Pappenheim, Bertha u. a.: Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien. Reise-Eindrücke und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse. Frankfurt (Main), 1904.Landes, wohin sie emigrieren sollen, vertraut gemacht und in irgend einem Gewerbe unterrichtet werden. Vielfach könnten diese Schulen durch Emigrationsvereine ersetzt werden, wo den ins Ausland reisenden Mädchen Stellenvermittlung und Gelegenheit zur Vorbereitung für diese Stellung geboten wird. Man darf sich nicht verhehlen, daß bei dem Mädchenhandel ein Faktor mitspielt, der von keiner Wohlfahrtseinrichtung reguliert werden kann: nämlich, die allgemeine Unsittlichkeit der Männer. Solange die meisten Männer in der Frau nur eine Sache sehen, die ihre geschlechtlichen Bedürfnisse zu befriedigen hat, werden die Bordelle fortwährend mit verführten Mädchen versorgt werden. Wenn man es sich auch versagen muß, nach dieser Richtung in der unmittelbaren Zukunft zu helfen, muß man jedoch im Auge behalten, daß der Hauptgrund des Mädchenhandels in der allgemeinen Unsittlichkeit der Männer liegt. Ich schließe mit der Hoffnung, daß sich Menschen und Vereine finden werden, die der Verbesserung der Lage der galizischen Juden mit allem Aufwand von Kraft und Energie beisteuern werden. St. Petersburg, 3. September 1903 Dr. Sara Rabinowitsch Landes, wohin sie emigrieren sollen, vertraut gemacht und in irgend einem Gewerbe unterrichtet werden. Vielfach könnten diese Schulen durch Emigrationsvereine ersetzt werden, wo den ins Ausland reisenden Mädchen Stellenvermittlung und Gelegenheit zur Vorbereitung für diese Stellung geboten wird. Man darf sich nicht verhehlen, daß bei dem Mädchenhandel ein Faktor mitspielt, der von keiner Wohlfahrtseinrichtung reguliert werden kann: nämlich, die allgemeine Unsittlichkeit der Männer. Solange die meisten Männer in der Frau nur eine Sache sehen, die ihre geschlechtlichen Bedürfnisse zu befriedigen hat, werden die Bordelle fortwährend mit verführten Mädchen versorgt werden. Wenn man es sich auch versagen muß, nach dieser Richtung in der unmittelbaren Zukunft zu helfen, muß man jedoch im Auge behalten, daß der Hauptgrund des Mädchenhandels in der allgemeinen Unsittlichkeit der Männer liegt. Ich schließe mit der Hoffnung, daß sich Menschen und Vereine finden werden, die der Verbesserung der Lage der galizischen Juden mit allem Aufwand von Kraft und Energie beisteuern werden. St. Petersburg, 3. September 1903 Dr. Sara Rabinowitsch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0097" n="97"/> Landes, wohin sie emigrieren sollen, vertraut gemacht und in irgend einem Gewerbe unterrichtet werden. Vielfach könnten diese Schulen durch Emigrationsvereine ersetzt werden, wo den ins Ausland reisenden Mädchen Stellenvermittlung und Gelegenheit zur Vorbereitung für diese Stellung geboten wird.</p> <p>Man darf sich nicht verhehlen, daß bei dem Mädchenhandel ein Faktor mitspielt, der von keiner Wohlfahrtseinrichtung reguliert werden kann: nämlich, die allgemeine Unsittlichkeit der Männer.</p> <p>Solange die meisten Männer in der Frau nur eine Sache sehen, die ihre geschlechtlichen Bedürfnisse zu befriedigen hat, werden die Bordelle fortwährend mit verführten Mädchen versorgt werden.</p> <p>Wenn man es sich auch versagen muß, nach dieser Richtung in der unmittelbaren Zukunft zu helfen, muß man jedoch im Auge behalten, daß der Hauptgrund des Mädchenhandels in der allgemeinen Unsittlichkeit der Männer liegt.</p> <p>Ich schließe mit der Hoffnung, daß sich Menschen und Vereine finden werden, die der Verbesserung der Lage der galizischen Juden mit allem Aufwand von Kraft und Energie beisteuern werden.</p> <space dim="vertical"/> <p>St. Petersburg, 3. September 1903</p> <p rendition="#right"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Dr.</hi> Sara Rabinowitsch</hi> </p> </div> </body> </text> </TEI> [97/0097]
Landes, wohin sie emigrieren sollen, vertraut gemacht und in irgend einem Gewerbe unterrichtet werden. Vielfach könnten diese Schulen durch Emigrationsvereine ersetzt werden, wo den ins Ausland reisenden Mädchen Stellenvermittlung und Gelegenheit zur Vorbereitung für diese Stellung geboten wird.
Man darf sich nicht verhehlen, daß bei dem Mädchenhandel ein Faktor mitspielt, der von keiner Wohlfahrtseinrichtung reguliert werden kann: nämlich, die allgemeine Unsittlichkeit der Männer.
Solange die meisten Männer in der Frau nur eine Sache sehen, die ihre geschlechtlichen Bedürfnisse zu befriedigen hat, werden die Bordelle fortwährend mit verführten Mädchen versorgt werden.
Wenn man es sich auch versagen muß, nach dieser Richtung in der unmittelbaren Zukunft zu helfen, muß man jedoch im Auge behalten, daß der Hauptgrund des Mädchenhandels in der allgemeinen Unsittlichkeit der Männer liegt.
Ich schließe mit der Hoffnung, daß sich Menschen und Vereine finden werden, die der Verbesserung der Lage der galizischen Juden mit allem Aufwand von Kraft und Energie beisteuern werden.
St. Petersburg, 3. September 1903
Dr. Sara Rabinowitsch
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