Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].andern Generalen einer Verschwörung gegen die Republik und gegen das Leben des ersten Konsuls angeklagt und zum Tode verurtheilt. Bonaparte wagte es nicht, ihn hinrichten zu lassen, sondern verbot ihm nur, den französischen Boden zu betreten. Moreau lebte seitdem in Amerika. Mit Verwunderung hörten wir, daß er die lange und gefährliche Seereise aus der neuen Welt bloß in der Absicht gemacht habe, um seinen ehemaligen Waffengefährten mit bekriegen zu helfen. Dies bestärkte uns in der Ansicht, in Napoleon den Ausbund aller Verworfenheit zu erkennen. Moreau erhielt vorläufig kein selbständiges Kommando, sondern war dem Generalstabe des Kaisers Alexander I. von Rußland zugetheilt, um durch seine Kriegserfahrung die Operationen zu leiten. Er vermehrte die gegen Napoleon von allen Seiten aufgebotenen materiellen und geistigen Kräfte. Mit edler Begeisterung sang damals Rückert in einem seiner geharnischten Sonette: Vom Himmel laut ruft Nemesis-Urania: Auf! denn heut soll die Löwenjagd beginnen. Das Frühroth blutet! Auf, ihr Jägerinnen, Auf, erste Schützin meines Hains, Germania! Wir aber betrachteten Napoleon nicht als einen Löwen, sondern als einen Tiger, Panther oder irgend ein anderes gräuliches Unthier. -------- Mit den preußischen Offizieren, die während des Waffenstillstandes bei uns im Quartier standen, verkehrten wir auf das freundlichste. Ganz besonders gefiel uns ein alter Oberst von Puttlitz, der mit seinen weißen Haaren recht ehrwürdig aussah, und von seinen Erlebnissen in andern Generalen einer Verschwörung gegen die Republik und gegen das Leben des ersten Konsuls angeklagt und zum Tode verurtheilt. Bonaparte wagte es nicht, ihn hinrichten zu lassen, sondern verbot ihm nur, den französischen Boden zu betreten. Moreau lebte seitdem in Amerika. Mit Verwunderung hörten wir, daß er die lange und gefährliche Seereise aus der neuen Welt bloß in der Absicht gemacht habe, um seinen ehemaligen Waffengefährten mit bekriegen zu helfen. Dies bestärkte uns in der Ansicht, in Napoléon den Ausbund aller Verworfenheit zu erkennen. Moreau erhielt vorläufig kein selbständiges Kommando, sondern war dem Generalstabe des Kaisers Alexander I. von Rußland zugetheilt, um durch seine Kriegserfahrung die Operationen zu leiten. Er vermehrte die gegen Napoléon von allen Seiten aufgebotenen materiellen und geistigen Kräfte. Mit edler Begeisterung sang damals Rückert in einem seiner geharnischten Sonette: Vom Himmel laut ruft Nemesis-Urania: Auf! denn heut soll die Löwenjagd beginnen. Das Frühroth blutet! Auf, ihr Jägerinnen, Auf, erste Schützin meines Hains, Germania! Wir aber betrachteten Napoléon nicht als einen Löwen, sondern als einen Tiger, Panther oder irgend ein anderes gräuliches Unthier. ———— Mit den preußischen Offizieren, die während des Waffenstillstandes bei uns im Quartier standen, verkehrten wir auf das freundlichste. Ganz besonders gefiel uns ein alter Oberst von Puttlitz, der mit seinen weißen Haaren recht ehrwürdig aussah, und von seinen Erlebnissen in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0383" n="371"/> andern Generalen einer Verschwörung gegen die Republik und gegen das Leben des ersten Konsuls angeklagt und zum Tode verurtheilt. Bonaparte wagte es nicht, ihn hinrichten zu lassen, sondern verbot ihm nur, den französischen Boden zu betreten. Moreau lebte seitdem in Amerika. Mit Verwunderung hörten wir, daß er die lange und gefährliche Seereise aus der neuen Welt bloß in der Absicht gemacht habe, um seinen ehemaligen Waffengefährten mit bekriegen zu helfen. Dies bestärkte uns in der Ansicht, in Napoléon den Ausbund aller Verworfenheit zu erkennen. Moreau erhielt vorläufig kein selbständiges Kommando, sondern war dem Generalstabe des Kaisers Alexander I. von Rußland zugetheilt, um durch seine Kriegserfahrung die Operationen zu leiten. Er vermehrte die gegen Napoléon von allen Seiten aufgebotenen materiellen und geistigen Kräfte. Mit edler Begeisterung sang damals Rückert in einem seiner geharnischten Sonette: </p><lb/> <p>Vom Himmel laut ruft Nemesis-Urania: </p><lb/> <p>Auf! denn heut soll die Löwenjagd beginnen. </p><lb/> <p>Das Frühroth blutet! Auf, ihr Jägerinnen, </p><lb/> <p>Auf, erste Schützin meines Hains, Germania! </p><lb/> <p>Wir aber betrachteten Napoléon nicht als einen Löwen, sondern als einen Tiger, Panther oder irgend ein anderes gräuliches Unthier. </p><lb/> <p rendition="#c">————</p><lb/> <p>Mit den preußischen Offizieren, die während des Waffenstillstandes bei uns im Quartier standen, verkehrten wir auf das freundlichste. Ganz besonders gefiel uns ein alter Oberst von Puttlitz, der mit seinen weißen Haaren recht ehrwürdig aussah, und von seinen Erlebnissen in </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [371/0383]
andern Generalen einer Verschwörung gegen die Republik und gegen das Leben des ersten Konsuls angeklagt und zum Tode verurtheilt. Bonaparte wagte es nicht, ihn hinrichten zu lassen, sondern verbot ihm nur, den französischen Boden zu betreten. Moreau lebte seitdem in Amerika. Mit Verwunderung hörten wir, daß er die lange und gefährliche Seereise aus der neuen Welt bloß in der Absicht gemacht habe, um seinen ehemaligen Waffengefährten mit bekriegen zu helfen. Dies bestärkte uns in der Ansicht, in Napoléon den Ausbund aller Verworfenheit zu erkennen. Moreau erhielt vorläufig kein selbständiges Kommando, sondern war dem Generalstabe des Kaisers Alexander I. von Rußland zugetheilt, um durch seine Kriegserfahrung die Operationen zu leiten. Er vermehrte die gegen Napoléon von allen Seiten aufgebotenen materiellen und geistigen Kräfte. Mit edler Begeisterung sang damals Rückert in einem seiner geharnischten Sonette:
Vom Himmel laut ruft Nemesis-Urania:
Auf! denn heut soll die Löwenjagd beginnen.
Das Frühroth blutet! Auf, ihr Jägerinnen,
Auf, erste Schützin meines Hains, Germania!
Wir aber betrachteten Napoléon nicht als einen Löwen, sondern als einen Tiger, Panther oder irgend ein anderes gräuliches Unthier.
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Mit den preußischen Offizieren, die während des Waffenstillstandes bei uns im Quartier standen, verkehrten wir auf das freundlichste. Ganz besonders gefiel uns ein alter Oberst von Puttlitz, der mit seinen weißen Haaren recht ehrwürdig aussah, und von seinen Erlebnissen in
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/383>, abgerufen am 10.06.2024. |