Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].sich gar nicht die Mühe zu zielen: denn nach ihrem Prädestinationsglauben konnte die Kugel nur den treffen, der schon vorher zum Tode bestimmt war: - ja noch mehr: da Allah allmächtig ist, so kann er, wenn er will, die Kugel in ihrem Fluge umkehren, und auf den Schützen selbst fallen lassen; wozu also die Zeit mit zielen verlieren! Bei solchen Grundsätzen war es nicht schwer, die türkischen Verschanzungen zu nehmen. Die Engländer erlitten zwar auch einige Verluste bei dieser Durchfahrt, denn "wo man Holz hackt, da fallen Späne" sagte uns der Lehrer. Jedoch bei der Stadt Konstantinopel selbst fand Duckworth einen unerwarteten Widerstand. Er mußte sich, ohne etwas ausgerichtet zu haben, nach kurzer Zeit zurückziehn, und man konnte diese ganze englische Unternehmung als mißglückt betrachten. In demselben Jahre (September 1807) erzählte uns ein junger lebhafter Lehrer eines Morgens, in Kopenhagen sei ein großer Brand gewesen; die Engländer seien im tiefsten Frieden bei Kopenhagen mit ihrer Flotte gelandet, hätten eine Menge Batterien aufgeführt, und durch ein unbarmherziges zweitägiges Bombardement den vierten Theil der Stadt eingeäschert, bis endlich der König von Dänemark gezwungen wurde, ihnen seine ganze Flotte von 18 Linienschiffen und 15 Fregatten auszuliefern. Fragten wir nach den Ursachen dieser Unthat, so belehrte man uns, daß die Engländer gefürchtet, die Dänen möchten ihre stattliche Flotte, die ihnen bisher freilich nur zum Schmucke gedient, und niemals ernstlichen Gebrauch gefunden hatte, mit der französischen vereinigen. Daß eine solche staatsmännische Rücksicht irgend eine Geltung haben könne, war dem kindlichen Rechtsgefühle unbe- sich gar nicht die Mühe zu zielen: denn nach ihrem Prädestinationsglauben konnte die Kugel nur den treffen, der schon vorher zum Tode bestimmt war: – ja noch mehr: da Allah allmächtig ist, so kann er, wenn er will, die Kugel in ihrem Fluge umkehren, und auf den Schützen selbst fallen lassen; wozu also die Zeit mit zielen verlieren! Bei solchen Grundsätzen war es nicht schwer, die türkischen Verschanzungen zu nehmen. Die Engländer erlitten zwar auch einige Verluste bei dieser Durchfahrt, denn „wo man Holz hackt, da fallen Späne“ sagte uns der Lehrer. Jedoch bei der Stadt Konstantinopel selbst fand Duckworth einen unerwarteten Widerstand. Er mußte sich, ohne etwas ausgerichtet zu haben, nach kurzer Zeit zurückziehn, und man konnte diese ganze englische Unternehmung als mißglückt betrachten. In demselben Jahre (September 1807) erzählte uns ein junger lebhafter Lehrer eines Morgens, in Kopenhagen sei ein großer Brand gewesen; die Engländer seien im tiefsten Frieden bei Kopenhagen mit ihrer Flotte gelandet, hätten eine Menge Batterien aufgeführt, und durch ein unbarmherziges zweitägiges Bombardement den vierten Theil der Stadt eingeäschert, bis endlich der König von Dänemark gezwungen wurde, ihnen seine ganze Flotte von 18 Linienschiffen und 15 Fregatten auszuliefern. Fragten wir nach den Ursachen dieser Unthat, so belehrte man uns, daß die Engländer gefürchtet, die Dänen möchten ihre stattliche Flotte, die ihnen bisher freilich nur zum Schmucke gedient, und niemals ernstlichen Gebrauch gefunden hatte, mit der französischen vereinigen. Daß eine solche staatsmännische Rücksicht irgend eine Geltung haben könne, war dem kindlichen Rechtsgefühle