Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Blessigs Buch wurde im Nicolaischen Hause in Berlin viel gelesen. Aus den darin abgedruckten Briefen meines Vaters faßte Nicolais älteste Tochter Wilhelmine bereits eine stille Neigung zu ihm, ohne ihn je gesehn zu haben. Als er daher nach mehreren Jahren Berlin besuchte, und durch Göckingk bei Nicolai eingeführt wurde, erschien er kaum als ein Fremder. Nicolai genoß in jener Zeit als Buchhändler und Schriftsteller eines großen Rufes; sein Haus gehörte zu den ersten bürgerlichen Vereinigungspunkten. Er leitete nicht bloß die Liebhaberkonzerte im Korsikaschen Saale, sondern veranstaltete auch bei sich größere Musikaufführungen, in denen das neuste und beste zum Vortrag kam. Mein Vater als bedeutender Klavier- und Flötenvirtuos war ihm sehr willkommen: Es wurde ein eben erschienenes Konzert von Mozart aufgelegt, in welchem mein Vater zwei Flötensoli meisterhaft vom Blatte spielte. Nicolai war so entzückt davon, daß er ihn nach der Aufführung umarmte und küßte. An eine nähere Verbindung wurde aber noch nicht gedacht. Wie konnte mein Vater, als Mann ohne Stand und Vermögen darauf Ansprüche machen, sich um die Tochter eines so reichen und angesehenen Hauses zu bewerben? Doch bei zunehmender gegenseitiger Neigung wurde diese Schwierigkeit endlich beseitigt. Göckingk besaß als Geheimer Ober-Finanzrath einen bedeutenden Einfluß im Ministerium. Durch ihn erhielt mein Vater eine auskömmliche Stelle im General-Finanzdirektorium. Er konnte sich nun in aller Form um die längst geliebte Wilhelmine bewerben. Die Hochzeit ward am 19. Juli 1797 in dem Gartenhause in der Lehmgasse No. 18 gefeiert. Eine Blessigs Buch wurde im Nicolaischen Hause in Berlin viel gelesen. Aus den darin abgedruckten Briefen meines Vaters faßte Nicolais älteste Tochter Wilhelmine bereits eine stille Neigung zu ihm, ohne ihn je gesehn zu haben. Als er daher nach mehreren Jahren Berlin besuchte, und durch Göckingk bei Nicolai eingeführt wurde, erschien er kaum als ein Fremder. Nicolai genoß in jener Zeit als Buchhändler und Schriftsteller eines großen Rufes; sein Haus gehörte zu den ersten bürgerlichen Vereinigungspunkten. Er leitete nicht bloß die Liebhaberkonzerte im Korsikaschen Saale, sondern veranstaltete auch bei sich größere Musikaufführungen, in denen das neuste und beste zum Vortrag kam. Mein Vater als bedeutender Klavier- und Flötenvirtuos war ihm sehr willkommen: Es wurde ein eben erschienenes Konzert von Mozart aufgelegt, in welchem mein Vater zwei Flötensoli meisterhaft vom Blatte spielte. Nicolai war so entzückt davon, daß er ihn nach der Aufführung umarmte und küßte. An eine nähere Verbindung wurde aber noch nicht gedacht. Wie konnte mein Vater, als Mann ohne Stand und Vermögen darauf Ansprüche machen, sich um die Tochter eines so reichen und angesehenen Hauses zu bewerben? Doch bei zunehmender gegenseitiger Neigung wurde diese Schwierigkeit endlich beseitigt. Göckingk besaß als Geheimer Ober-Finanzrath einen bedeutenden Einfluß im Ministerium. Durch ihn erhielt mein Vater eine auskömmliche Stelle im General-Finanzdirektorium. Er konnte sich nun in aller Form um die längst geliebte Wilhelmine bewerben. Die Hochzeit ward am 19. Juli 1797 in dem Gartenhause in der Lehmgasse No. 18 gefeiert. Eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0016" n="4"/> </p><lb/> <p>Blessigs Buch wurde im Nicolaischen Hause in Berlin viel gelesen. Aus den darin abgedruckten Briefen meines Vaters faßte Nicolais älteste Tochter Wilhelmine bereits eine stille Neigung zu ihm, ohne ihn je gesehn zu haben. 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Blessigs Buch wurde im Nicolaischen Hause in Berlin viel gelesen. Aus den darin abgedruckten Briefen meines Vaters faßte Nicolais älteste Tochter Wilhelmine bereits eine stille Neigung zu ihm, ohne ihn je gesehn zu haben. Als er daher nach mehreren Jahren Berlin besuchte, und durch Göckingk bei Nicolai eingeführt wurde, erschien er kaum als ein Fremder.
Nicolai genoß in jener Zeit als Buchhändler und Schriftsteller eines großen Rufes; sein Haus gehörte zu den ersten bürgerlichen Vereinigungspunkten. Er leitete nicht bloß die Liebhaberkonzerte im Korsikaschen Saale, sondern veranstaltete auch bei sich größere Musikaufführungen, in denen das neuste und beste zum Vortrag kam. Mein Vater als bedeutender Klavier- und Flötenvirtuos war ihm sehr willkommen: Es wurde ein eben erschienenes Konzert von Mozart aufgelegt, in welchem mein Vater zwei Flötensoli meisterhaft vom Blatte spielte. Nicolai war so entzückt davon, daß er ihn nach der Aufführung umarmte und küßte. An eine nähere Verbindung wurde aber noch nicht gedacht. Wie konnte mein Vater, als Mann ohne Stand und Vermögen darauf Ansprüche machen, sich um die Tochter eines so reichen und angesehenen Hauses zu bewerben?
Doch bei zunehmender gegenseitiger Neigung wurde diese Schwierigkeit endlich beseitigt. Göckingk besaß als Geheimer Ober-Finanzrath einen bedeutenden Einfluß im Ministerium. Durch ihn erhielt mein Vater eine auskömmliche Stelle im General-Finanzdirektorium. Er konnte sich nun in aller Form um die längst geliebte Wilhelmine bewerben. Die Hochzeit ward am 19. Juli 1797 in dem Gartenhause in der Lehmgasse No. 18 gefeiert. Eine
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/16>, abgerufen am 16.02.2025. |