Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794.habe? Der Narr hätte mir das wohl ansehen können. Ich fieng wieder an zu weinen. Er reichte mir ein Kruzifix hin, und sprach: "wer sollte sich weigern, ganz für den zu leben, der am Kreuze für uns gestorben ist?" Ich riß ihm das Kruzifix ungestümm aus der Hand, küßte es und benetzte es mit meinen Thränen, und seufzte: "Gekreuzigter! erbarme dich meiner!" - Der Pfaff fieng wieder eine lange Predigt an, welch' eine Seeligkeit und welch' ein Verdienst es sey, im Kloster zu leben, und die arge Welt zu verlassen, und wie ich einst, so ich das Gelübde meiner Eltern bräche, in die unterste Hölle, in den gräßlichsten Schwefelpfuhl hinabgestossen würde. Es war mir lieb, daß der Pfaff unausgesetzt fort predigte, denn ich hätt' ihm doch nichts antworten können. Er schien meine Störrigkeit zu bemerken, und erklärte mir rund und frei, daß ein Geist aus der Hölle mich verblende. Ja er faßte mich gar an und schrie laut, indem er mich mit der andern Hand kreuzte und benedizirte: "weiche, unreiner Geist! entweihe habe? Der Narr hätte mir das wohl ansehen können. Ich fieng wieder an zu weinen. Er reichte mir ein Kruzifix hin, und sprach: „wer sollte sich weigern, ganz für den zu leben, der am Kreuze für uns gestorben ist?“ Ich riß ihm das Kruzifix ungestümm aus der Hand, küßte es und benetzte es mit meinen Thränen, und seufzte: „Gekreuzigter! erbarme dich meiner!“ – Der Pfaff fieng wieder eine lange Predigt an, welch’ eine Seeligkeit und welch’ ein Verdienst es sey, im Kloster zu leben, und die arge Welt zu verlassen, und wie ich einst, so ich das Gelübde meiner Eltern bräche, in die unterste Hölle, in den gräßlichsten Schwefelpfuhl hinabgestossen würde. Es war mir lieb, daß der Pfaff unausgesetzt fort predigte, denn ich hätt’ ihm doch nichts antworten können. Er schien meine Störrigkeit zu bemerken, und erklärte mir rund und frei, daß ein Geist aus der Hölle mich verblende. Ja er faßte mich gar an und schrie laut, indem er mich mit der andern Hand kreuzte und benedizirte: „weiche, unreiner Geist! entweihe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0051" n="47"/> habe? Der Narr hätte mir das wohl ansehen können. Ich fieng wieder an zu weinen. Er reichte mir ein Kruzifix hin, und sprach: „wer sollte sich weigern, ganz für den zu leben, der am Kreuze für uns gestorben ist?“ Ich riß ihm das Kruzifix ungestümm aus der Hand, küßte es und benetzte es mit meinen Thränen, und seufzte: „Gekreuzigter! erbarme dich meiner!“ –</p> <p>Der Pfaff fieng wieder eine lange Predigt an, welch’ eine Seeligkeit und welch’ ein Verdienst es sey, im Kloster zu leben, und die arge Welt zu verlassen, und wie ich einst, so ich das Gelübde meiner Eltern bräche, in die unterste Hölle, in den gräßlichsten Schwefelpfuhl hinabgestossen würde. Es war mir lieb, daß der Pfaff unausgesetzt fort predigte, denn ich hätt’ ihm doch nichts antworten können. Er schien meine Störrigkeit zu bemerken, und erklärte mir rund und frei, daß ein Geist aus der Hölle mich verblende. Ja er faßte mich gar an und schrie laut, indem er mich mit der andern Hand kreuzte und benedizirte: „weiche, unreiner Geist! entweihe </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0051]
habe? Der Narr hätte mir das wohl ansehen können. Ich fieng wieder an zu weinen. Er reichte mir ein Kruzifix hin, und sprach: „wer sollte sich weigern, ganz für den zu leben, der am Kreuze für uns gestorben ist?“ Ich riß ihm das Kruzifix ungestümm aus der Hand, küßte es und benetzte es mit meinen Thränen, und seufzte: „Gekreuzigter! erbarme dich meiner!“ –
Der Pfaff fieng wieder eine lange Predigt an, welch’ eine Seeligkeit und welch’ ein Verdienst es sey, im Kloster zu leben, und die arge Welt zu verlassen, und wie ich einst, so ich das Gelübde meiner Eltern bräche, in die unterste Hölle, in den gräßlichsten Schwefelpfuhl hinabgestossen würde. Es war mir lieb, daß der Pfaff unausgesetzt fort predigte, denn ich hätt’ ihm doch nichts antworten können. Er schien meine Störrigkeit zu bemerken, und erklärte mir rund und frei, daß ein Geist aus der Hölle mich verblende. Ja er faßte mich gar an und schrie laut, indem er mich mit der andern Hand kreuzte und benedizirte: „weiche, unreiner Geist! entweihe
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Zitationshilfe: | Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/51>, abgerufen am 27.07.2024. |