Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].treffliche kalte Schale, und anderes, so daß ein sehr ausgiebiges Abendbrodt zu Stande kam. Beim Weggehn konnten wir wohl bemerken, daß der Vetter in eine sehr zähe Unterhandlung mit dem Wirthe gerathen war, aber erst lange nachher vertraute uns Vetter Fritz in Berlin, daß Christian seine goldne Taschenuhr als Pfand bei Resewitzens habe hinterlassen müssen, um die Bezahlung für unsre allzureichliche Bewirthung zu decken. Der Onkel Keiner, ein untersetzter Mann mit den durchsichtigsten blauen Augen, imponirte uns durch seine ungewöhnliche Körperstärke. Mehr als einmal versuchte Fritz vergebens, seine geschlossene Hand aufzubrechen, oder seinen ausgestreckten Arm zu biegen, aber der Onkel hob den zwölfjährigen Knaben ohne Mühe auf den Tisch. Die Bilder in seinem Zimmer betrachtete ich mit großer Theilnahme; er nannte mir einen Ruysdael, einen Canaletto, einen Paul Potter etc. Da ich kaum einen Begriff von dem Gewicht und der Geltung dieser Namen hatte, so ließ mich dies ziemlich gleichgültig. In den folgenden Jahren, nach wiederholtem Besuche der Dresdner Gallerie, durfte ich meinem eignen Urtheile hinlänglich trauen, um einzusehn, daß bei Onkel Keiners Bildern weder an einen ächten Ruysdael noch an einen Canaletto zu denken sei, auch wußte ich, daß Paul Potter niemals eine Waldlandschaft mit ganz kleinen Negerfiguren gemalt, wie man sie hier erkennen konnte. Aber die Behandlung dieses letzten Bildchens schien nicht ungeschickt, und gern hätte ich es näher betrachtet; auch hatte es einen guten Schwanhardtschen Rahmen von Ebenholz. Der Onkel ließ es jedoch nicht herunternehmen, und versicherte wiederholt, der Name Paul Potter stehe darauf. treffliche kalte Schale, und anderes, so daß ein sehr ausgiebiges Abendbrodt zu Stande kam. Beim Weggehn konnten wir wohl bemerken, daß der Vetter in eine sehr zähe Unterhandlung mit dem Wirthe gerathen war, aber erst lange nachher vertraute uns Vetter Fritz in Berlin, daß Christian seine goldne Taschenuhr als Pfand bei Resewitzens habe hinterlassen müssen, um die Bezahlung für unsre allzureichliche Bewirthung zu decken. Der Onkel Keiner, ein untersetzter Mann mit den durchsichtigsten blauen Augen, imponirte uns durch seine ungewöhnliche Körperstärke. Mehr als einmal versuchte Fritz vergebens, seine geschlossene Hand aufzubrechen, oder seinen ausgestreckten Arm zu biegen, aber der Onkel hob den zwölfjährigen Knaben ohne Mühe auf den Tisch. Die Bilder in seinem Zimmer betrachtete ich mit großer Theilnahme; er nannte mir einen Ruysdael, einen Canaletto, einen Paul Potter etc. Da ich kaum einen Begriff von dem Gewicht und der Geltung dieser Namen hatte, so ließ mich dies ziemlich gleichgültig. In den folgenden Jahren, nach wiederholtem Besuche der Dresdner Gallerie, durfte ich meinem eignen Urtheile hinlänglich trauen, um einzusehn, daß bei Onkel Keiners Bildern weder an einen ächten Ruysdael noch an einen Canaletto zu denken sei, auch wußte ich, daß Paul Potter niemals eine Waldlandschaft mit ganz kleinen Negerfiguren gemalt, wie man sie hier erkennen konnte. Aber die Behandlung dieses letzten Bildchens schien nicht ungeschickt, und gern hätte ich es näher betrachtet; auch hatte es einen guten Schwanhardtschen Rahmen von Ebenholz. Der Onkel ließ es jedoch nicht herunternehmen, und versicherte wiederholt, der Name Paul Potter stehe darauf. