Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Vater verlegte schon früher, i. J. 1812, seine Geschichte des Feldzuges von 1809, dem er im östreichischen Heere mit Auszeichnung beigewohnt. Dies Werk wird noch immer, wie einer unserer kriegsgelehrten Offiziere mich versichert hat, wegen seiner sorgfältigen und quellenmäßigen Angaben mit vielem Lobe genannt. Ich las es seiner Zeit pflichtmäßig durch, fand es aber etwas trocken.

Valentini sprach nicht viel, aber seine Bemerkungen waren das Resultat reiflicher Ueberlegung und gründlichen Nachdenkens. Obgleich von erprobter Tapferkeit, erschien er im Umgange weich und zurückhaltend. So wenig er an dem endlichen Siege der deutschen Sache zweifelte, so gab er doch nicht undeutlich zu verstehn, daß man sich auf einen harten Kampf gefaßt machen müsse. Besonders warnte er vor dem Irrthume, als ob das französische Heer in Rußland gänzlich vernichtet worden sei. Napoleon habe, nach den mäßigsten Berechnungen aus jenem Feldzuge 80,000 Mann vollkommen gerüstete Truppen zurückgebracht. Das sei freilich nicht viel im Verhältnisse zu den hineingeführten 400,000 Mann, aber immer ein sehr tüchtiger Kern, dem sich sofort die massenhaften Aushebungen im ganzen Kaiserreiche angeschlossen. Nach solchen und ähnlichen etwas niederdrückenden Aeußerungen ermuthigte er uns wieder durch eine Uebersicht der bereits gegen Napoleon unter den Waffen stehenden Heere, deren Zahlen seinem militärischen Gedächtnisse immer zu Gebote standen. Eines Tages sagte er beim Aufstehn vom Tische mit seiner sanften klangvollen Stimme: Es wird schon gehn! - Es muß gehn! rief der Grosvater Eichmann, und beide schüttelten sich die Hände.

Vater verlegte schon früher, i. J. 1812, seine Geschichte des Feldzuges von 1809, dem er im östreichischen Heere mit Auszeichnung beigewohnt. Dies Werk wird noch immer, wie einer unserer kriegsgelehrten Offiziere mich versichert hat, wegen seiner sorgfältigen und quellenmäßigen Angaben mit vielem Lobe genannt. Ich las es seiner Zeit pflichtmäßig durch, fand es aber etwas trocken.

