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Pappenheim, Bertha u. a.: Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien. Reise-Eindrücke und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse. Frankfurt (Main), 1904.

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heftig erfaßte, nur soviel Wärme übrig geblieben ist, um bei denen, die in geistigem Wohlstand und in angeborenen und anerzogenen Sittlichkeitsbegriffen leben, den Eifer zu notwendigen und, wie ich sicher glaube, aussichtsreichen Taten zu erwecken. Ich denke, daß ich meine Absicht, klar und übersichtlich zu bleiben, dann am sichersten erreiche, wenn ich meinen Stoff in der Weise gliedere, daß ich erst mitteile, was wir vorfanden und beobachteten und, daran anschließend, meine Vorschläge entwickle.

Vor allem muß ich mich aber dagegen verwahren, nach nur fünfwöchentlichem Aufenthalt in Galizien für eine Kennerin des Landes gelten zu wollen.

Meine österreichische Landsmannschaft, meine orthodox jüdische Erziehung, und nicht zuletzt mein Beruf, der mich auf eine zehnjährige Tätigkeit in der Armenpflege blicken läßt, waren für mich selbst gewissermaßen die Entschuldigung, mich zu einer Reise, die, wie ich hoffe, nicht ohne praktische Ergebnisse bleiben wird, anzubieten.

Denn nicht alles, was dem Nichtösterreicher, und nicht orthodox erzogenen Juden in Galizien fremd oder befremdlich erscheint, kann einfach auf die Liste dessen gesetzt werden, was mit dem westeuropäischen Kulturhobel geglättet werden soll.

Man wird sich sehr davor hüten müssen, Dinge zu verlangen, die der Individualität des Landes, das in seiner Mischung von deutsch-österreichischen, polnischen und jüdischen Elementen einen sehr bestimmten Charakter hat, allzusehr widersprechen.

Neue Anforderungen können und sollen nur da gestellt werden, wo es sich um eine Verkümmerung oder Unkenntnis allgemeiner, für alle Völker gleich unerläßlicher Kulturfaktoren handelt.

Um nach jeder Richtung hin fein unterscheiden zu können, um Land und Leute gründlich kennen zu lernen, müßte man allerdings jahrelang dort gelebt haben. Dagegen ist aber zu erwägen, daß, wer jahrelang in einem Lande lebt, sich in die Sitten und Gebräuche eines Volkes einlebt, damit auch leicht die Fähigkeit unmittelbarer Beobachtung und Beurteilung verlieren kann, und was an Tiefe gewonnen wird, geht an Schärfe verloren.

Unserem besonderen Reisezweck gegenüber gibt es Dinge, die nur der Konstatierung und keiner besonderen subtilen Forschung bedürfen, Beobachtungen von Einzelheiten, die Schlüsse auf das

heftig erfaßte, nur soviel Wärme übrig geblieben ist, um bei denen, die in geistigem Wohlstand und in angeborenen und anerzogenen Sittlichkeitsbegriffen leben, den Eifer zu notwendigen und, wie ich sicher glaube, aussichtsreichen Taten zu erwecken. Ich denke, daß ich meine Absicht, klar und übersichtlich zu bleiben, dann am sichersten erreiche, wenn ich meinen Stoff in der Weise gliedere, daß ich erst mitteile, was wir vorfanden und beobachteten und, daran anschließend, meine Vorschläge entwickle.

Vor allem muß ich mich aber dagegen verwahren, nach nur fünfwöchentlichem Aufenthalt in Galizien für eine Kennerin des Landes gelten zu wollen.

Meine österreichische Landsmannschaft, meine orthodox jüdische Erziehung, und nicht zuletzt mein Beruf, der mich auf eine zehnjährige Tätigkeit in der Armenpflege blicken läßt, waren für mich selbst gewissermaßen die Entschuldigung, mich zu einer Reise, die, wie ich hoffe, nicht ohne praktische Ergebnisse bleiben wird, anzubieten.

Denn nicht alles, was dem Nichtösterreicher, und nicht orthodox erzogenen Juden in Galizien fremd oder befremdlich erscheint, kann einfach auf die Liste dessen gesetzt werden, was mit dem westeuropäischen Kulturhobel geglättet werden soll.

