Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Schiff war leck geworden, und die Tabacksfässer hatten im Seewasser gelegen. Niemand wollte darauf bieten, weil man die Waare für gänzlich verdorben hielt. Nathusius aber machte die richtige Ueberlegung, daß das Seewasser ein festgepacktes Faß unmöglich ganz und gar durchdringen könne. Er ging nach Hamburg, erstand den Vorrath für einen Spottpreis, ließ die Fässer aufschlagen, und fand, daß das Wasser meist nur wenige Zolle tief eingedrungen, der Rest aber unversehrt geblieben sei. "Damit machte er", sagte der Grosvater "seine ersten 10,000 Rthlr; doch hat er dieser Ziffer nach und nach zwei Nullen hinzuzufügen gewußt." Eine andre interessante Persönlichkeit, die ich bei dem Grosvater kennen gelernt, war der Mechaniker Kleinsteuber. Auch er hatte sehr gering angefangen, hatte aus dem Fabrikdepartement Unterstützung erhalten, und nach und nach einen bedeutenden Ruf erworben. Er erfand für die Berliner Münze eine Prägemaschine von solcher Trefflichkeit, daß er von der englischen Regierung aufgefordert wurde, eine ähnliche für das Londoner Münzamt zu bauen. Da man aus der neuen Erfindung kein Geheimniß machte, so folgte Kleinsteuber mit Bewilligung der preußischen Regierung jener ehrenvollen Aufforderung, und blieb mehrere Jahre unter sehr günstigen Bedingungen in London. Beim Bau der dortigen Maschine hatte er mehrere wesentliche Verbesserungen ersonnen, die nun auch in Berlin ausgeführt wurden. An des Grosvaters Tische saß er sehr still und in sich gekehrt, als ob er über ein schwieriges mechanisches Problem nachdenke. Ein großes Fest war es für uns als wir kurz darauf in Gesellschaft des Grosvaters die Schiff war leck geworden, und die Tabacksfässer hatten im Seewasser gelegen. Niemand wollte darauf bieten, weil man die Waare für gänzlich verdorben hielt. Nathusius aber machte die richtige Ueberlegung, daß das Seewasser ein festgepacktes Faß unmöglich ganz und gar durchdringen könne. Er ging nach Hamburg, erstand den Vorrath für einen Spottpreis, ließ die Fässer aufschlagen, und fand, daß das Wasser meist nur wenige Zolle tief eingedrungen, der Rest aber unversehrt geblieben sei. „Damit machte er“, sagte der Grosvater „seine ersten 10,000 Rthlr; doch hat er dieser Ziffer nach und nach zwei Nullen hinzuzufügen gewußt.“ Eine andre interessante Persönlichkeit, die ich bei dem Grosvater kennen gelernt, war der Mechaniker Kleinsteuber. Auch er hatte sehr gering angefangen, hatte aus dem Fabrikdepartement Unterstützung erhalten, und nach und nach einen bedeutenden Ruf erworben. Er erfand für die Berliner Münze eine Prägemaschine von solcher Trefflichkeit, daß er von der englischen Regierung aufgefordert wurde, eine ähnliche für das Londoner Münzamt zu bauen. Da man aus der neuen Erfindung kein Geheimniß machte, so folgte Kleinsteuber mit Bewilligung der preußischen Regierung jener ehrenvollen Aufforderung, und blieb mehrere Jahre unter sehr günstigen Bedingungen in London. Beim Bau der dortigen Maschine hatte er mehrere wesentliche Verbesserungen ersonnen, die nun auch in Berlin ausgeführt wurden. An des Grosvaters Tische saß er sehr still und in sich gekehrt, als ob er über ein schwieriges mechanisches Problem nachdenke. Ein großes Fest war es für uns als wir kurz darauf in Gesellschaft des Grosvaters die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0233" n="221"/> Schiff war leck geworden, und die Tabacksfässer hatten