Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794.die dürftigste Bettelhütte bezogen; aber ohne ihn ist mir aller Reichthum, aller Pracht, und alles Wohlleben, eitel Greuel und Gestank. Mein Vater saß gestern Abends drausen unter der Eiche, und ich goß die Pflanzen in meinem Gärtchen neben des Brüke. Die langwührige Dürre hatte sie welken gemacht, und traurig standen sie alle, und auf die Erde gesenkt. Ihr Anblik machte mich so schwehrmüthig, daß ich weinen mußte, und es war mir so eng um die Brust, als befürchtete ich etwas Böses. Plötzlich kam Oswald und rief über den Zaun herein: "gleich soll Fräulein Bertha zum gnadigen Herrn unter die Eiche kommen!" Ich erschrak und eilte. "Was ist euer Wille, lieber Vater!" sprach ich ängstlich, "daß du dich, erwiederte er, hier an meine Seite setzest." Er hatte den hölzernen Becher in der Hand, den ihm ein Einsiedler bei dem heiligen Grabe geschenkt hat, und trank Wein. Er sah' so finster und so nachdenkend aus, wie ich ihn nie zu sehen gewohnt bin, als wenn er jemanden etwas die dürftigste Bettelhütte bezogen; aber ohne ihn ist mir aller Reichthum, aller Pracht, und alles Wohlleben, eitel Greuel und Gestank. Mein Vater saß gestern Abends drausen unter der Eiche, und ich goß die Pflanzen in meinem Gärtchen neben des Brüke. Die langwührige Dürre hatte sie welken gemacht, und traurig standen sie alle, und auf die Erde gesenkt. Ihr Anblik machte mich so schwehrmüthig, daß ich weinen mußte, und es war mir so eng um die Brust, als befürchtete ich etwas Böses. Plötzlich kam Oswald und rief über den Zaun herein: „gleich soll Fräulein Bertha zum gnadigen Herrn unter die Eiche kommen!“ Ich erschrak und eilte. „Was ist euer Wille, lieber Vater!“ sprach ich ängstlich, „daß du dich, erwiederte er, hier an meine Seite setzest.“ Er hatte den hölzernen Becher in der Hand, den ihm ein Einsiedler bei dem heiligen Grabe geschenkt hat, und trank Wein. Er sah’ so finster und so nachdenkend aus, wie ich ihn nie zu sehen gewohnt bin, als wenn er jemanden etwas <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0041" n="37"/> die dürftigste Bettelhütte bezogen; aber ohne ihn ist mir aller Reichthum, aller Pracht, und alles Wohlleben, eitel Greuel und Gestank.</p> <p>Mein Vater saß gestern Abends drausen unter der Eiche, und ich goß die Pflanzen in meinem Gärtchen neben des Brüke. Die langwührige Dürre hatte sie welken gemacht, und traurig standen sie alle, und auf die Erde gesenkt. Ihr Anblik machte mich so schwehrmüthig, daß ich weinen mußte, und es war mir so eng um die Brust, als befürchtete ich etwas Böses. Plötzlich kam <hi rendition="#g">Oswald</hi> und rief über den Zaun herein: „gleich soll Fräulein <hi rendition="#g">Bertha</hi> zum gnadigen Herrn unter die Eiche kommen!“ Ich erschrak und eilte. „Was ist euer Wille, lieber Vater!“ sprach ich ängstlich, „daß du dich, erwiederte er, hier an meine Seite setzest.“ Er hatte den hölzernen Becher in der Hand, den ihm ein Einsiedler bei dem heiligen Grabe geschenkt hat, und trank Wein. Er sah’ so finster und so nachdenkend aus, wie ich ihn nie zu sehen gewohnt bin, als wenn er jemanden etwas </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0041]
die dürftigste Bettelhütte bezogen; aber ohne ihn ist mir aller Reichthum, aller Pracht, und alles Wohlleben, eitel Greuel und Gestank.
Mein Vater saß gestern Abends drausen unter der Eiche, und ich goß die Pflanzen in meinem Gärtchen neben des Brüke. Die langwührige Dürre hatte sie welken gemacht, und traurig standen sie alle, und auf die Erde gesenkt. Ihr Anblik machte mich so schwehrmüthig, daß ich weinen mußte, und es war mir so eng um die Brust, als befürchtete ich etwas Böses. Plötzlich kam Oswald und rief über den Zaun herein: „gleich soll Fräulein Bertha zum gnadigen Herrn unter die Eiche kommen!“ Ich erschrak und eilte. „Was ist euer Wille, lieber Vater!“ sprach ich ängstlich, „daß du dich, erwiederte er, hier an meine Seite setzest.“ Er hatte den hölzernen Becher in der Hand, den ihm ein Einsiedler bei dem heiligen Grabe geschenkt hat, und trank Wein. Er sah’ so finster und so nachdenkend aus, wie ich ihn nie zu sehen gewohnt bin, als wenn er jemanden etwas
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |