Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Mutter trat ein. Es war dies ungewöhnlich -- auch sah sie besonders feierlich aus und deshalb schrak Elisabeth bei ihrem Kommen unwillkürlich leise zusammen.

"Mein Kind," sagte die Gräfin, sie umarmend, "Du bist mir seit einiger Zeit ausgewichen, Du hast bemerkbar ein Alleinsein mit mir vermieden -- und so komme ich denn zu Dir in Dein Zimmer -- --"

"Liebe Mutter!" rief Elisabeth und schmiegte sich mit Vergebung suchenden Augen an sie und zog sie neben sich auf das Sopha.

"Wir sind hier am Ungestörtesten," begann die Gräfin, "wir können hier gegen einander Alles aussprechen, was wir auf unsern Herzen haben -- und die Scheidewand wird fallen, welche sich seltsam zwischen uns aufgerichtet hat."

Elisabeths Augen senkten sich zu boden, sie schwieg, obwohl die Mutter eine Antwort von ihr zu erwarten schien. Letztere fuhr endlich fort:

"Nicht nur, daß Du seit einiger Zeit verschlossen gegen mich geworden bist, Dein ganzes Wesen hat sich verändert, zuweilen habe ich Dich weich und gefühlsinnig gesehen oder kindlich heiter wie sonst niemals -- aber dann wieder bist Du ernst und kalt und loderst dennoch dabei mit einer Art Feuerbegeisterung für Dinge auf, für welche ich diese Begeisterung am Allerwenigsten billigen kann."

Mutter trat ein. Es war dies ungewöhnlich — auch sah sie besonders feierlich aus und deshalb schrak Elisabeth bei ihrem Kommen unwillkürlich leise zusammen.

„Mein Kind,“ sagte die Gräfin, sie umarmend, „Du bist mir seit einiger Zeit ausgewichen, Du hast bemerkbar ein Alleinsein mit mir vermieden — und so komme ich denn zu Dir in Dein Zimmer — —“

„Liebe Mutter!“ rief Elisabeth und schmiegte sich mit Vergebung suchenden Augen an sie und zog sie neben sich auf das Sopha.

„Wir sind hier am Ungestörtesten,“ begann die Gräfin, „wir können hier gegen einander Alles aussprechen, was wir auf unsern Herzen haben — und die Scheidewand wird fallen, welche sich seltsam zwischen uns aufgerichtet hat.“

Elisabeths Augen senkten sich zu boden, sie schwieg, obwohl die Mutter eine Antwort von ihr zu erwarten schien. Letztere fuhr endlich fort:

„Nicht nur, daß Du seit einiger Zeit verschlossen gegen mich geworden bist, Dein ganzes Wesen hat sich verändert, zuweilen habe ich Dich weich und gefühlsinnig gesehen oder kindlich heiter wie sonst niemals — aber dann wieder bist Du ernst und kalt und loderst dennoch dabei mit einer Art Feuerbegeisterung für Dinge auf, für welche ich diese Begeisterung am Allerwenigsten billigen kann.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0051" n="47"/>
Mutter trat ein. Es war dies ungewöhnlich &#x2014; auch sah sie besonders feierlich aus und deshalb schrak Elisabeth bei ihrem Kommen unwillkürlich leise zusammen.</p>
        <p>&#x201E;Mein Kind,&#x201C; sagte die Gräfin, sie umarmend, &#x201E;Du bist mir seit einiger Zeit ausgewichen, Du hast bemerkbar ein Alleinsein mit mir vermieden &#x2014; und so komme ich denn zu Dir in Dein Zimmer &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Liebe Mutter!&#x201C; rief Elisabeth und schmiegte sich mit Vergebung suchenden Augen an sie und zog sie neben sich auf das Sopha.</p>
        <p>&#x201E;Wir sind hier am Ungestörtesten,&#x201C; begann die Gräfin, &#x201E;wir können hier gegen einander Alles aussprechen, was wir auf unsern Herzen haben &#x2014; und die Scheidewand wird fallen, welche sich seltsam zwischen uns aufgerichtet hat.&#x201C;</p>
        <p>Elisabeths Augen senkten sich zu boden, sie schwieg, obwohl die Mutter eine Antwort von ihr zu erwarten schien. Letztere fuhr endlich fort:</p>
        <p>&#x201E;Nicht nur, daß Du seit einiger Zeit verschlossen gegen mich geworden bist, Dein ganzes Wesen hat sich verändert, zuweilen habe ich Dich weich und gefühlsinnig gesehen oder kindlich heiter wie sonst niemals &#x2014; aber dann wieder bist Du ernst und kalt und loderst dennoch dabei mit einer Art Feuerbegeisterung für Dinge auf, für welche ich diese Begeisterung am Allerwenigsten billigen kann.&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0051] Mutter trat ein. Es war dies ungewöhnlich — auch sah sie besonders feierlich aus und deshalb schrak Elisabeth bei ihrem Kommen unwillkürlich leise zusammen. „Mein Kind,“ sagte die Gräfin, sie umarmend, „Du bist mir seit einiger Zeit ausgewichen, Du hast bemerkbar ein Alleinsein mit mir vermieden — und so komme ich denn zu Dir in Dein Zimmer — —“ „Liebe Mutter!“ rief Elisabeth und schmiegte sich mit Vergebung suchenden Augen an sie und zog sie neben sich auf das Sopha. „Wir sind hier am Ungestörtesten,“ begann die Gräfin, „wir können hier gegen einander Alles aussprechen, was wir auf unsern Herzen haben — und die Scheidewand wird fallen, welche sich seltsam zwischen uns aufgerichtet hat.“ Elisabeths Augen senkten sich zu boden, sie schwieg, obwohl die Mutter eine Antwort von ihr zu erwarten schien. Letztere fuhr endlich fort: „Nicht nur, daß Du seit einiger Zeit verschlossen gegen mich geworden bist, Dein ganzes Wesen hat sich verändert, zuweilen habe ich Dich weich und gefühlsinnig gesehen oder kindlich heiter wie sonst niemals — aber dann wieder bist Du ernst und kalt und loderst dennoch dabei mit einer Art Feuerbegeisterung für Dinge auf, für welche ich diese Begeisterung am Allerwenigsten billigen kann.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/51
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/51>, abgerufen am 30.04.2024.