im Seewasser gelegen. Niemand wollte darauf bieten, weil man die Waare für gänzlich verdorben hielt. Nathusius aber machte die richtige Ueberlegung, daß das Seewasser ein festgepacktes Faß unmöglich ganz und gar durchdringen könne. Er ging nach Hamburg, erstand den Vorrath für einen Spottpreis, ließ die Fässer aufschlagen, und fand, daß das Wasser meist nur wenige Zolle tief eingedrungen, der Rest aber unversehrt geblieben sei. „Damit machte er“, sagte der Grosvater „seine ersten 10,000 Rthlr; doch hat er dieser Ziffer nach und nach zwei Nullen hinzuzufügen gewußt.“</p><lb/> <p>Eine andre interessante Persönlichkeit, die ich bei dem Grosvater kennen gelernt, war der Mechaniker Kleinsteuber. Auch er hatte sehr gering angefangen, hatte aus dem Fabrikdepartement Unterstützung erhalten, und nach und nach einen bedeutenden Ruf erworben. Er erfand für die Berliner Münze eine Prägemaschine von solcher Trefflichkeit, daß er von der englischen Regierung aufgefordert wurde, eine ähnliche für das Londoner Münzamt zu bauen. Da man aus der neuen Erfindung kein Geheimniß machte, so folgte Kleinsteuber mit Bewilligung der preußischen Regierung jener ehrenvollen Aufforderung, und blieb mehrere Jahre unter sehr günstigen Bedingungen in London. Beim Bau der dortigen Maschine hatte er mehrere wesentliche Verbesserungen ersonnen, die nun auch in Berlin ausgeführt wurden. </p><lb/> <p>An des Grosvaters Tische saß er sehr still und in sich gekehrt, als ob er über ein schwieriges mechanisches Problem nachdenke. Ein großes Fest war es für uns als wir kurz darauf in Gesellschaft des Grosvaters die </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0233]
Schiff war leck geworden, und die Tabacksfässer hatten im Seewasser gelegen. Niemand wollte darauf bieten, weil man die Waare für gänzlich verdorben hielt. Nathusius aber machte die richtige Ueberlegung, daß das Seewasser ein festgepacktes Faß unmöglich ganz und gar durchdringen könne. Er ging nach Hamburg, erstand den Vorrath für einen Spottpreis, ließ die Fässer aufschlagen, und fand, daß das Wasser meist nur wenige Zolle tief eingedrungen, der Rest aber unversehrt geblieben sei. „Damit machte er“, sagte der Grosvater „seine ersten 10,000 Rthlr; doch hat er dieser Ziffer nach und nach zwei Nullen hinzuzufügen gewußt.“
Eine andre interessante Persönlichkeit, die ich bei dem Grosvater kennen gelernt, war der Mechaniker Kleinsteuber. Auch er hatte sehr gering angefangen, hatte aus dem Fabrikdepartement Unterstützung erhalten, und nach und nach einen bedeutenden Ruf erworben. Er erfand für die Berliner Münze eine Prägemaschine von solcher Trefflichkeit, daß er von der englischen Regierung aufgefordert wurde, eine ähnliche für das Londoner Münzamt zu bauen. Da man aus der neuen Erfindung kein Geheimniß machte, so folgte Kleinsteuber mit Bewilligung der preußischen Regierung jener ehrenvollen Aufforderung, und blieb mehrere Jahre unter sehr günstigen Bedingungen in London. Beim Bau der dortigen Maschine hatte er mehrere wesentliche Verbesserungen ersonnen, die nun auch in Berlin ausgeführt wurden.
An des Grosvaters Tische saß er sehr still und in sich gekehrt, als ob er über ein schwieriges mechanisches Problem nachdenke. Ein großes Fest war es für uns als wir kurz darauf in Gesellschaft des Grosvaters die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/233 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/233>, abgerufen am 01.03.2025. |