Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Nur eins konnte die Tante nicht bewerkstelligen, was mir gerade sehr leicht schien und am besten gelang, ihre Taschenuhr in Ordnung zu halten. Später hat ein alter erfahrener Uhrmacher mich versichert, daß diese Gabe dem ganzen weiblichen Geschlechte versagt sei, und im Kreise meiner Umgebung habe ich diesen Satz ohne Ausnahme bestätigt gefunden. So lange sie dem Grosvater Nicolai die Wirtschaft führte, versäumte sie nicht, alles was ihm angenehm sein konnte anzuschaffen, und das was in ihrem Bereiche sich befand, in der musterhaftesten Ordnung zu halten. Nächst den schon erwähnten grätenreichen Stäkerlingen liebte der Grosvater im Frühjahr besonders die frischen Badischen. So wenig die Kinder eine Vorliebe für das erste Gericht theilten, so sehr erlabten sie sich an dem zweiten, von dem daher eine große Menge verzehrt ward. Wenn das abgeschnittene grüne Kraut auf einen Teller zusammengeworfen war, so sagte jedesmal der Grosvater: Sorgen Sie doch dafür, liebes Jettchen, daß das Grüne aufhoben werde, man kann es als Gemüse kochen lassen. Sie verfehlte niemals zu antworten: Ja wohl, Herr Nicolai, es soll geschehn. Dies hörten wir lange Zeit ziemlich gedankenlos mit an, als aber das gedachte Gemüse gar nicht erscheinen wollte, und der Grosvater auch niemals wieder danach fragte, so erkundigten wir uns außer der Essenszeit bei der Tante. Sie belehrte uns, daß der Abfall von vielen Tagen kaum hinreichen würde, um nur ein mäßiges Schüsselchen zu Stande zu bringen, daß sie aber dem Grosvater nicht widersprechen wolle. Eine glückliche Zeit begann für mich, als Tante Jettchen anfing, meiner Schwester und mir Unterricht in der Nur eins konnte die Tante nicht bewerkstelligen, was mir gerade sehr leicht schien und am besten gelang, ihre Taschenuhr in Ordnung zu halten. Später hat ein alter erfahrener Uhrmacher mich versichert, daß diese Gabe dem ganzen weiblichen Geschlechte versagt sei, und im Kreise meiner Umgebung habe ich diesen Satz ohne Ausnahme bestätigt gefunden. So lange sie dem Grosvater Nicolai die Wirtschaft führte, versäumte sie nicht, alles was ihm angenehm sein konnte anzuschaffen, und das was in ihrem Bereiche sich befand, in der musterhaftesten Ordnung zu halten. Nächst den schon erwähnten grätenreichen Stäkerlingen liebte der Grosvater im Frühjahr besonders die frischen Badischen. So wenig die Kinder eine Vorliebe für das erste Gericht theilten, so sehr erlabten sie sich an dem zweiten, von dem daher eine große Menge verzehrt ward. Wenn das abgeschnittene grüne Kraut auf einen Teller zusammengeworfen war, so sagte jedesmal der Grosvater: Sorgen Sie doch dafür, liebes Jettchen, daß das Grüne aufhoben werde, man kann es als Gemüse kochen lassen. Sie verfehlte niemals zu antworten: Ja wohl, Herr Nicolai, es soll geschehn. Dies hörten wir lange Zeit ziemlich gedankenlos mit an, als aber das gedachte Gemüse gar nicht erscheinen wollte, und der Grosvater auch niemals wieder danach fragte, so erkundigten wir uns außer der Essenszeit bei der Tante. Sie belehrte uns, daß der Abfall von vielen Tagen kaum hinreichen würde, um nur ein mäßiges Schüsselchen zu Stande zu bringen, daß sie aber dem Grosvater nicht widersprechen wolle. Eine glückliche Zeit begann für mich, als Tante Jettchen anfing, meiner Schwester und mir Unterricht in der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p> <pb facs="#f0267" n="255"/> </p><lb/> <p>Nur