Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.nicht -- sie haben nie geliebt -- sie verstehen unsre Sprache nicht -- sie wissen nicht, was sie thun! -- Zum letzten Mal denn," rief er mit verzweifelnder Stimme, indem er sie küßte. "Jaromir!" rief sie und umschlang ihn fest. Er machte sich los und führte sie zu ihrer Mutter -- er machte dieser eine kalte Verbeugung und wollte gehen. Aber das Mutterherz ertrug nicht den brechenden Blick der zusammensinkenden Tochter. Sie ging auf Jaromir zu: "Ihr Stolz," sagte sie, "bezeichnet Sie als einen Verwandten und Theilnehmer an unsrem größten Familienfehler, und wenn Stolz dem Stolz begegnet, so müssen sie sich an einander brechen oder es giebt ein Unheil. -- Bedenken Sie, mein Sohn, daß, wenn Sie Sich darüber empören wollen, daß Eltern über ihr heiligstes Eigenthum nach ihrem besten Ermessen verfügen wollen -- es sie wohl kränken kann, wenn sie ohne ihr Wissen sich ihres Rechtes über ihr schönstes Kleinod schon verlustig sehen." Zugleich war der Graf zu Elisabeth getreten und führte sie jetzt in Jaromir's Arme. "Du brichst das Wort, das ich gestern gab," sagte er, "ich will es zurücknehmen -- ich betrachte Euch als Verlobte, als meine Kinder -- und die Welt betrachte Euch so -- aber unter Jahresfrist dürfen Sie mir mein Kind nicht entführen -- und den Elternsorgen dürfen Sie es nicht — sie haben nie geliebt — sie verstehen unsre Sprache nicht — sie wissen nicht, was sie thun! — Zum letzten Mal denn,“ rief er mit verzweifelnder Stimme, indem er sie küßte. „Jaromir!“ rief sie und umschlang ihn fest. Er machte sich los und führte sie zu ihrer Mutter — er machte dieser eine kalte Verbeugung und wollte gehen. Aber das Mutterherz ertrug nicht den brechenden Blick der zusammensinkenden Tochter. Sie ging auf Jaromir zu: „Ihr Stolz,“ sagte sie, „bezeichnet Sie als einen Verwandten und Theilnehmer an unsrem größten Familienfehler, und wenn Stolz dem Stolz begegnet, so müssen sie sich an einander brechen oder es giebt ein Unheil. — Bedenken Sie, mein Sohn, daß, wenn Sie Sich darüber empören wollen, daß Eltern über ihr heiligstes Eigenthum nach ihrem besten Ermessen verfügen wollen — es sie wohl kränken kann, wenn sie ohne ihr Wissen sich ihres Rechtes über ihr schönstes Kleinod schon verlustig sehen.“ Zugleich war der Graf zu Elisabeth getreten und führte sie jetzt in Jaromir’s Arme. „Du brichst das Wort, das ich gestern gab,“ sagte er, „ich will es zurücknehmen — ich betrachte Euch als Verlobte, als meine Kinder — und die Welt betrachte Euch so — aber unter Jahresfrist dürfen Sie mir mein Kind nicht entführen — und den Elternsorgen dürfen Sie es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0070" n="66"/> nicht — sie haben nie geliebt — sie verstehen unsre Sprache nicht — sie wissen nicht, was sie thun! — Zum letzten Mal denn,“ rief er mit verzweifelnder Stimme, indem er sie küßte.</p> <p>„Jaromir!“ rief sie und umschlang ihn fest.</p> <p>Er machte sich los und führte sie zu ihrer Mutter — er machte dieser eine kalte Verbeugung und wollte gehen.</p> <p>Aber das Mutterherz ertrug nicht den brechenden Blick der zusammensinkenden Tochter. Sie ging auf Jaromir zu:</p> <p>„Ihr Stolz,“ sagte sie, „bezeichnet Sie als einen Verwandten und Theilnehmer an unsrem größten Familienfehler, und wenn Stolz dem Stolz begegnet, so müssen sie sich an einander brechen oder es giebt ein Unheil. — Bedenken Sie, <hi rendition="#g">mein Sohn</hi>, daß, wenn Sie Sich darüber empören wollen, daß Eltern über ihr heiligstes Eigenthum nach ihrem besten Ermessen verfügen wollen — es sie wohl kränken kann, wenn sie ohne ihr Wissen sich ihres Rechtes über ihr schönstes Kleinod schon verlustig sehen.“</p> <p>Zugleich war der Graf zu Elisabeth getreten und führte sie jetzt in Jaromir’s Arme.</p> <p>„Du brichst das Wort, das ich gestern gab,“ sagte er, „ich will es zurücknehmen — ich betrachte Euch als Verlobte, als meine Kinder — und die Welt betrachte Euch so — aber unter Jahresfrist dürfen Sie mir mein Kind nicht entführen — und den Elternsorgen dürfen Sie es </p> </div> </body> </text> </TEI> [66/0070]
nicht — sie haben nie geliebt — sie verstehen unsre Sprache nicht — sie wissen nicht, was sie thun! — Zum letzten Mal denn,“ rief er mit verzweifelnder Stimme, indem er sie küßte.
„Jaromir!“ rief sie und umschlang ihn fest.
Er machte sich los und führte sie zu ihrer Mutter — er machte dieser eine kalte Verbeugung und wollte gehen.
Aber das Mutterherz ertrug nicht den brechenden Blick der zusammensinkenden Tochter. Sie ging auf Jaromir zu:
„Ihr Stolz,“ sagte sie, „bezeichnet Sie als einen Verwandten und Theilnehmer an unsrem größten Familienfehler, und wenn Stolz dem Stolz begegnet, so müssen sie sich an einander brechen oder es giebt ein Unheil. — Bedenken Sie, mein Sohn, daß, wenn Sie Sich darüber empören wollen, daß Eltern über ihr heiligstes Eigenthum nach ihrem besten Ermessen verfügen wollen — es sie wohl kränken kann, wenn sie ohne ihr Wissen sich ihres Rechtes über ihr schönstes Kleinod schon verlustig sehen.“
Zugleich war der Graf zu Elisabeth getreten und führte sie jetzt in Jaromir’s Arme.
„Du brichst das Wort, das ich gestern gab,“ sagte er, „ich will es zurücknehmen — ich betrachte Euch als Verlobte, als meine Kinder — und die Welt betrachte Euch so — aber unter Jahresfrist dürfen Sie mir mein Kind nicht entführen — und den Elternsorgen dürfen Sie es
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