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0312" n="300"/> treffliche kalte Schale, und anderes, so daß ein sehr ausgiebiges Abendbrodt zu Stande kam. Beim Weggehn konnten wir wohl bemerken, daß der Vetter in eine sehr zähe Unterhandlung mit dem Wirthe gerathen war, aber erst lange nachher vertraute uns Vetter Fritz in Berlin, daß Christian seine goldne Taschenuhr als Pfand bei Resewitzens habe hinterlassen müssen, um die Bezahlung für unsre allzureichliche Bewirthung zu decken. </p><lb/> <p>Der Onkel Keiner, ein untersetzter Mann mit den durchsichtigsten blauen Augen, imponirte uns durch seine ungewöhnliche Körperstärke. Mehr als einmal versuchte Fritz vergebens, seine geschlossene Hand aufzubrechen, oder seinen ausgestreckten Arm zu biegen, aber der Onkel hob den zwölfjährigen Knaben ohne Mühe auf den Tisch. Die Bilder in seinem Zimmer betrachtete ich mit großer Theilnahme; er nannte mir einen Ruysdael, einen Canaletto, einen Paul Potter etc. Da ich kaum einen Begriff von dem Gewicht und der Geltung dieser Namen hatte, so ließ mich dies ziemlich gleichgültig. In den folgenden Jahren, nach wiederholtem Besuche der Dresdner Gallerie, durfte ich meinem eignen Urtheile hinlänglich trauen, um einzusehn, daß bei Onkel Keiners Bildern weder an einen ächten Ruysdael noch an einen Canaletto zu denken sei, auch wußte ich, daß Paul Potter niemals eine Waldlandschaft mit ganz kleinen Negerfiguren gemalt, wie man sie hier erkennen konnte. Aber die Behandlung dieses letzten Bildchens schien nicht ungeschickt, und gern hätte ich es näher betrachtet; auch hatte es einen guten Schwanhardtschen Rahmen von Ebenholz. Der Onkel ließ es jedoch nicht herunternehmen, und versicherte wiederholt, der Name Paul Potter stehe darauf. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [300/0312]
treffliche kalte Schale, und anderes, so daß ein sehr ausgiebiges Abendbrodt zu Stande kam. Beim Weggehn konnten wir wohl bemerken, daß der Vetter in eine sehr zähe Unterhandlung mit dem Wirthe gerathen war, aber erst lange nachher vertraute uns Vetter Fritz in Berlin, daß Christian seine goldne Taschenuhr als Pfand bei Resewitzens habe hinterlassen müssen, um die Bezahlung für unsre allzureichliche Bewirthung zu decken.
Der Onkel Keiner, ein untersetzter Mann mit den durchsichtigsten blauen Augen, imponirte uns durch seine ungewöhnliche Körperstärke. Mehr als einmal versuchte Fritz vergebens, seine geschlossene Hand aufzubrechen, oder seinen ausgestreckten Arm zu biegen, aber der Onkel hob den zwölfjährigen Knaben ohne Mühe auf den Tisch. Die Bilder in seinem Zimmer betrachtete ich mit großer Theilnahme; er nannte mir einen Ruysdael, einen Canaletto, einen Paul Potter etc. Da ich kaum einen Begriff von dem Gewicht und der Geltung dieser Namen hatte, so ließ mich dies ziemlich gleichgültig. In den folgenden Jahren, nach wiederholtem Besuche der Dresdner Gallerie, durfte ich meinem eignen Urtheile hinlänglich trauen, um einzusehn, daß bei Onkel Keiners Bildern weder an einen ächten Ruysdael noch an einen Canaletto zu denken sei, auch wußte ich, daß Paul Potter niemals eine Waldlandschaft mit ganz kleinen Negerfiguren gemalt, wie man sie hier erkennen konnte. Aber die Behandlung dieses letzten Bildchens schien nicht ungeschickt, und gern hätte ich es näher betrachtet; auch hatte es einen guten Schwanhardtschen Rahmen von Ebenholz. Der Onkel ließ es jedoch nicht herunternehmen, und versicherte wiederholt, der Name Paul Potter stehe darauf.
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