Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Herz, aber er verlor nie den Muth. Mehr als einmal habe ich ihn sagen hören: wir werden es ihnen schon wieder eintränken! Dies Gefühl der tiefsten Entrüstung über die brennende Schmach ging durch alle Stände, und war nöthig, damit das Volk sich i. J. 1818 wie ein Mann erhöbe. Mit Vergnügen denke ich daran, daß ich an des Grosvaters Tische einmal mit dem berühmten Fabrikanten Nathusius auf Neu-Haldensleben zusammengewesen. Ein kleiner blasser Mann mit prominenter gebogener Nase, aus dessen hellen Augen der klare Verstand hervorleuchtete. Wegen seiner vielen industriellen Unternehmungen war er mit dem Grosvater in mannigfacher Verbindung gewesen; "aber dem brauchte ich nicht auf die Beine zu helfen", sagte uns Eichmann nachher, "der lernte von selbst laufen!" Das Tischgespräch drehte sich um weit rückwärts liegende Geschäfte und Persönlichkeiten. Eichmann erinnerte mit einigem Selbstgefühl an manche Unternehmung, wo er auch mit eingegriffen, und verfiel nach seiner derben westphälischen Art zuweilen in ein vertrauliches "Ihr". Nathusius ging mit der liebenswürdigsten Feinheit auf alles ein; er sprach wenig mit schwacher Stimme und zeigte durchaus die würdige Haltung eines überlegenen Geistes. Der Grosvater war sichtlich erfreut über diesen lieben Besuch, und erzählte uns nachher viel von den großartigen Anlagen in Neu-Haldensleben, die er vor Jahren einmal besucht hatte. Eine der ersten glücklichen Unternehmungen von Nathusius ist mir erinnerlich geblieben. Er stand noch ganz am Anfange seiner kaufmännischen Laufbahn, als er erfuhr, daß in Hamburg eine große Quantität des besten westindischen Tabackes zur Auction kommen solle. Das Herz, aber er verlor nie den Muth. Mehr als einmal habe ich ihn sagen hören: wir werden es ihnen schon wieder eintränken! Dies Gefühl der tiefsten Entrüstung über die brennende Schmach ging durch alle Stände, und war nöthig, damit das Volk sich i. J. 1818 wie ein Mann erhöbe. Mit Vergnügen denke ich daran, daß ich an des Grosvaters Tische einmal mit dem berühmten Fabrikanten Nathusius auf Neu-Haldensleben zusammengewesen. Ein kleiner blasser Mann mit prominenter gebogener Nase, aus dessen hellen Augen der klare Verstand hervorleuchtete. Wegen seiner vielen industriellen Unternehmungen war er mit dem Grosvater in mannigfacher Verbindung gewesen; „aber dem brauchte ich nicht auf die Beine zu helfen“, sagte uns Eichmann nachher, „der lernte von selbst laufen!“ Das Tischgespräch drehte sich um weit rückwärts liegende Geschäfte und Persönlichkeiten. Eichmann erinnerte mit einigem Selbstgefühl an manche Unternehmung, wo er auch mit eingegriffen, und verfiel nach seiner derben westphälischen Art zuweilen in ein vertrauliches „Ihr“. Nathusius ging mit der liebenswürdigsten Feinheit auf alles ein; er sprach wenig mit schwacher Stimme und zeigte durchaus die würdige Haltung eines überlegenen Geistes. Der Grosvater war sichtlich erfreut über diesen lieben Besuch, und erzählte uns nachher viel von den großartigen Anlagen in Neu-Haldensleben, die er vor Jahren einmal besucht hatte. Eine der ersten glücklichen Unternehmungen von Nathusius ist mir erinnerlich geblieben. Er stand noch ganz am Anfange seiner kaufmännischen Laufbahn, als er erfuhr, daß in Hamburg eine große Quantität des besten westindischen Tabackes zur Auction kommen solle. Das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0232" n="220"/> Herz, aber er verlor