Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

Mein Vater zog um Mitternacht mit den Knechten fort, und Kunz begleitete ihn, bis Ummne, da der Tag begann hereinzugrauen. Ich konnte wenig schlafen. Als er kam, war ich schon wieder rüstig. Er legte sich gar nicht nieder. "Jeder Augenblik, sprach er, Bertha! an deiner Seite hingebracht, ist mir theuer; ich kan dich nur genießen, wenn ich wache."

Diese Zeit über ist meine Liebe zu Kunzen noch viel tiefer gewurzelt, und noch viel wärmer und heftiger geworden, als sie vorhin war. Ich habe so viel Gutes und Edles an ihm gesehen, was mir zuvor verborgen gewesen ist. Ja - nun kann mich nichts mehr von ihm trennen, als der leidige Tod. -

Du kannst nicht glauben, Mechthilde! wie schön er das Regiment im Hause anzuordnen weiß, wie sanft und milde, und zugleich mit welch' männlichem Ernst, er das Gesinde behandelt. Die jungen Ritter sind meistens hart und rauh gegen die Knechte, und schlagen ohne Ursache drein, aus höhnendem Uebermuth. Aber Kunz hält sie durch Liebe

Mein Vater zog um Mitternacht mit den Knechten fort, und Kunz begleitete ihn, bis Ummne, da der Tag begann hereinzugrauen. Ich konnte wenig schlafen. Als er kam, war ich schon wieder rüstig. Er legte sich gar nicht nieder. „Jeder Augenblik, sprach er, Bertha! an deiner Seite hingebracht, ist mir theuer; ich kan dich nur genießen, wenn ich wache.“

Diese Zeit über ist meine Liebe zu Kunzen noch viel tiefer gewurzelt, und noch viel wärmer und heftiger geworden, als sie vorhin war. Ich habe so viel Gutes und Edles an ihm gesehen, was mir zuvor verborgen gewesen ist. Ja – nun kann mich nichts mehr von ihm trennen, als der leidige Tod. –

Du kannst nicht glauben, Mechthilde! wie schön er das Regiment im Hause anzuordnen weiß, wie sanft und milde, und zugleich mit welch’ männlichem Ernst, er das Gesinde behandelt. Die jungen Ritter sind meistens hart und rauh gegen die Knechte, und schlagen ohne Ursache drein, aus höhnendem Uebermuth. Aber Kunz hält sie durch Liebe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0027" n="23"/>
          <p> Mein Vater zog um Mitternacht mit den Knechten fort, und <hi rendition="#g">Kunz</hi> begleitete ihn, bis <hi rendition="#g">Ummne</hi>, da der Tag begann hereinzugrauen. Ich konnte wenig schlafen. Als er kam, war ich schon wieder rüstig. Er legte sich gar nicht nieder. &#x201E;Jeder Augenblik, sprach er, <hi rendition="#g">Bertha</hi>! an deiner Seite hingebracht, ist mir theuer; ich kan dich nur genießen, wenn ich wache.&#x201C;</p>
          <p>Diese Zeit über ist meine Liebe zu <hi rendition="#g">Kunzen</hi> noch viel tiefer gewurzelt, und noch viel wärmer und heftiger geworden, als sie vorhin war. Ich habe so viel Gutes und Edles an ihm gesehen, was mir zuvor verborgen gewesen ist. Ja &#x2013; nun kann mich nichts mehr von ihm trennen, als der leidige Tod. &#x2013;</p>
          <p>Du kannst nicht glauben, <hi rendition="#g">Mechthilde</hi>! wie schön er das Regiment im Hause anzuordnen weiß, wie sanft und milde, und zugleich mit welch&#x2019; männlichem Ernst, er das Gesinde behandelt. Die jungen Ritter sind meistens hart und rauh gegen die Knechte, und schlagen ohne Ursache drein, aus höhnendem Uebermuth. Aber <hi rendition="#g">Kunz</hi> hält sie durch Liebe
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0027] Mein Vater zog um Mitternacht mit den Knechten fort, und Kunz begleitete ihn, bis Ummne, da der Tag begann hereinzugrauen. Ich konnte wenig schlafen. Als er kam, war ich schon wieder rüstig. Er legte sich gar nicht nieder. „Jeder Augenblik, sprach er, Bertha! an deiner Seite hingebracht, ist mir theuer; ich kan dich nur genießen, wenn ich wache.“ Diese Zeit über ist meine Liebe zu Kunzen noch viel tiefer gewurzelt, und noch viel wärmer und heftiger geworden, als sie vorhin war. Ich habe so viel Gutes und Edles an ihm gesehen, was mir zuvor verborgen gewesen ist. Ja – nun kann mich nichts mehr von ihm trennen, als der leidige Tod. – Du kannst nicht glauben, Mechthilde! wie schön er das Regiment im Hause anzuordnen weiß, wie sanft und milde, und zugleich mit welch’ männlichem Ernst, er das Gesinde behandelt. Die jungen Ritter sind meistens hart und rauh gegen die Knechte, und schlagen ohne Ursache drein, aus höhnendem Uebermuth. Aber Kunz hält sie durch Liebe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/27
Zitationshilfe: Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/27>, abgerufen am 21.11.2024.