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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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keine andre Autorität im Lande gelte, als die seinige. Jede Auflehnung dagegen werde er auf das strengste zu ahnden wissen. Anfangs, sagte Hanstein, habe der Kaiser sehr ruhig und fließend gesprochen, so daß man wohl merkte, er habe sich die Rede vorher überlegt; je weiter er aber vorgerückt, desto mehr sei er ins Stocken gerathen, und zuletzt habe er nur noch einzelne Sätze mit Heftigkeit hervorgestoßen. Am Schlusse ward die Versammlung mit einem gnädigen Kopfnicken und einer bezeichnenden Handbewegung entlassen.

Hatte auch mein Vater wegen seines Alters an dem Landsturme nicht Theil genommen, so förderte er doch auf alle Weise die Sache des Vaterlandes. Es bildete sich, von ihm und Hanstein angeregt, in der Brüderstraße ein Verein, dem bald die meisten Hauseigenthümer und vermögenden Miether beitraten. Mein Vater ward zum Schatzmeister erwählt. Der Hauptzweck des Vereins war die Ausrüstung von Freiwilligen, die Unterstützung der zurückgebliebenen Familien, die Nachsendung von Geld und Wäsche. Weil der Verein gar kein Wesens von seinen Leistungen machte, so nannte er sich "der stille Verein." Während der Befreiungskriege richtete er sein Hauptaugenmerk auf die im Felde stehenden Söhne der Brüderstraße, später war er den Zurückkehrenden auf alle Weise hülfreich. Unser Nachbar, der Seidenhändler Humbert, damals Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung, gehörte zu seinen Mitgliedern, und war vermöge seiner einflußreichen Stellung von großem Nutzen. Wegen der gänzlich unscheinbaren Natur dieses wohlthätigen Vereines ist mir nicht erinnerlich geblieben, wie lange er gewährt und wann er sich aufgelöst. Unter den Familienpapieren

keine andre Autorität im Lande gelte, als die seinige. Jede Auflehnung dagegen werde er auf das strengste zu ahnden wissen. Anfangs, sagte Hanstein, habe der Kaiser sehr ruhig und fließend gesprochen, so daß man wohl merkte, er habe sich die Rede vorher überlegt; je weiter er aber vorgerückt, desto mehr sei er ins Stocken gerathen, und zuletzt habe er nur noch einzelne Sätze mit Heftigkeit hervorgestoßen. Am Schlusse ward die Versammlung mit einem gnädigen Kopfnicken und einer bezeichnenden Handbewegung entlassen.

Hatte auch mein Vater wegen seines Alters an dem Landsturme nicht Theil genommen, so förderte er doch auf alle Weise die Sache des Vaterlandes. Es bildete sich, von ihm und Hanstein angeregt, in der Brüderstraße ein Verein, dem bald die meisten Hauseigenthümer und vermögenden Miether beitraten. Mein Vater ward zum Schatzmeister erwählt. Der Hauptzweck des Vereins war die Ausrüstung von Freiwilligen, die Unterstützung der zurückgebliebenen Familien, die Nachsendung von Geld und Wäsche. Weil der Verein gar kein Wesens von seinen Leistungen machte, so nannte er sich „der stille Verein.“ Während der Befreiungskriege richtete er sein Hauptaugenmerk auf die im Felde stehenden Söhne der Brüderstraße, später war er den Zurückkehrenden auf alle Weise hülfreich. Unser Nachbar, der Seidenhändler Humbert, damals Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung, gehörte zu seinen Mitgliedern, und war vermöge seiner einflußreichen Stellung von großem Nutzen. Wegen der gänzlich unscheinbaren Natur dieses wohlthätigen Vereines ist mir nicht erinnerlich geblieben, wie lange er gewährt und wann er sich aufgelöst. Unter den Familienpapieren

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[358/0370] keine andre Autorität im Lande gelte, als die seinige. Jede Auflehnung dagegen werde er auf das strengste zu ahnden wissen. Anfangs, sagte Hanstein, habe der Kaiser sehr ruhig und fließend gesprochen, so daß man wohl merkte, er habe sich die Rede vorher überlegt; je weiter er aber vorgerückt, desto mehr sei er ins Stocken gerathen, und zuletzt habe er nur noch einzelne Sätze mit Heftigkeit hervorgestoßen. Am Schlusse ward die Versammlung mit einem gnädigen Kopfnicken und einer bezeichnenden Handbewegung entlassen. Hatte auch mein Vater wegen seines Alters an dem Landsturme nicht Theil genommen, so förderte er doch auf alle Weise die Sache des Vaterlandes. Es bildete sich, von ihm und Hanstein angeregt, in der Brüderstraße ein Verein, dem bald die meisten Hauseigenthümer und vermögenden Miether beitraten. Mein Vater ward zum Schatzmeister erwählt. Der Hauptzweck des Vereins war die Ausrüstung von Freiwilligen, die Unterstützung der zurückgebliebenen Familien, die Nachsendung von Geld und Wäsche. Weil der Verein gar kein Wesens von seinen Leistungen machte, so nannte er sich „der stille Verein.“ Während der Befreiungskriege richtete er sein Hauptaugenmerk auf die im Felde stehenden Söhne der Brüderstraße, später war er den Zurückkehrenden auf alle Weise hülfreich. Unser Nachbar, der Seidenhändler Humbert, damals Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung, gehörte zu seinen Mitgliedern, und war vermöge seiner einflußreichen Stellung von großem Nutzen. Wegen der gänzlich unscheinbaren Natur dieses wohlthätigen Vereines ist mir nicht erinnerlich geblieben, wie lange er gewährt und wann er sich aufgelöst. Unter den Familienpapieren

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/370>, abgerufen am 22.11.2024.