Valentini sprach nicht viel, aber seine Bemerkungen waren das Resultat reiflicher Ueberlegung und gründlichen Nachdenkens. Obgleich von erprobter Tapferkeit, erschien er im Umgange weich und zurückhaltend. So wenig er an dem endlichen Siege der deutschen Sache zweifelte, so gab er doch nicht undeutlich zu verstehn, daß man sich auf einen harten Kampf gefaßt machen müsse. Besonders warnte er vor dem Irrthume, als ob das französische Heer in Rußland gänzlich vernichtet worden sei. Napoléon habe, nach den mäßigsten Berechnungen aus jenem Feldzuge 80,000 Mann vollkommen gerüstete Truppen zurückgebracht. Das sei freilich nicht viel im Verhältnisse zu den hineingeführten 400,000 Mann, aber immer ein sehr tüchtiger Kern, dem sich sofort die massenhaften Aushebungen im ganzen Kaiserreiche angeschlossen. Nach solchen und ähnlichen etwas niederdrückenden Aeußerungen ermuthigte er uns wieder durch eine Uebersicht der bereits gegen Napoléon unter den Waffen stehenden Heere, deren Zahlen seinem militärischen Gedächtnisse immer zu Gebote standen. Eines Tages sagte er beim Aufstehn vom Tische mit seiner sanften klangvollen Stimme: Es wird schon gehn! – Es muß gehn! rief der Grosvater Eichmann, und beide schüttelten sich die Hände.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0385" n="373"/>
Vater verlegte schon früher, i. J. 1812, seine Geschichte des Feldzuges von 1809, dem er im östreichischen Heere mit Auszeichnung beigewohnt. Dies Werk wird noch immer, wie einer unserer kriegsgelehrten Offiziere mich versichert hat, wegen seiner sorgfältigen und quellenmäßigen Angaben mit vielem Lobe genannt. Ich las es seiner Zeit pflichtmäßig durch, fand es aber etwas trocken. </p><lb/>
          <p>Valentini sprach nicht viel, aber seine Bemerkungen waren das Resultat reiflicher Ueberlegung und gründlichen Nachdenkens. Obgleich von erprobter Tapferkeit, erschien er im Umgange weich und zurückhaltend. So wenig er an dem endlichen Siege der deutschen Sache zweifelte, so gab er doch nicht undeutlich zu verstehn, daß man sich auf einen harten Kampf gefaßt machen müsse. Besonders warnte er vor dem Irrthume, als ob das französische Heer in Rußland gänzlich vernichtet worden sei. Napoléon habe, nach den mäßigsten Berechnungen aus jenem Feldzuge 80,000 Mann vollkommen gerüstete Truppen zurückgebracht. Das sei freilich nicht viel im Verhältnisse zu den hineingeführten 400,000 Mann, aber immer ein sehr tüchtiger Kern, dem sich sofort die massenhaften Aushebungen im ganzen Kaiserreiche angeschlossen. Nach solchen und ähnlichen etwas niederdrückenden Aeußerungen ermuthigte er uns wieder durch eine Uebersicht der bereits gegen Napoléon unter den Waffen stehenden Heere, deren Zahlen seinem militärischen Gedächtnisse immer zu Gebote standen. Eines Tages sagte er beim Aufstehn vom Tische mit seiner sanften klangvollen Stimme: Es wird schon gehn! &#x2013; Es muß gehn! rief der Grosvater Eichmann, und beide schüttelten sich die Hände.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[373/0385] Vater verlegte schon früher, i. J. 1812, seine Geschichte des Feldzuges von 1809, dem er im östreichischen Heere mit Auszeichnung beigewohnt. Dies Werk wird noch immer, wie einer unserer kriegsgelehrten Offiziere mich versichert hat, wegen seiner sorgfältigen und quellenmäßigen Angaben mit vielem Lobe genannt. Ich las es seiner Zeit pflichtmäßig durch, fand es aber etwas trocken. Valentini sprach nicht viel, aber seine Bemerkungen waren das Resultat reiflicher Ueberlegung und gründlichen Nachdenkens. Obgleich von erprobter Tapferkeit, erschien er im Umgange weich und zurückhaltend. So wenig er an dem endlichen Siege der deutschen Sache zweifelte, so gab er doch nicht undeutlich zu verstehn, daß man sich auf einen harten Kampf gefaßt machen müsse. Besonders warnte er vor dem Irrthume, als ob das französische Heer in Rußland gänzlich vernichtet worden sei. Napoléon habe, nach den mäßigsten Berechnungen aus jenem Feldzuge 80,000 Mann vollkommen gerüstete Truppen zurückgebracht. Das sei freilich nicht viel im Verhältnisse zu den hineingeführten 400,000 Mann, aber immer ein sehr tüchtiger Kern, dem sich sofort die massenhaften Aushebungen im ganzen Kaiserreiche angeschlossen. Nach solchen und ähnlichen etwas niederdrückenden Aeußerungen ermuthigte er uns wieder durch eine Uebersicht der bereits gegen Napoléon unter den Waffen stehenden Heere, deren Zahlen seinem militärischen Gedächtnisse immer zu Gebote standen. Eines Tages sagte er beim Aufstehn vom Tische mit seiner sanften klangvollen Stimme: Es wird schon gehn! – Es muß gehn! rief der Grosvater Eichmann, und beide schüttelten sich die Hände.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/385
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/385>, abgerufen am 05.07.2024.