Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

mission von französischen Gelehrten die Auswahl von 100 Manuscripten aus der Vatikanischen Bibliothek gestatten.

Als darauf bei einem Volksaufstande in Rom (Dec. 1797) der französische Gesandte Joseph Bonaparte (nachher König von Neapel und später von Spanien) insultirt, und der General Duphot erschossen ward, so schickte das französische Direktorium ohne Weiteres den General Berthier mit Truppen nach Rom. Er löste die päpstliche Regierung auf und proklamirte eine "römische Republik". Der 81jährige Pius VI. ward als Gefangener nach Siena, später nach Valence gebracht, wo er am 29. Aug. 1799 starb.

Da indessen die katholische Kirche nicht ohne sichtbares Oberhaupt bleiben konnte, so wählten, trotz der drohenden Kriegsunruhen, die in Venedig versammelten Kardinäle den Kardinal Chiaramonte, der den Namen Pius VII. annahm. Er war es, der am 2. Dec. 1804 den ersten Konsul Bonaparte zum Kaiser Napoleon in Paris salbte, und dessen usurpirter Gewalt den Stempel der göttlichen Weihe aufdrückte. Nun verschwanden auch die Republiken aus Italien. Der nördliche Theil ward zu einem, vom Kaiser Napoleon beherrschten Königreiche Italien vereinigt, die südlichen Theile bildeten das Königreich Neapel, und kamen erst an seinen Bruder Joseph, dann an seinen Schwager Murat.

Die Nachgiebigkeit des Papstes in Betreff der Kaiserkrönung sollte ihm nicht lange von Nutzen sein. Napoleon machte es ihm zum Vorwurfe, daß er nicht seine Häfen den Engländern verschließe, und schickte im Februar 1808 den General Miollis mit 8000 Mann nach Rom, welcher drei Provinzen vom Kirchenstaate abriß. Hiemit noch

mission von französischen Gelehrten die Auswahl von 100 Manuscripten aus der Vatikanischen Bibliothek gestatten.

Als darauf bei einem Volksaufstande in Rom (Dec. 1797) der französische Gesandte Joseph Bonaparte (nachher König von Neapel und später von Spanien) insultirt, und der General Duphot erschossen ward, so schickte das französische Direktorium ohne Weiteres den General Berthier mit Truppen nach Rom. Er löste die päpstliche Regierung auf und proklamirte eine „römische Republik“. Der 81jährige Pius VI. ward als Gefangener nach Siena, später nach Valence gebracht, wo er am 29. Aug. 1799 starb.

Da indessen die katholische Kirche nicht ohne sichtbares Oberhaupt bleiben konnte, so wählten, trotz der drohenden Kriegsunruhen, die in Venedig versammelten Kardinäle den Kardinal Chiaramonte, der den Namen Pius VII. annahm. Er war es, der am 2. Dec. 1804 den ersten Konsul Bonaparte zum Kaiser Napoléon in Paris salbte, und dessen usurpirter Gewalt den Stempel der göttlichen Weihe aufdrückte. Nun verschwanden auch die Republiken aus Italien. Der nördliche Theil ward zu einem, vom Kaiser Napoléon beherrschten Königreiche Italien vereinigt, die südlichen Theile bildeten das Königreich Neapel, und kamen erst an seinen Bruder Joseph, dann an seinen Schwager Murat.

Die Nachgiebigkeit des Papstes in Betreff der Kaiserkrönung sollte ihm nicht lange von Nutzen sein. Napoléon machte es ihm zum Vorwurfe, daß er nicht seine Häfen den Engländern verschließe, und schickte im Februar 1808 den General Miollis mit 8000 Mann nach Rom, welcher drei Provinzen vom Kirchenstaate abriß. Hiemit noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0295" n="283"/>
mission von französischen Gelehrten die Auswahl von 100 Manuscripten aus der Vatikanischen Bibliothek gestatten. </p><lb/>
          <p>Als darauf bei einem Volksaufstande in Rom (Dec. 1797) der französische Gesandte Joseph Bonaparte (nachher König von Neapel und später von Spanien) insultirt, und der General Duphot erschossen ward, so schickte das französische Direktorium ohne Weiteres den General Berthier mit Truppen nach Rom. Er löste die päpstliche Regierung auf und proklamirte eine &#x201E;römische Republik&#x201C;. Der 81jährige Pius VI. ward als Gefangener nach Siena, später nach Valence gebracht, wo er am 29. Aug. 1799 starb. </p><lb/>
          <p>Da indessen die katholische Kirche nicht ohne sichtbares Oberhaupt bleiben konnte, so wählten, trotz der drohenden Kriegsunruhen, die in Venedig versammelten Kardinäle den Kardinal Chiaramonte, der den Namen Pius VII. annahm. Er war es, der am 2. Dec. 1804 den ersten Konsul Bonaparte zum Kaiser Napoléon in Paris salbte, und dessen usurpirter Gewalt den Stempel der göttlichen Weihe aufdrückte. Nun verschwanden auch die Republiken aus Italien. Der nördliche Theil ward zu einem, vom Kaiser Napoléon beherrschten Königreiche Italien vereinigt, die südlichen Theile bildeten das Königreich Neapel, und kamen erst an seinen Bruder Joseph, dann an seinen Schwager Murat. </p><lb/>
          <p>Die Nachgiebigkeit des Papstes in Betreff der Kaiserkrönung sollte ihm nicht lange von Nutzen sein. Napoléon machte es ihm zum Vorwurfe, daß er nicht seine Häfen den Engländern verschließe, und schickte im Februar 1808 den General Miollis mit 8000 Mann nach Rom, welcher drei Provinzen vom Kirchenstaate abriß. Hiemit noch
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0295] mission von französischen Gelehrten die Auswahl von 100 Manuscripten aus der Vatikanischen Bibliothek gestatten. Als darauf bei einem Volksaufstande in Rom (Dec. 1797) der französische Gesandte Joseph Bonaparte (nachher König von Neapel und später von Spanien) insultirt, und der General Duphot erschossen ward, so schickte das französische Direktorium ohne Weiteres den General Berthier mit Truppen nach Rom. Er löste die päpstliche Regierung auf und proklamirte eine „römische Republik“. Der 81jährige Pius VI. ward als Gefangener nach Siena, später nach Valence gebracht, wo er am 29. Aug. 1799 starb. Da indessen die katholische Kirche nicht ohne sichtbares Oberhaupt bleiben konnte, so wählten, trotz der drohenden Kriegsunruhen, die in Venedig versammelten Kardinäle den Kardinal Chiaramonte, der den Namen Pius VII. annahm. Er war es, der am 2. Dec. 1804 den ersten Konsul Bonaparte zum Kaiser Napoléon in Paris salbte, und dessen usurpirter Gewalt den Stempel der göttlichen Weihe aufdrückte. Nun verschwanden auch die Republiken aus Italien. Der nördliche Theil ward zu einem, vom Kaiser Napoléon beherrschten Königreiche Italien vereinigt, die südlichen Theile bildeten das Königreich Neapel, und kamen erst an seinen Bruder Joseph, dann an seinen Schwager Murat. Die Nachgiebigkeit des Papstes in Betreff der Kaiserkrönung sollte ihm nicht lange von Nutzen sein. Napoléon machte es ihm zum Vorwurfe, daß er nicht seine Häfen den Engländern verschließe, und schickte im Februar 1808 den General Miollis mit 8000 Mann nach Rom, welcher drei Provinzen vom Kirchenstaate abriß. Hiemit noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/295
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/295>, abgerufen am 23.11.2024.