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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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vulgaris als auch Sambucus nigra; Sorbus aucuparia heißt dort Ebresche (verderbt aus Ober-esche) und Vogelbeere; Syringa heißt in andern Gegenden Sirene, und Sambucus heißt Hollunder oder Holler.

Manche der exotischen Pflanzen in unserem Treibhause waren schon durch den Gärtner mit Namen versehn, die er auf kleine hölzerne Stäbchen mit Bleistift notirt hatte; für andre erholten wir uns Rathes bei dem gefälligen Bouche. Die Terrasse des großen Gartens hatte eine hölzerne Einfassung, die allsommerlich mit den besten Exemplaren besetzt wurde; an jedem Ende standen zwei massive Pfeiler mit den damals beliebten Kinderstatuen aus Sandstein. Im Laufe der Jahre war das Holzwerk an diesem Blumengerüste sehr schadhaft geworden; die Zapfen der hölzernen ausgebauchten Säulen verfaulten, und da sie schwer durch neue ersetzt werden konnten, so entstanden sehr unästhetische Lücken. So lange der Grosvater Nicolai lebte, mußte der Gärtner sich helfen, so gut es ging; ohnehin verboten die schlechten Zeiten jede unnütze Ausgabe; als aber nach den Befreiungskriegen ein neuer Aufschwung eintrat, entschloß sich mein Vater ein eisernes Blumengestell machen zu lassen, das für lange Jahre ausreichen sollte.

Damit überraschte er uns eines Frühjahrs beim Hinausziehn. Zu unserer Freude waren auch die plumpen steinernen Jungen, die besonders meiner Schwester zuwider waren, von den Postamenten verschwunden und durch Töpfe von schönblühendem Pancratium fragrans ersetzt. "Gustav", sagte die Tante zu mir, "dafür müssen wir uns revanchiren! Wir wollen an alle den aufgestellten Töpfen Etiketten mit den richtig und deutlich geschriebe-

vulgaris als auch Sambucus nigra; Sorbus aucuparia heißt dort Ebresche (verderbt aus Ober-esche) und Vogelbeere; Syringa heißt in andern Gegenden Sirene, und Sambucus heißt Hollunder oder Holler.

Manche der exotischen Pflanzen in unserem Treibhause waren schon durch den Gärtner mit Namen versehn, die er auf kleine hölzerne Stäbchen mit Bleistift notirt hatte; für andre erholten wir uns Rathes bei dem gefälligen Bouché. Die Terrasse des großen Gartens hatte eine hölzerne Einfassung, die allsommerlich mit den besten Exemplaren besetzt wurde; an jedem Ende standen zwei massive Pfeiler mit den damals beliebten Kinderstatuen aus Sandstein. Im Laufe der Jahre war das Holzwerk an diesem Blumengerüste sehr schadhaft geworden; die Zapfen der hölzernen ausgebauchten Säulen verfaulten, und da sie schwer durch neue ersetzt werden konnten, so entstanden sehr unästhetische Lücken. So lange der Grosvater Nicolai lebte, mußte der Gärtner sich helfen, so gut es ging; ohnehin verboten die schlechten Zeiten jede unnütze Ausgabe; als aber nach den Befreiungskriegen ein neuer Aufschwung eintrat, entschloß sich mein Vater ein eisernes Blumengestell machen zu lassen, das für lange Jahre ausreichen sollte.

Damit überraschte er uns eines Frühjahrs beim Hinausziehn. Zu unserer Freude waren auch die plumpen steinernen Jungen, die besonders meiner Schwester zuwider waren, von den Postamenten verschwunden und durch Töpfe von schönblühendem Pancratium fragrans ersetzt. „Gustav“, sagte die Tante zu mir, „dafür müssen wir uns revanchiren! Wir wollen an alle den aufgestellten Töpfen Etiketten mit den richtig und deutlich geschriebe-

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[259/0271] vulgaris als auch Sambucus nigra; Sorbus aucuparia heißt dort Ebresche (verderbt aus Ober-esche) und Vogelbeere; Syringa heißt in andern Gegenden Sirene, und Sambucus heißt Hollunder oder Holler. Manche der exotischen Pflanzen in unserem Treibhause waren schon durch den Gärtner mit Namen versehn, die er auf kleine hölzerne Stäbchen mit Bleistift notirt hatte; für andre erholten wir uns Rathes bei dem gefälligen Bouché. Die Terrasse des großen Gartens hatte eine hölzerne Einfassung, die allsommerlich mit den besten Exemplaren besetzt wurde; an jedem Ende standen zwei massive Pfeiler mit den damals beliebten Kinderstatuen aus Sandstein. Im Laufe der Jahre war das Holzwerk an diesem Blumengerüste sehr schadhaft geworden; die Zapfen der hölzernen ausgebauchten Säulen verfaulten, und da sie schwer durch neue ersetzt werden konnten, so entstanden sehr unästhetische Lücken. So lange der Grosvater Nicolai lebte, mußte der Gärtner sich helfen, so gut es ging; ohnehin verboten die schlechten Zeiten jede unnütze Ausgabe; als aber nach den Befreiungskriegen ein neuer Aufschwung eintrat, entschloß sich mein Vater ein eisernes Blumengestell machen zu lassen, das für lange Jahre ausreichen sollte. Damit überraschte er uns eines Frühjahrs beim Hinausziehn. Zu unserer Freude waren auch die plumpen steinernen Jungen, die besonders meiner Schwester zuwider waren, von den Postamenten verschwunden und durch Töpfe von schönblühendem Pancratium fragrans ersetzt. „Gustav“, sagte die Tante zu mir, „dafür müssen wir uns revanchiren! Wir wollen an alle den aufgestellten Töpfen Etiketten mit den richtig und deutlich geschriebe-

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/271>, abgerufen am 24.11.2024.