Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].zur Musik zu befriedigen. Als er das väterliche Haus verließ, gab ihm sein Vater folgenden Spruch mit in die Welt: wo die Leute essen und guter Dinge sind, da sollt du hinzugehn, wo sie Geld zählen und sich zanken, da sollt du hinweggehn. Mein Vater kam nach Leipzig, wo er schon früher während der Messen einige Bekantschaften angeknüpft. Er ernährte sich einige Zeit vom Notenschreiben und Stundengeben, lernte für sich französisch und italiänisch und suchte sich sonst auszubilden. Der Kapellmeister Hiller wurde auf sein nicht gewöhnliches musikalisches Talent aufmerksam, und empfahl ihn im Jahre 1774 als Musik- und Hauslehrer an den Grafen von Medem in Kurland. Eine Reise von Leipzig nach Mitau war damals ein weit größeres Wagstück als jetzt etwa eine Weltumsegelung. Die Briefe meines Vaters an seine Verwandten, welche zum Theil noch vorhanden sind, geben davon ein deutliches Zeugniß. Im Hause des Grafen von Medem fand mein Vater die freundlichste Aufnahme und wurde bald der Liebling der ganzen Familie. Die älteste Tochter Charlotte, an den Freiherrn von der Recke nicht glücklich verheirathet, galt für die schönste Frau ihrer Umgebung. Sie vertauschte später, als sie nach Deutschland ging, den Namen Charlotte mit dem mehr poetischen Elisa. Sie hat sich durch die Enthüllungen über Cagliostro, durch die Italiänische Reise und andre Schriften einen ehrenvollen Platz in der deutschen Litteratur erworben. Mein Vater schloß damals mit ihr eine bis an sein Lebensende dauernde Freundschaft. Dorothea, die jüngere Tochter des Grafen von Medem, deren Unterricht mein Vater hauptsächlich zu leiten hatte, zur Musik zu befriedigen. Als er das väterliche Haus verließ, gab ihm sein Vater folgenden Spruch mit in die Welt: wo die Leute essen und guter Dinge sind, da sollt du hinzugehn, wo sie Geld zählen und sich zanken, da sollt du hinweggehn. Mein Vater kam nach Leipzig, wo er schon früher während der Messen einige Bekantschaften angeknüpft. Er ernährte sich einige Zeit vom Notenschreiben und Stundengeben, lernte für sich französisch und italiänisch und suchte sich sonst auszubilden. Der Kapellmeister Hiller wurde auf sein nicht gewöhnliches musikalisches Talent aufmerksam, und empfahl ihn im Jahre 1774 als Musik- und Hauslehrer an den Grafen von Medem in Kurland. Eine Reise von Leipzig nach Mitau war damals ein weit größeres Wagstück als jetzt etwa eine Weltumsegelung. Die Briefe meines Vaters an seine Verwandten, welche zum Theil noch vorhanden sind, geben davon ein deutliches Zeugniß. Im Hause des Grafen von Medem fand mein Vater die freundlichste Aufnahme und wurde bald der Liebling der ganzen Familie. Die älteste Tochter Charlotte, an den Freiherrn von der Recke nicht glücklich verheirathet, galt für die schönste Frau ihrer Umgebung. Sie vertauschte später, als sie nach Deutschland ging, den Namen Charlotte mit dem mehr poetischen Elisa. Sie hat sich durch die Enthüllungen über Cagliostro, durch die Italiänische Reise und andre Schriften einen ehrenvollen Platz in der deutschen Litteratur erworben. Mein Vater schloß damals mit ihr eine bis an sein Lebensende dauernde Freundschaft. Dorothea, die jüngere Tochter des Grafen von Medem, deren Unterricht mein Vater hauptsächlich zu leiten hatte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="2"/> zur Musik zu befriedigen. Als er das väterliche Haus verließ, gab ihm sein Vater folgenden Spruch mit in die Welt: wo die Leute essen und guter Dinge sind, da sollt du hinzugehn, wo sie Geld zählen und sich zanken, da sollt du hinweggehn. </p><lb/> <p>Mein Vater kam nach Leipzig, wo er schon früher während der Messen einige Bekantschaften angeknüpft. 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Sie hat sich durch die Enthüllungen über Cagliostro, durch die Italiänische Reise und andre Schriften einen ehrenvollen Platz in der deutschen Litteratur erworben. Mein Vater schloß damals mit ihr eine bis an sein Lebensende dauernde Freundschaft. </p><lb/> <p>Dorothea, die jüngere Tochter des Grafen von Medem, deren Unterricht mein Vater hauptsächlich zu leiten hatte, </p> </div> </body> </text> </TEI> [2/0014]
zur Musik zu befriedigen. Als er das väterliche Haus verließ, gab ihm sein Vater folgenden Spruch mit in die Welt: wo die Leute essen und guter Dinge sind, da sollt du hinzugehn, wo sie Geld zählen und sich zanken, da sollt du hinweggehn.
Mein Vater kam nach Leipzig, wo er schon früher während der Messen einige Bekantschaften angeknüpft. Er ernährte sich einige Zeit vom Notenschreiben und Stundengeben, lernte für sich französisch und italiänisch und suchte sich sonst auszubilden. Der Kapellmeister Hiller wurde auf sein nicht gewöhnliches musikalisches Talent aufmerksam, und empfahl ihn im Jahre 1774 als Musik- und Hauslehrer an den Grafen von Medem in Kurland. Eine Reise von Leipzig nach Mitau war damals ein weit größeres Wagstück als jetzt etwa eine Weltumsegelung. Die Briefe meines Vaters an seine Verwandten, welche zum Theil noch vorhanden sind, geben davon ein deutliches Zeugniß.
Im Hause des Grafen von Medem fand mein Vater die freundlichste Aufnahme und wurde bald der Liebling der ganzen Familie. Die älteste Tochter Charlotte, an den Freiherrn von der Recke nicht glücklich verheirathet, galt für die schönste Frau ihrer Umgebung. Sie vertauschte später, als sie nach Deutschland ging, den Namen Charlotte mit dem mehr poetischen Elisa. Sie hat sich durch die Enthüllungen über Cagliostro, durch die Italiänische Reise und andre Schriften einen ehrenvollen Platz in der deutschen Litteratur erworben. Mein Vater schloß damals mit ihr eine bis an sein Lebensende dauernde Freundschaft.
Dorothea, die jüngere Tochter des Grafen von Medem, deren Unterricht mein Vater hauptsächlich zu leiten hatte,
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/14>, abgerufen am 16.02.2025. |