unbe- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0281" n="269"/> sich gar nicht die Mühe zu zielen: denn nach ihrem Prädestinationsglauben konnte die Kugel nur den treffen, der schon vorher zum Tode bestimmt war: – ja noch mehr: da Allah allmächtig ist, so kann er, wenn er will, die Kugel in ihrem Fluge umkehren, und auf den Schützen selbst fallen lassen; wozu also die Zeit mit zielen verlieren! Bei solchen Grundsätzen war es nicht schwer, die türkischen Verschanzungen zu nehmen. Die Engländer erlitten zwar auch einige Verluste bei dieser Durchfahrt, denn „wo man Holz hackt, da fallen Späne“ sagte uns der Lehrer. Jedoch bei der Stadt Konstantinopel selbst fand Duckworth einen unerwarteten Widerstand. Er mußte sich, ohne etwas ausgerichtet zu haben, nach kurzer Zeit zurückziehn, und man konnte diese ganze englische Unternehmung als mißglückt betrachten. </p><lb/> <p>In demselben Jahre (September 1807) erzählte uns ein junger lebhafter Lehrer eines Morgens, in Kopenhagen sei ein großer Brand gewesen; die Engländer seien im tiefsten Frieden bei Kopenhagen mit ihrer Flotte gelandet, hätten eine Menge Batterien aufgeführt, und durch ein unbarmherziges zweitägiges Bombardement den vierten Theil der Stadt eingeäschert, bis endlich der König von Dänemark gezwungen wurde, ihnen seine ganze Flotte von 18 Linienschiffen und 15 Fregatten auszuliefern. Fragten wir nach den Ursachen dieser Unthat, so belehrte man uns, daß die Engländer gefürchtet, die Dänen möchten ihre stattliche Flotte, die ihnen bisher freilich nur zum Schmucke gedient, und niemals ernstlichen Gebrauch gefunden hatte, mit der französischen vereinigen. 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sich gar nicht die Mühe zu zielen: denn nach ihrem Prädestinationsglauben konnte die Kugel nur den treffen, der schon vorher zum Tode bestimmt war: – ja noch mehr: da Allah allmächtig ist, so kann er, wenn er will, die Kugel in ihrem Fluge umkehren, und auf den Schützen selbst fallen lassen; wozu also die Zeit mit zielen verlieren! Bei solchen Grundsätzen war es nicht schwer, die türkischen Verschanzungen zu nehmen. Die Engländer erlitten zwar auch einige Verluste bei dieser Durchfahrt, denn „wo man Holz hackt, da fallen Späne“ sagte uns der Lehrer. Jedoch bei der Stadt Konstantinopel selbst fand Duckworth einen unerwarteten Widerstand. Er mußte sich, ohne etwas ausgerichtet zu haben, nach kurzer Zeit zurückziehn, und man konnte diese ganze englische Unternehmung als mißglückt betrachten.
In demselben Jahre (September 1807) erzählte uns ein junger lebhafter Lehrer eines Morgens, in Kopenhagen sei ein großer Brand gewesen; die Engländer seien im tiefsten Frieden bei Kopenhagen mit ihrer Flotte gelandet, hätten eine Menge Batterien aufgeführt, und durch ein unbarmherziges zweitägiges Bombardement den vierten Theil der Stadt eingeäschert, bis endlich der König von Dänemark gezwungen wurde, ihnen seine ganze Flotte von 18 Linienschiffen und 15 Fregatten auszuliefern. Fragten wir nach den Ursachen dieser Unthat, so belehrte man uns, daß die Engländer gefürchtet, die Dänen möchten ihre stattliche Flotte, die ihnen bisher freilich nur zum Schmucke gedient, und niemals ernstlichen Gebrauch gefunden hatte, mit der französischen vereinigen. Daß eine solche staatsmännische Rücksicht irgend eine Geltung haben könne, war dem kindlichen Rechtsgefühle unbe-
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