Man wird sich sehr davor hüten müssen, Dinge zu verlangen, die der Individualität des Landes, das in seiner Mischung von deutsch-österreichischen, polnischen und jüdischen Elementen einen sehr bestimmten Charakter hat, allzusehr widersprechen.

Neue Anforderungen können und sollen nur da gestellt werden, wo es sich um eine Verkümmerung oder Unkenntnis allgemeiner, für alle Völker gleich unerläßlicher Kulturfaktoren handelt.

Um nach jeder Richtung hin fein unterscheiden zu können, um Land und Leute gründlich kennen zu lernen, müßte man allerdings jahrelang dort gelebt haben. Dagegen ist aber zu erwägen, daß, wer jahrelang in einem Lande lebt, sich in die Sitten und Gebräuche eines Volkes einlebt, damit auch leicht die Fähigkeit unmittelbarer Beobachtung und Beurteilung verlieren kann, und was an Tiefe gewonnen wird, geht an Schärfe verloren.

Unserem besonderen Reisezweck gegenüber gibt es Dinge, die nur der Konstatierung und keiner besonderen subtilen Forschung bedürfen, Beobachtungen von Einzelheiten, die Schlüsse auf das

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        <p>Denn nicht alles, was dem Nichtösterreicher, und nicht orthodox erzogenen Juden in Galizien fremd oder befremdlich erscheint, kann einfach auf die Liste dessen gesetzt werden, was mit dem westeuropäischen Kulturhobel geglättet werden soll.</p>
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[5/0005] heftig erfaßte, nur soviel Wärme übrig geblieben ist, um bei denen, die in geistigem Wohlstand und in angeborenen und anerzogenen Sittlichkeitsbegriffen leben, den Eifer zu notwendigen und, wie ich sicher glaube, aussichtsreichen Taten zu erwecken. Ich denke, daß ich meine Absicht, klar und übersichtlich zu bleiben, dann am sichersten erreiche, wenn ich meinen Stoff in der Weise gliedere, daß ich erst mitteile, was wir vorfanden und beobachteten und, daran anschließend, meine Vorschläge entwickle. Vor allem muß ich mich aber dagegen verwahren, nach nur fünfwöchentlichem Aufenthalt in Galizien für eine Kennerin des Landes gelten zu wollen. Meine österreichische Landsmannschaft, meine orthodox jüdische Erziehung, und nicht zuletzt mein Beruf, der mich auf eine zehnjährige Tätigkeit in der Armenpflege blicken läßt, waren für mich selbst gewissermaßen die Entschuldigung, mich zu einer Reise, die, wie ich hoffe, nicht ohne praktische Ergebnisse bleiben wird, anzubieten. Denn nicht alles, was dem Nichtösterreicher, und nicht orthodox erzogenen Juden in Galizien fremd oder befremdlich erscheint, kann einfach auf die Liste dessen gesetzt werden, was mit dem westeuropäischen Kulturhobel geglättet werden soll. Man wird sich sehr davor hüten müssen, Dinge zu verlangen, die der Individualität des Landes, das in seiner Mischung von deutsch-österreichischen, polnischen und jüdischen Elementen einen sehr bestimmten Charakter hat, allzusehr widersprechen. Neue Anforderungen können und sollen nur da gestellt werden, wo es sich um eine Verkümmerung oder Unkenntnis allgemeiner, für alle Völker gleich unerläßlicher Kulturfaktoren handelt. Um nach jeder Richtung hin fein unterscheiden zu können, um Land und Leute gründlich kennen zu lernen, müßte man allerdings jahrelang dort gelebt haben. Dagegen ist aber zu erwägen, daß, wer jahrelang in einem Lande lebt, sich in die Sitten und Gebräuche eines Volkes einlebt, damit auch leicht die Fähigkeit unmittelbarer Beobachtung und Beurteilung verlieren kann, und was an Tiefe gewonnen wird, geht an Schärfe verloren. Unserem besonderen Reisezweck gegenüber gibt es Dinge, die nur der Konstatierung und keiner besonderen subtilen Forschung bedürfen, Beobachtungen von Einzelheiten, die Schlüsse auf das

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Zitationshilfe: Pappenheim, Bertha u. a.: Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien. Reise-Eindrücke und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse. Frankfurt (Main), 1904, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pappenheim_galizien_1904/5>, abgerufen am 21.11.2024.