bewunderung, in die mich späterhin das Studium seiner Feldzüge versetzte, falle ich nur zu leicht in den tödlichen Widerwillen zurück, mit dem ich aufgewachsen bin. Wenn ich manchmal meinen Kindem und deren Altersgenossen erzähle, daß ich Napoleon im Jahre 1806 in das Schloß zu Berlin habe einreiten sehn, so wird dies fast wie ein mythisches Ereigniß betrachtet; ich erinnre mich dann meines eignen wunderbaren Gefühles bei der Erzählung des Grosvaters Nicolai, daß er seinen Vater im Jahre 1740 von der Huldigung Friedrichs II. habe zurückkommen sehn. und betrachteten damit den großen Völkerkampf als abgeschlossen. ———— Wenn ich auf jene bewegte Zeit meines Jugendlebens einen Rückblick werfe, so erscheint mir immer von neuem Napoléon wie eine dämonische Gewalt, von der Vorsehung dazu bestimmt, das alte Europa aufzulösen und durcheinander zu rütteln. Den giftigen Haß, mit dem wir ihn damals verfolgten, hatte er vollkommen durch seine maaßlosen Gewaltthaten verdient; jetzt pflegt man seine Willkührherrschaft mit der Größe seiner Mission, wo nicht zu rechtfertigen, doch zu entschuldigen, aber die von seinen Schlägen betroffenen und zermalmten konnten sich wenig von der Berechtigung dieser Mission überzeugen. Daß ein einzelner Mensch beinahe 20 Jahre lang der Mittelpunkt und Lenker der europäischen Völkergeschichte gewesen sei, erfüllte uns mit Staunen, aber wir jüngeren standen den Ereignissen viel zu nahe, um ein unparteiisches Urtheil gewinnen zu können. Napoléon bleibt in meiner Vorstellung auch jetzt noch der Unhold, der Bösewicht, der Alp meiner Jugend. Aus der Bewunderung, in die mich späterhin das Studium seiner Feldzüge versetzte, falle ich nur zu leicht in den tödlichen Widerwillen zurück, mit dem ich aufgewachsen bin. Wenn ich manchmal meinen Kindem und deren Altersgenossen erzähle, daß ich Napoléon im Jahre 1806 in das Schloß zu Berlin habe einreiten sehn, so wird dies fast wie ein mythisches Ereigniß betrachtet; ich erinnre mich dann meines eignen wunderbaren Gefühles bei der Erzählung des Grosvaters Nicolai, daß er seinen Vater im Jahre 1740 von der Huldigung Friedrichs II. habe zurückkommen sehn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0433" n="421"/> und betrachteten damit den großen Völkerkampf als abgeschlossen. </p><lb/> <p rendition="#c">————</p><lb/> <p>Wenn ich auf jene bewegte Zeit meines Jugendlebens einen Rückblick werfe, so erscheint mir immer von neuem Napoléon wie eine dämonische Gewalt, von der Vorsehung dazu bestimmt, das alte Europa aufzulösen und durcheinander zu rütteln. Den giftigen Haß, mit dem wir ihn damals verfolgten, hatte er vollkommen durch seine maaßlosen Gewaltthaten verdient; jetzt pflegt man seine Willkührherrschaft mit der Größe seiner Mission, wo nicht zu rechtfertigen, doch zu entschuldigen, aber die von seinen Schlägen betroffenen und zermalmten konnten sich wenig von der Berechtigung dieser Mission überzeugen. Daß ein einzelner Mensch beinahe 20 Jahre lang der Mittelpunkt und Lenker der europäischen Völkergeschichte gewesen sei, erfüllte uns mit Staunen, aber wir jüngeren standen den Ereignissen viel zu nahe, um ein unparteiisches Urtheil gewinnen zu können. Napoléon bleibt in meiner Vorstellung auch jetzt noch der Unhold, der Bösewicht, der Alp meiner Jugend. Aus der Bewunderung, in die mich späterhin das Studium seiner Feldzüge versetzte, falle ich nur zu leicht in den tödlichen Widerwillen zurück, mit dem ich aufgewachsen bin. Wenn ich manchmal meinen Kindem und deren Altersgenossen erzähle, daß ich Napoléon im Jahre 1806 in das Schloß zu Berlin habe einreiten sehn, so wird dies fast wie ein mythisches Ereigniß betrachtet; ich erinnre mich dann meines eignen wunderbaren Gefühles bei der Erzählung des Grosvaters Nicolai, daß er seinen Vater im Jahre 1740 von der Huldigung Friedrichs II. habe zurückkommen sehn. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [421/0433]
und betrachteten damit den großen Völkerkampf als abgeschlossen.
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Wenn ich auf jene bewegte Zeit meines Jugendlebens einen Rückblick werfe, so erscheint mir immer von neuem Napoléon wie eine dämonische Gewalt, von der Vorsehung dazu bestimmt, das alte Europa aufzulösen und durcheinander zu rütteln. Den giftigen Haß, mit dem wir ihn damals verfolgten, hatte er vollkommen durch seine maaßlosen Gewaltthaten verdient; jetzt pflegt man seine Willkührherrschaft mit der Größe seiner Mission, wo nicht zu rechtfertigen, doch zu entschuldigen, aber die von seinen Schlägen betroffenen und zermalmten konnten sich wenig von der Berechtigung dieser Mission überzeugen. Daß ein einzelner Mensch beinahe 20 Jahre lang der Mittelpunkt und Lenker der europäischen Völkergeschichte gewesen sei, erfüllte uns mit Staunen, aber wir jüngeren standen den Ereignissen viel zu nahe, um ein unparteiisches Urtheil gewinnen zu können. Napoléon bleibt in meiner Vorstellung auch jetzt noch der Unhold, der Bösewicht, der Alp meiner Jugend. Aus der Bewunderung, in die mich späterhin das Studium seiner Feldzüge versetzte, falle ich nur zu leicht in den tödlichen Widerwillen zurück, mit dem ich aufgewachsen bin. Wenn ich manchmal meinen Kindem und deren Altersgenossen erzähle, daß ich Napoléon im Jahre 1806 in das Schloß zu Berlin habe einreiten sehn, so wird dies fast wie ein mythisches Ereigniß betrachtet; ich erinnre mich dann meines eignen wunderbaren Gefühles bei der Erzählung des Grosvaters Nicolai, daß er seinen Vater im Jahre 1740 von der Huldigung Friedrichs II. habe zurückkommen sehn.
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