Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

- So sehr mich's freute, ihn hier zu sehn, so ward mir's doch so eng, wie wenn einer ein böses Gewissen hat, und ich meinte, es seyen nun aller Augen auf mich gerichtet, und jedermann seh' es mir an, daß ich ihn liebe. Er schaute mit seinem schönen Auge herauf, und unsre Blike begegneten sich. Er rief sogar aus der Menge: "Auch hier am Freutentage, Bäslein Bertha!" Deß wurd' ich flammroth, und konnt' ihm keine Antwort geben. Jedermann sah herauf, wer das Bäslein Bertha sey. Ich nahm Adelhaiden bey der Hand, und trat mit ihr aus dem Fenster zurük.

Von nun an mußte ich immer an Kunzen denken. Meine Augen waren auch stets auf ihn gerichtet, und er hat mir nie so wohl gefallen als heute. Als der Graf von Hohenlohe dem jungen Schenken das Wehrgehäng umhängte, und ihm die Lanze in die Hand gab, die der Abt von Comburg am Altar geweiht und gebenedeiet hatte, - da stand er unter den Edlen mit einer Würde, wie keiner unter allen, und doch dabei so holdselig und so liebreich! - Man sah' an ihm ritterlichen

– So sehr mich’s freute, ihn hier zu sehn, so ward mir’s doch so eng, wie wenn einer ein böses Gewissen hat, und ich meinte, es seyen nun aller Augen auf mich gerichtet, und jedermann seh’ es mir an, daß ich ihn liebe. Er schaute mit seinem schönen Auge herauf, und unsre Blike begegneten sich. Er rief sogar aus der Menge: „Auch hier am Freutentage, Bäslein Bertha!“ Deß wurd’ ich flammroth, und konnt’ ihm keine Antwort geben. Jedermann sah herauf, wer das Bäslein Bertha sey. Ich nahm Adelhaiden bey der Hand, und trat mit ihr aus dem Fenster zurük.

Von nun an mußte ich immer an Kunzen denken. Meine Augen waren auch stets auf ihn gerichtet, und er hat mir nie so wohl gefallen als heute. Als der Graf von Hohenlohe dem jungen Schenken das Wehrgehäng umhängte, und ihm die Lanze in die Hand gab, die der Abt von Comburg am Altar geweiht und gebenedeiet hatte, – da stand er unter den Edlen mit einer Würde, wie keiner unter allen, und doch dabei so holdselig und so liebreich! – Man sah’ an ihm ritterlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0010" n="6"/>
&#x2013; So sehr mich&#x2019;s freute, ihn hier zu sehn, so ward mir&#x2019;s doch so eng, wie wenn einer ein böses Gewissen hat, und ich meinte, es seyen nun aller Augen auf mich gerichtet, und jedermann seh&#x2019; es mir an, daß ich ihn liebe. Er schaute mit seinem schönen Auge herauf, und unsre Blike begegneten sich. Er rief sogar aus der Menge: &#x201E;Auch hier am Freutentage, Bäslein <hi rendition="#g">Bertha</hi>!&#x201C; Deß wurd&#x2019; ich flammroth, und konnt&#x2019; ihm keine Antwort geben. Jedermann sah herauf, wer das Bäslein <hi rendition="#g">Bertha</hi> sey. Ich nahm <hi rendition="#g">Adelhaiden</hi> bey der Hand, und trat mit ihr aus dem Fenster zurük.</p>
          <p>Von nun an mußte ich immer an <hi rendition="#g">Kunzen</hi> denken. Meine Augen waren auch stets auf ihn gerichtet, und er hat mir nie so wohl gefallen als heute. Als der Graf von <hi rendition="#g">Hohenlohe</hi> dem jungen <hi rendition="#g">Schenken</hi> das Wehrgehäng umhängte, und ihm die Lanze in die Hand gab, die der Abt von <hi rendition="#g">Comburg</hi> am Altar geweiht und gebenedeiet hatte, &#x2013; da stand er unter den Edlen mit einer Würde, wie keiner unter allen, und doch dabei so holdselig und so liebreich! &#x2013; Man sah&#x2019; an ihm ritterlichen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0010] – So sehr mich’s freute, ihn hier zu sehn, so ward mir’s doch so eng, wie wenn einer ein böses Gewissen hat, und ich meinte, es seyen nun aller Augen auf mich gerichtet, und jedermann seh’ es mir an, daß ich ihn liebe. Er schaute mit seinem schönen Auge herauf, und unsre Blike begegneten sich. Er rief sogar aus der Menge: „Auch hier am Freutentage, Bäslein Bertha!“ Deß wurd’ ich flammroth, und konnt’ ihm keine Antwort geben. Jedermann sah herauf, wer das Bäslein Bertha sey. Ich nahm Adelhaiden bey der Hand, und trat mit ihr aus dem Fenster zurük. Von nun an mußte ich immer an Kunzen denken. Meine Augen waren auch stets auf ihn gerichtet, und er hat mir nie so wohl gefallen als heute. Als der Graf von Hohenlohe dem jungen Schenken das Wehrgehäng umhängte, und ihm die Lanze in die Hand gab, die der Abt von Comburg am Altar geweiht und gebenedeiet hatte, – da stand er unter den Edlen mit einer Würde, wie keiner unter allen, und doch dabei so holdselig und so liebreich! – Man sah’ an ihm ritterlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/10
Zitationshilfe: Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/10>, abgerufen am 19.04.2024.