nie den Muth. Mehr als einmal habe ich ihn sagen hören: wir werden es ihnen schon wieder eintränken! Dies Gefühl der tiefsten Entrüstung über die brennende Schmach ging durch alle Stände, und war nöthig, damit das Volk sich i. J. 1818 wie ein Mann erhöbe. </p><lb/> <p>Mit Vergnügen denke ich daran, daß ich an des Grosvaters Tische einmal mit dem berühmten Fabrikanten Nathusius auf Neu-Haldensleben zusammengewesen. Ein kleiner blasser Mann mit prominenter gebogener Nase, aus dessen hellen Augen der klare Verstand hervorleuchtete. Wegen seiner vielen industriellen Unternehmungen war er mit dem Grosvater in mannigfacher Verbindung gewesen; „aber dem brauchte ich nicht auf die Beine zu helfen“, sagte uns Eichmann nachher, „der lernte von selbst laufen!“ Das Tischgespräch drehte sich um weit rückwärts liegende Geschäfte und Persönlichkeiten. Eichmann erinnerte mit einigem Selbstgefühl an manche Unternehmung, wo er auch mit eingegriffen, und verfiel nach seiner derben westphälischen Art zuweilen in ein vertrauliches „Ihr“. Nathusius ging mit der liebenswürdigsten Feinheit auf alles ein; er sprach wenig mit schwacher Stimme und zeigte durchaus die würdige Haltung eines überlegenen Geistes. Der Grosvater war sichtlich erfreut über diesen lieben Besuch, und erzählte uns nachher viel von den großartigen Anlagen in Neu-Haldensleben, die er vor Jahren einmal besucht hatte. Eine der ersten glücklichen Unternehmungen von Nathusius ist mir erinnerlich geblieben. Er stand noch ganz am Anfange seiner kaufmännischen Laufbahn, als er erfuhr, daß in Hamburg eine große Quantität des besten westindischen Tabackes zur Auction kommen solle. Das </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [220/0232]
Herz, aber er verlor nie den Muth. Mehr als einmal habe ich ihn sagen hören: wir werden es ihnen schon wieder eintränken! Dies Gefühl der tiefsten Entrüstung über die brennende Schmach ging durch alle Stände, und war nöthig, damit das Volk sich i. J. 1818 wie ein Mann erhöbe.
Mit Vergnügen denke ich daran, daß ich an des Grosvaters Tische einmal mit dem berühmten Fabrikanten Nathusius auf Neu-Haldensleben zusammengewesen. Ein kleiner blasser Mann mit prominenter gebogener Nase, aus dessen hellen Augen der klare Verstand hervorleuchtete. Wegen seiner vielen industriellen Unternehmungen war er mit dem Grosvater in mannigfacher Verbindung gewesen; „aber dem brauchte ich nicht auf die Beine zu helfen“, sagte uns Eichmann nachher, „der lernte von selbst laufen!“ Das Tischgespräch drehte sich um weit rückwärts liegende Geschäfte und Persönlichkeiten. Eichmann erinnerte mit einigem Selbstgefühl an manche Unternehmung, wo er auch mit eingegriffen, und verfiel nach seiner derben westphälischen Art zuweilen in ein vertrauliches „Ihr“. Nathusius ging mit der liebenswürdigsten Feinheit auf alles ein; er sprach wenig mit schwacher Stimme und zeigte durchaus die würdige Haltung eines überlegenen Geistes. Der Grosvater war sichtlich erfreut über diesen lieben Besuch, und erzählte uns nachher viel von den großartigen Anlagen in Neu-Haldensleben, die er vor Jahren einmal besucht hatte. Eine der ersten glücklichen Unternehmungen von Nathusius ist mir erinnerlich geblieben. Er stand noch ganz am Anfange seiner kaufmännischen Laufbahn, als er erfuhr, daß in Hamburg eine große Quantität des besten westindischen Tabackes zur Auction kommen solle. Das
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/232>, abgerufen am 01.03.2025. |