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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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er nehme es nur in den Mund, um ihn auszuspülen. Wenn daher neben den Weinflaschen auch mehrere Karawinen Wasser geleert wurden, so pflegte er mit verdrieslichen Blicken zu sagen: Wasser trinken sie wie die Kameele!

Unser schönes Gartenhaus war in baulicher Hinsicht so zweckmäßig eingerichtet, daß mehrere Gäste, ohne sich zu hindern, darin Platz fanden. An den großen Musiksaal in der Mitte schlossen sich auf drei Seiten einzelne Zimmer mit besonderen Eingängen, und helle, weite Mansardstuben gewährten hinreichenden Raum zum Schlafen. Es war uns sehr willkommen, als nach dem Tode des Grosvaters Nicolai einige Stuben dem Grosvater Eichmann und seiner Frau eingeräumt wurden.

Er hatte sich, nach seiner praktischen Art, in jüngeren Jahren auch etwas mit der Gartenkultur beschäftigt; mit großer Freude erinnre ich mich der Tage, wo er mir das Inokuliren, Kopuliren und Pfropfen zeigte, was ich denn alsbald bei der Baumschule in dem kleinen Nebengarten in Anwendung brachte. Da er aber nie selbst einen Garten besessen, so kannte er die vielfachen Ausgaben nicht, die ein solcher, zum Vergnügen angeschaffter Grundbesitz mit sich führt. Wenn mein Vater, der mit der gewissenhaftesten, fast übertriebensten Sorgfalt alle Einnahmen und Ausgaben zu Buche brachte, ihm versicherte, daß der Garten alle Jahre einen namhaften Zuschuß erfordre, so gab der Grosvater nicht undeutlich zu verstehn, daß bei einer besseren Bewirthschaftung, bei einer genaueren Aufsicht des Gärtners, bei einer Veredlung der geringeren Obstsorten etc. wohl noch ein Plus herauskommen müsse. Er berechnete, was eine Fläche von beinahe 5 Morgen nicht alles abwerfen könne; sie enthielt mehrere 100 tragbarer Obstbäume, de-

er nehme es nur in den Mund, um ihn auszuspülen. Wenn daher neben den Weinflaschen auch mehrere Karawinen Wasser geleert wurden, so pflegte er mit verdrieslichen Blicken zu sagen: Wasser trinken sie wie die Kameele!

Unser schönes Gartenhaus war in baulicher Hinsicht so zweckmäßig eingerichtet, daß mehrere Gäste, ohne sich zu hindern, darin Platz fanden. An den großen Musiksaal in der Mitte schlossen sich auf drei Seiten einzelne Zimmer mit besonderen Eingängen, und helle, weite Mansardstuben gewährten hinreichenden Raum zum Schlafen. Es war uns sehr willkommen, als nach dem Tode des Grosvaters Nicolai einige Stuben dem Grosvater Eichmann und seiner Frau eingeräumt wurden.

Er hatte sich, nach seiner praktischen Art, in jüngeren Jahren auch etwas mit der Gartenkultur beschäftigt; mit großer Freude erinnre ich mich der Tage, wo er mir das Inokuliren, Kopuliren und Pfropfen zeigte, was ich denn alsbald bei der Baumschule in dem kleinen Nebengarten in Anwendung brachte. Da er aber nie selbst einen Garten besessen, so kannte er die vielfachen Ausgaben nicht, die ein solcher, zum Vergnügen angeschaffter Grundbesitz mit sich führt. Wenn mein Vater, der mit der gewissenhaftesten, fast übertriebensten Sorgfalt alle Einnahmen und Ausgaben zu Buche brachte, ihm versicherte, daß der Garten alle Jahre einen namhaften Zuschuß erfordre, so gab der Grosvater nicht undeutlich zu verstehn, daß bei einer besseren Bewirthschaftung, bei einer genaueren Aufsicht des Gärtners, bei einer Veredlung der geringeren Obstsorten etc. wohl noch ein Plus herauskommen müsse. Er berechnete, was eine Fläche von beinahe 5 Morgen nicht alles abwerfen könne; sie enthielt mehrere 100 tragbarer Obstbäume, de-

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[239/0251] er nehme es nur in den Mund, um ihn auszuspülen. Wenn daher neben den Weinflaschen auch mehrere Karawinen Wasser geleert wurden, so pflegte er mit verdrieslichen Blicken zu sagen: Wasser trinken sie wie die Kameele! Unser schönes Gartenhaus war in baulicher Hinsicht so zweckmäßig eingerichtet, daß mehrere Gäste, ohne sich zu hindern, darin Platz fanden. An den großen Musiksaal in der Mitte schlossen sich auf drei Seiten einzelne Zimmer mit besonderen Eingängen, und helle, weite Mansardstuben gewährten hinreichenden Raum zum Schlafen. Es war uns sehr willkommen, als nach dem Tode des Grosvaters Nicolai einige Stuben dem Grosvater Eichmann und seiner Frau eingeräumt wurden. Er hatte sich, nach seiner praktischen Art, in jüngeren Jahren auch etwas mit der Gartenkultur beschäftigt; mit großer Freude erinnre ich mich der Tage, wo er mir das Inokuliren, Kopuliren und Pfropfen zeigte, was ich denn alsbald bei der Baumschule in dem kleinen Nebengarten in Anwendung brachte. Da er aber nie selbst einen Garten besessen, so kannte er die vielfachen Ausgaben nicht, die ein solcher, zum Vergnügen angeschaffter Grundbesitz mit sich führt. Wenn mein Vater, der mit der gewissenhaftesten, fast übertriebensten Sorgfalt alle Einnahmen und Ausgaben zu Buche brachte, ihm versicherte, daß der Garten alle Jahre einen namhaften Zuschuß erfordre, so gab der Grosvater nicht undeutlich zu verstehn, daß bei einer besseren Bewirthschaftung, bei einer genaueren Aufsicht des Gärtners, bei einer Veredlung der geringeren Obstsorten etc. wohl noch ein Plus herauskommen müsse. Er berechnete, was eine Fläche von beinahe 5 Morgen nicht alles abwerfen könne; sie enthielt mehrere 100 tragbarer Obstbäume, de-

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/251>, abgerufen am 10.06.2024.