eins konnte die Tante nicht bewerkstelligen, was mir gerade sehr leicht schien und am besten gelang, ihre Taschenuhr in Ordnung zu halten. Später hat ein alter erfahrener Uhrmacher mich versichert, daß diese Gabe dem ganzen weiblichen Geschlechte versagt sei, und im Kreise meiner Umgebung habe ich diesen Satz ohne Ausnahme bestätigt gefunden. </p><lb/> <p>So lange sie dem Grosvater Nicolai die Wirtschaft führte, versäumte sie nicht, alles was ihm angenehm sein konnte anzuschaffen, und das was in ihrem Bereiche sich befand, in der musterhaftesten Ordnung zu halten. Nächst den schon erwähnten grätenreichen Stäkerlingen liebte der Grosvater im Frühjahr besonders die frischen Badischen. So wenig die Kinder eine Vorliebe für das erste Gericht theilten, so sehr erlabten sie sich an dem zweiten, von dem daher eine große Menge verzehrt ward. Wenn das abgeschnittene grüne Kraut auf einen Teller zusammengeworfen war, so sagte jedesmal der Grosvater: Sorgen Sie doch dafür, liebes Jettchen, daß das Grüne aufhoben werde, man kann es als Gemüse kochen lassen. Sie verfehlte niemals zu antworten: Ja wohl, Herr Nicolai, es soll geschehn. Dies hörten wir lange Zeit ziemlich gedankenlos mit an, als aber das gedachte Gemüse gar nicht erscheinen wollte, und der Grosvater auch niemals wieder danach fragte, so erkundigten wir uns außer der Essenszeit bei der Tante. Sie belehrte uns, daß der Abfall von vielen Tagen kaum hinreichen würde, um nur ein mäßiges Schüsselchen zu Stande zu bringen, daß sie aber dem Grosvater nicht widersprechen wolle. </p><lb/> <p>Eine glückliche Zeit begann für mich, als Tante Jettchen anfing, meiner Schwester und mir Unterricht in der </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [255/0267]
Nur eins konnte die Tante nicht bewerkstelligen, was mir gerade sehr leicht schien und am besten gelang, ihre Taschenuhr in Ordnung zu halten. Später hat ein alter erfahrener Uhrmacher mich versichert, daß diese Gabe dem ganzen weiblichen Geschlechte versagt sei, und im Kreise meiner Umgebung habe ich diesen Satz ohne Ausnahme bestätigt gefunden.
So lange sie dem Grosvater Nicolai die Wirtschaft führte, versäumte sie nicht, alles was ihm angenehm sein konnte anzuschaffen, und das was in ihrem Bereiche sich befand, in der musterhaftesten Ordnung zu halten. Nächst den schon erwähnten grätenreichen Stäkerlingen liebte der Grosvater im Frühjahr besonders die frischen Badischen. So wenig die Kinder eine Vorliebe für das erste Gericht theilten, so sehr erlabten sie sich an dem zweiten, von dem daher eine große Menge verzehrt ward. Wenn das abgeschnittene grüne Kraut auf einen Teller zusammengeworfen war, so sagte jedesmal der Grosvater: Sorgen Sie doch dafür, liebes Jettchen, daß das Grüne aufhoben werde, man kann es als Gemüse kochen lassen. Sie verfehlte niemals zu antworten: Ja wohl, Herr Nicolai, es soll geschehn. Dies hörten wir lange Zeit ziemlich gedankenlos mit an, als aber das gedachte Gemüse gar nicht erscheinen wollte, und der Grosvater auch niemals wieder danach fragte, so erkundigten wir uns außer der Essenszeit bei der Tante. Sie belehrte uns, daß der Abfall von vielen Tagen kaum hinreichen würde, um nur ein mäßiges Schüsselchen zu Stande zu bringen, daß sie aber dem Grosvater nicht widersprechen wolle.
Eine glückliche Zeit begann für mich, als Tante Jettchen anfing, meiner Schwester und mir Unterricht in der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |