Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Großen Mismuth beim Volke erregte in der letzten Zeit hauptsächlich die königliche Accise, deren vexatorische Bestimmungen noch dazu meistentheils von Franzosen ausgeführt wurden. Um den ewigen Plackereien und Hemmungen zu entgehn, blieb den Kaufleuten fast nichts anderes übrig, als die fremden Beamten zu bestechen, die daher in kurzer Zeit wohlhabende Leute wurden. Der König wußte dies und ließ es geschehn, weil er glaubte, die Einnahmen aus dieser verhaßten Steuer nicht entbehren zu können. Auf einer Inspectionsreise in Schlesien meldete sich bei ihm ein emeritirter Accisebeamter (dessen Namen der Grosvater auch nannte) und bat um eine Unterstützung, weil er von seiner schmalen Pension nicht leben könne. "Dummer Kerl", fuhr ihn der König an, "ich habe ihn ja an die Krippe gebunden, warum hat er denn nicht gefressen?" Er gab ihm indessen ein namhaftes Geschenk aus der rechten Westentasche. Diese rechte Westentasche war allen Bittstellern wohlbekannt, und hatte schon manchem eine willkomne Erleichterung gewährt. Alle Morgen legte der Kammerdiener Fredersdorf auf die Toilette des Königs eine Rolle von 100 Frd'or neben die frischgefüllte Spanioldose. Beim Ankleiden steckte der König die Dose in die linke, die Rolle in die rechte Westentasche. Von beiden verbrauchte er im Laufe des Tages so viel oder so wenig, als eben Lust und Gelegenheit mit sich brachten. Die jährlichen Ueberschüsse von diesen 172,000 Thalem Westentaschengeld wurden zu Privatzwecken, zu neuer Dekorirung der Zimmer, zu Verschönerungen im Garten von Sanssouci u. dergl. verwendet. Von den glücklichen Erfolgen, die der Grosvater Großen Mismuth beim Volke erregte in der letzten Zeit hauptsächlich die königliche Accise, deren vexatorische Bestimmungen noch dazu meistentheils von Franzosen ausgeführt wurden. Um den ewigen Plackereien und Hemmungen zu entgehn, blieb den Kaufleuten fast nichts anderes übrig, als die fremden Beamten zu bestechen, die daher in kurzer Zeit wohlhabende Leute wurden. Der König wußte dies und ließ es geschehn, weil er glaubte, die Einnahmen aus dieser verhaßten Steuer nicht entbehren zu können. Auf einer Inspectionsreise in Schlesien meldete sich bei ihm ein emeritirter Accisebeamter (dessen Namen der Grosvater auch nannte) und bat um eine Unterstützung, weil er von seiner schmalen Pension nicht leben könne. „Dummer Kerl“, fuhr ihn der König an, „ich habe ihn ja an die Krippe gebunden, warum hat er denn nicht gefressen?“ Er gab ihm indessen ein namhaftes Geschenk aus der rechten Westentasche. Diese rechte Westentasche war allen Bittstellern wohlbekannt, und hatte schon manchem eine willkomne Erleichterung gewährt. Alle Morgen legte der Kammerdiener Fredersdorf auf die Toilette des Königs eine Rolle von 100 Frd’or neben die frischgefüllte Spanioldose. Beim Ankleiden steckte der König die Dose in die linke, die Rolle in die rechte Westentasche. Von beiden verbrauchte er im Laufe des Tages so viel oder so wenig, als eben Lust und Gelegenheit mit sich brachten. Die jährlichen Ueberschüsse von diesen 172,000 Thalem Westentaschengeld wurden zu Privatzwecken, zu neuer Dekorirung der Zimmer, zu Verschönerungen im Garten von Sanssouci u. dergl. verwendet. Von den glücklichen Erfolgen, die der Grosvater <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p> <pb facs="#f0228" n="216"/> </p><lb/> <p>Großen Mismuth beim Volke erregte in der letzten Zeit hauptsächlich die königliche Accise, deren vexatorische Bestimmungen noch dazu meistentheils von Franzosen ausgeführt wurden. Um den ewigen Plackereien und Hemmungen zu entgehn, blieb den Kaufleuten fast nichts anderes übrig, als die fremden Beamten zu bestechen, die daher in kurzer Zeit wohlhabende Leute wurden. 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Von beiden verbrauchte er im Laufe des Tages so viel oder so wenig, als eben Lust und Gelegenheit mit sich brachten. Die jährlichen Ueberschüsse von diesen 172,000 Thalem Westentaschengeld wurden zu Privatzwecken, zu neuer Dekorirung der Zimmer, zu Verschönerungen im Garten von Sanssouci u. dergl. verwendet. </p><lb/> <p>Von den glücklichen Erfolgen, die der Grosvater </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [216/0228]
Großen Mismuth beim Volke erregte in der letzten Zeit hauptsächlich die königliche Accise, deren vexatorische Bestimmungen noch dazu meistentheils von Franzosen ausgeführt wurden. Um den ewigen Plackereien und Hemmungen zu entgehn, blieb den Kaufleuten fast nichts anderes übrig, als die fremden Beamten zu bestechen, die daher in kurzer Zeit wohlhabende Leute wurden. Der König wußte dies und ließ es geschehn, weil er glaubte, die Einnahmen aus dieser verhaßten Steuer nicht entbehren zu können.
Auf einer Inspectionsreise in Schlesien meldete sich bei ihm ein emeritirter Accisebeamter (dessen Namen der Grosvater auch nannte) und bat um eine Unterstützung, weil er von seiner schmalen Pension nicht leben könne. „Dummer Kerl“, fuhr ihn der König an, „ich habe ihn ja an die Krippe gebunden, warum hat er denn nicht gefressen?“ Er gab ihm indessen ein namhaftes Geschenk aus der rechten Westentasche. Diese rechte Westentasche war allen Bittstellern wohlbekannt, und hatte schon manchem eine willkomne Erleichterung gewährt. Alle Morgen legte der Kammerdiener Fredersdorf auf die Toilette des Königs eine Rolle von 100 Frd’or neben die frischgefüllte Spanioldose. Beim Ankleiden steckte der König die Dose in die linke, die Rolle in die rechte Westentasche. Von beiden verbrauchte er im Laufe des Tages so viel oder so wenig, als eben Lust und Gelegenheit mit sich brachten. Die jährlichen Ueberschüsse von diesen 172,000 Thalem Westentaschengeld wurden zu Privatzwecken, zu neuer Dekorirung der Zimmer, zu Verschönerungen im Garten von Sanssouci u. dergl. verwendet.
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