Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Als muthmaslichen Grund für die ägyptische Expedition glaubten die damaligen tiefblickenden Politiker annehmen zu können, daß der kühne französische General einen Landweg nach Ostindien gesucht habe, um den ihm verhaßten Engländern ihren reichen Kolonialbesitz zu entreißen. Dies gelang ihm nun eben so wenig, als der Versuch, mittelst der Mutterländer Spanien und Portugal die amerikanischen Kolonien sich anzueignen; aber die kindliche Anschauung stand bei solchen Betrachtungen mit blödem Erstaunen vor dem Riesenplane einer allgemeinen Weltherrschaft, die eventuel von der chinesischen Gränze durch Asien, Europa und Amerika bis zum Stillen Oceane würde gereicht haben! In Europa fing diese Idee an, sich nach und nach zu verwirklichen: denn trotz der böslichen Verlassung des ägyptischen Heeres trat der General Bonaparte bei seiner Rückkehr nach Frankreich, wo er ungescheut die strengen Quarantainegesetze brach, und von Frejus augenblicklich nach Paris eilte, ohne Zögern an die Spitze der Regierung, schlug als erster Konsul die Oestreicher in der Entscheidungsschlacht bei Marengo (1800) und diktirte ihnen den Frieden von Luneville (1801). Frankreich ward durch das ganze linke Rheinufer und die belgischen Provinzen vergrößert. Der Herzog von Modena erhielt den Breisgau, der Erbprinz von Parma das ehemalige Toscana unter dem Titel eines Königreiches Etrurien; die cisalpinische Bepublik wählte den siegreichen General Bonaparte zu ihrem Präsidenten, das Churfürstenthum Hannover ward wegen seiner Verbindung mit England 1803 von den Franzosen besetzt, u. s. w. Es war, als ob die Länderkarten der europäischen Reiche wie Spielkarten von dem ersten Kon- Als muthmaslichen Grund für die ägyptische Expedition glaubten die damaligen tiefblickenden Politiker annehmen zu können, daß der kühne französische General einen Landweg nach Ostindien gesucht habe, um den ihm verhaßten Engländern ihren reichen Kolonialbesitz zu entreißen. Dies gelang ihm nun eben so wenig, als der Versuch, mittelst der Mutterländer Spanien und Portugal die amerikanischen Kolonien sich anzueignen; aber die kindliche Anschauung stand bei solchen Betrachtungen mit blödem Erstaunen vor dem Riesenplane einer allgemeinen Weltherrschaft, die eventuel von der chinesischen Gränze durch Asien, Europa und Amerika bis zum Stillen Oceane würde gereicht haben! In Europa fing diese Idee an, sich nach und nach zu verwirklichen: denn trotz der böslichen Verlassung des ägyptischen Heeres trat der General Bonaparte bei seiner Rückkehr nach Frankreich, wo er ungescheut die strengen Quarantainegesetze brach, und von Frejus augenblicklich nach Paris eilte, ohne Zögern an die Spitze der Regierung, schlug als erster Konsul die Oestreicher in der Entscheidungsschlacht bei Marengo (1800) und diktirte ihnen den Frieden von Luneville (1801). Frankreich ward durch das ganze linke Rheinufer und die belgischen Provinzen vergrößert. Der Herzog von Modena erhielt den Breisgau, der Erbprinz von Parma das ehemalige Toscana unter dem Titel eines Königreiches Etrurien; die cisalpinische Bepublik wählte den siegreichen General Bonaparte zu ihrem Präsidenten, das Churfürstenthum Hannover ward wegen seiner Verbindung mit England 1803 von den Franzosen besetzt, u. s. w. 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Dies gelang ihm nun eben so wenig, als der Versuch, mittelst der Mutterländer Spanien und Portugal die amerikanischen Kolonien sich anzueignen; aber die kindliche Anschauung stand bei solchen Betrachtungen mit blödem Erstaunen vor dem Riesenplane einer allgemeinen Weltherrschaft, die eventuel von der chinesischen Gränze durch Asien, Europa und Amerika bis zum Stillen Oceane würde gereicht haben! </p><lb/> <p>In Europa fing diese Idee an, sich nach und nach zu verwirklichen: denn trotz der böslichen Verlassung des ägyptischen Heeres trat der General Bonaparte bei seiner Rückkehr nach Frankreich, wo er ungescheut die strengen Quarantainegesetze brach, und von Frejus augenblicklich nach Paris eilte, ohne Zögern an die Spitze der Regierung, schlug als erster Konsul die Oestreicher in der Entscheidungsschlacht bei Marengo (1800) und diktirte ihnen den Frieden von Luneville (1801). Frankreich ward durch das ganze linke Rheinufer und die belgischen Provinzen vergrößert. Der Herzog von Modena erhielt den Breisgau, der Erbprinz von Parma das ehemalige Toscana unter dem Titel eines Königreiches Etrurien; die cisalpinische Bepublik wählte den siegreichen General Bonaparte zu ihrem Präsidenten, das Churfürstenthum Hannover ward wegen seiner Verbindung mit England 1803 von den Franzosen besetzt, u. s. w. Es war, als ob die Länderkarten der europäischen Reiche wie Spielkarten von dem ersten Kon- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [266/0278]
Als muthmaslichen Grund für die ägyptische Expedition glaubten die damaligen tiefblickenden Politiker annehmen zu können, daß der kühne französische General einen Landweg nach Ostindien gesucht habe, um den ihm verhaßten Engländern ihren reichen Kolonialbesitz zu entreißen. Dies gelang ihm nun eben so wenig, als der Versuch, mittelst der Mutterländer Spanien und Portugal die amerikanischen Kolonien sich anzueignen; aber die kindliche Anschauung stand bei solchen Betrachtungen mit blödem Erstaunen vor dem Riesenplane einer allgemeinen Weltherrschaft, die eventuel von der chinesischen Gränze durch Asien, Europa und Amerika bis zum Stillen Oceane würde gereicht haben!
In Europa fing diese Idee an, sich nach und nach zu verwirklichen: denn trotz der böslichen Verlassung des ägyptischen Heeres trat der General Bonaparte bei seiner Rückkehr nach Frankreich, wo er ungescheut die strengen Quarantainegesetze brach, und von Frejus augenblicklich nach Paris eilte, ohne Zögern an die Spitze der Regierung, schlug als erster Konsul die Oestreicher in der Entscheidungsschlacht bei Marengo (1800) und diktirte ihnen den Frieden von Luneville (1801). Frankreich ward durch das ganze linke Rheinufer und die belgischen Provinzen vergrößert. Der Herzog von Modena erhielt den Breisgau, der Erbprinz von Parma das ehemalige Toscana unter dem Titel eines Königreiches Etrurien; die cisalpinische Bepublik wählte den siegreichen General Bonaparte zu ihrem Präsidenten, das Churfürstenthum Hannover ward wegen seiner Verbindung mit England 1803 von den Franzosen besetzt, u. s. w. Es war, als ob die Länderkarten der europäischen Reiche wie Spielkarten von dem ersten Kon-
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