Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Opposition. Der König Jerome hatte bei seiner Ankunft in Kassel gleich ein Bad genommen; darauf kursirte folgender Spottvers, den der Grosvater mit Behagen bei Tische recitirte: Kaum kömmt er in die Stadt, So nimmt er schon ein Bad! Deß freun wir uns nicht wenig, Denn das ist noch ein König, Der sich gewaschen hat. Dies erste Bad mochte nun wohl ein Wasserbad gewesen sein, doch wurde später versichert, der König bade sich manchmal in Champagner, den dann die Kammerdiener nachher wieder auffüllten, und unter der Hand verkauften. Für die neuen westphälischen Hofämter waren neue prachtvolle Uniformen ausgedacht worden, die von Gold und Stickereien strotzten. Ein 90jähriger Graf von Sierstorpff, dem ältesten Landadel angehörend, und wegen seines jovialen Freimuthes bekannt, hatte es nicht vermeiden können, ein Hofamt anzunehmen, obgleich er von seiner Abneigung gegen die neue Dynastie gar kein Hehl machte. Bei einem Hoffeste stand er mit anderen zusammen, die sich über die reichen Uniformen unterhielten. Nun, meine Herren, sagte Sierstorpff ganz laut, indem er seinen goldgestickten Aermel anfaßte, ich denke doch, wir alle werden diese Narrenjacken nicht lange zu tragen haben! Den allergrösten Widerwillen erregte im Königreich Westphalen die neu eingeführte französische Konscription. An vielen Stellen rotteten die Bauern, welche man zum Kriegsdienste ausheben wollte, sich zusammen, und leiste- Opposition. Der König Jerome hatte bei seiner Ankunft in Kassel gleich ein Bad genommen; darauf kursirte folgender Spottvers, den der Grosvater mit Behagen bei Tische recitirte: Kaum kömmt er in die Stadt, So nimmt er schon ein Bad! Deß freun wir uns nicht wenig, Denn das ist noch ein König, Der sich gewaschen hat. Dies erste Bad mochte nun wohl ein Wasserbad gewesen sein, doch wurde später versichert, der König bade sich manchmal in Champagner, den dann die Kammerdiener nachher wieder auffüllten, und unter der Hand verkauften. Für die neuen westphälischen Hofämter waren neue prachtvolle Uniformen ausgedacht worden, die von Gold und Stickereien strotzten. Ein 90jähriger Graf von Sierstorpff, dem ältesten Landadel angehörend, und wegen seines jovialen Freimuthes bekannt, hatte es nicht vermeiden können, ein Hofamt anzunehmen, obgleich er von seiner Abneigung gegen die neue Dynastie gar kein Hehl machte. Bei einem Hoffeste stand er mit anderen zusammen, die sich über die reichen Uniformen unterhielten. Nun, meine Herren, sagte Sierstorpff ganz laut, indem er seinen goldgestickten Aermel anfaßte, ich denke doch, wir alle werden diese Narrenjacken nicht lange zu tragen haben! Den allergrösten Widerwillen erregte im Königreich Westphalen die neu eingeführte französische Konscription. An vielen Stellen rotteten die Bauern, welche man zum Kriegsdienste ausheben wollte, sich zusammen, und leiste- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0287" n="275"/> Opposition. Der König Jerome hatte bei seiner Ankunft in Kassel gleich ein Bad genommen; darauf kursirte folgender Spottvers, den der Grosvater mit Behagen bei Tische recitirte: </p><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#et">Kaum kömmt er in die Stadt, </l><lb/> <l rendition="#et">So nimmt er schon ein Bad! </l><lb/> <l rendition="#et">Deß freun wir uns nicht wenig, </l><lb/> <l rendition="#et">Denn das ist noch ein König, </l><lb/> <l rendition="#et">Der sich gewaschen hat. </l><lb/> </lg> <p>Dies erste Bad mochte nun wohl ein Wasserbad gewesen sein, doch wurde später versichert, der König bade sich manchmal in Champagner, den dann die Kammerdiener nachher wieder auffüllten, und unter der Hand verkauften. </p><lb/> <p>Für die neuen westphälischen Hofämter waren neue prachtvolle Uniformen ausgedacht worden, die von Gold und Stickereien strotzten. Ein 90jähriger Graf von Sierstorpff, dem ältesten Landadel angehörend, und wegen seines jovialen Freimuthes bekannt, hatte es nicht vermeiden können, ein Hofamt anzunehmen, obgleich er von seiner Abneigung gegen die neue Dynastie gar kein Hehl machte. Bei einem Hoffeste stand er mit anderen zusammen, die sich über die reichen Uniformen unterhielten. Nun, meine Herren, sagte Sierstorpff ganz laut, indem er seinen goldgestickten Aermel anfaßte, ich denke doch, wir alle werden diese Narrenjacken nicht lange zu tragen haben! </p><lb/> <p>Den allergrösten Widerwillen erregte im Königreich Westphalen die neu eingeführte französische Konscription. An vielen Stellen rotteten die Bauern, welche man zum Kriegsdienste ausheben wollte, sich zusammen, und leiste- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [275/0287]
Opposition. Der König Jerome hatte bei seiner Ankunft in Kassel gleich ein Bad genommen; darauf kursirte folgender Spottvers, den der Grosvater mit Behagen bei Tische recitirte:
Kaum kömmt er in die Stadt,
So nimmt er schon ein Bad!
Deß freun wir uns nicht wenig,
Denn das ist noch ein König,
Der sich gewaschen hat.
Dies erste Bad mochte nun wohl ein Wasserbad gewesen sein, doch wurde später versichert, der König bade sich manchmal in Champagner, den dann die Kammerdiener nachher wieder auffüllten, und unter der Hand verkauften.
Für die neuen westphälischen Hofämter waren neue prachtvolle Uniformen ausgedacht worden, die von Gold und Stickereien strotzten. Ein 90jähriger Graf von Sierstorpff, dem ältesten Landadel angehörend, und wegen seines jovialen Freimuthes bekannt, hatte es nicht vermeiden können, ein Hofamt anzunehmen, obgleich er von seiner Abneigung gegen die neue Dynastie gar kein Hehl machte. Bei einem Hoffeste stand er mit anderen zusammen, die sich über die reichen Uniformen unterhielten. Nun, meine Herren, sagte Sierstorpff ganz laut, indem er seinen goldgestickten Aermel anfaßte, ich denke doch, wir alle werden diese Narrenjacken nicht lange zu tragen haben!
Den allergrösten Widerwillen erregte im Königreich Westphalen die neu eingeführte französische Konscription. An vielen Stellen rotteten die Bauern, welche man zum Kriegsdienste ausheben wollte, sich zusammen, und leiste-
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