Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].ein sehr mittelmäßiges Werkchen mit einer Vorrede von Heinsius angeschafft. Als ich ihn darauf aufmerksam machte, daß es viel bessere Anleitungen gebe, erwiederte er: c'est le nom de Monsieur Heinsius que je paye! Das Fach der Geschichte und Geographie war durch Professor Stein vertreten, den die Schüler wegen seiner Strenge aufs äußerste fürchteten. Ein kleiner behender Mann mit feurig blitzenden Augen und gebogener Nase, gewöhnlich mit einem grauen Uebenocke bekleidet, leitete er den Unterricht mit gewissenhafter Pünktlichkeit, und duldete nicht, daß irgend einer in den geforderten Leistungen zurückblieb. Den sächsischen Dialekt hatte er noch nicht ganz abgelegt, und brauchte bei seinen Geschichtsvorträgen sehr oft die Partikel "dann" mit etwas harter Aussprache. Er hieß daher Professor Tann. Dies wußte er recht gut, und scherzte außerhalb der Schule selbst darüber: "ich weiß tann sehr gut, daß ich Tann heiße!" Seine geographischen Lehr- und Handbücher erfreuten sich der allgemeinsten Verbreitung: er war bemüht, sie durch Ferienreisen mit den neusten Notizen zu bereichern. Die Einrichtung der Schnellposten, durch den Minister v. Nagler für Deutschland ins Leben gerufen, war für Stein von der größten Wichtigkeit, da sie es ihm möglich machte, die Dauer seiner Ausflüge ganz genau abzumessen. Kursbücher gab es noch nicht; aus einzelnen Zeitungsnotizen wußte Stein den Anschluß dieser Fahrten an die französischen und italiänischen Eilwagen festzustellen. Er war hierin unverdrossen und auf der Reise unermüdlich. So wurde es als eine wahre Heldenthat von ihm erzählt, daß er mit genauer Berechnung der Postkurse während der sechswöchentlichen Sommerferien von Berlin bis Neapel ein sehr mittelmäßiges Werkchen mit einer Vorrede von Heinsius angeschafft. Als ich ihn darauf aufmerksam machte, daß es viel bessere Anleitungen gebe, erwiederte er: c’est le nom de Monsieur Heinsius que je paye! Das Fach der Geschichte und Geographie war durch Professor Stein vertreten, den die Schüler wegen seiner Strenge aufs äußerste fürchteten. Ein kleiner behender Mann mit feurig blitzenden Augen und gebogener Nase, gewöhnlich mit einem grauen Uebenocke bekleidet, leitete er den Unterricht mit gewissenhafter Pünktlichkeit, und duldete nicht, daß irgend einer in den geforderten Leistungen zurückblieb. Den sächsischen Dialekt hatte er noch nicht ganz abgelegt, und brauchte bei seinen Geschichtsvorträgen sehr oft die Partikel „dann“ mit etwas harter Aussprache. Er hieß daher Professor Tann. Dies wußte er recht gut, und scherzte außerhalb der Schule selbst darüber: „ich weiß tann sehr gut, daß ich Tann heiße!“ Seine geographischen Lehr- und Handbücher erfreuten sich der allgemeinsten Verbreitung: er war bemüht, sie durch Ferienreisen mit den neusten Notizen zu bereichern. Die Einrichtung der Schnellposten, durch den Minister v. Nagler für Deutschland ins Leben gerufen, war für Stein von der größten Wichtigkeit, da sie es ihm möglich machte, die Dauer seiner Ausflüge ganz genau abzumessen. Kursbücher gab es noch nicht; aus einzelnen Zeitungsnotizen wußte Stein den Anschluß dieser Fahrten an die französischen und italiänischen Eilwagen festzustellen. Er war hierin unverdrossen und auf der Reise unermüdlich. So wurde es als eine wahre Heldenthat von ihm erzählt, daß er mit genauer Berechnung der Postkurse während der sechswöchentlichen Sommerferien von Berlin bis Neapel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0188" n="176"/> ein sehr mittelmäßiges Werkchen mit einer Vorrede von Heinsius angeschafft. Als ich ihn darauf aufmerksam machte, daß es viel bessere Anleitungen gebe, erwiederte er: c’est le nom de Monsieur Heinsius que je paye! </p><lb/> <p>Das Fach der Geschichte und Geographie war durch Professor Stein vertreten, den die Schüler wegen seiner Strenge aufs äußerste fürchteten. 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Kursbücher gab es noch nicht; aus einzelnen Zeitungsnotizen wußte Stein den Anschluß dieser Fahrten an die französischen und italiänischen Eilwagen festzustellen. Er war hierin unverdrossen und auf der Reise unermüdlich. So wurde es als eine wahre Heldenthat von ihm erzählt, daß er mit genauer Berechnung der Postkurse während der sechswöchentlichen Sommerferien von Berlin bis Neapel </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [176/0188]
ein sehr mittelmäßiges Werkchen mit einer Vorrede von Heinsius angeschafft. Als ich ihn darauf aufmerksam machte, daß es viel bessere Anleitungen gebe, erwiederte er: c’est le nom de Monsieur Heinsius que je paye!
Das Fach der Geschichte und Geographie war durch Professor Stein vertreten, den die Schüler wegen seiner Strenge aufs äußerste fürchteten. Ein kleiner behender Mann mit feurig blitzenden Augen und gebogener Nase, gewöhnlich mit einem grauen Uebenocke bekleidet, leitete er den Unterricht mit gewissenhafter Pünktlichkeit, und duldete nicht, daß irgend einer in den geforderten Leistungen zurückblieb. Den sächsischen Dialekt hatte er noch nicht ganz abgelegt, und brauchte bei seinen Geschichtsvorträgen sehr oft die Partikel „dann“ mit etwas harter Aussprache. Er hieß daher Professor Tann. Dies wußte er recht gut, und scherzte außerhalb der Schule selbst darüber: „ich weiß tann sehr gut, daß ich Tann heiße!“
Seine geographischen Lehr- und Handbücher erfreuten sich der allgemeinsten Verbreitung: er war bemüht, sie durch Ferienreisen mit den neusten Notizen zu bereichern. Die Einrichtung der Schnellposten, durch den Minister v. Nagler für Deutschland ins Leben gerufen, war für Stein von der größten Wichtigkeit, da sie es ihm möglich machte, die Dauer seiner Ausflüge ganz genau abzumessen. Kursbücher gab es noch nicht; aus einzelnen Zeitungsnotizen wußte Stein den Anschluß dieser Fahrten an die französischen und italiänischen Eilwagen festzustellen. Er war hierin unverdrossen und auf der Reise unermüdlich. So wurde es als eine wahre Heldenthat von ihm erzählt, daß er mit genauer Berechnung der Postkurse während der sechswöchentlichen Sommerferien von Berlin bis Neapel
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/188>, abgerufen am 26.07.2024. |