Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.Sich diesen zu verschaffen, war ihm kein Mittel zu gering, zu kleinlich und schimpflich -- so bald sich dies Alles nur unter einem Schein des Rechtes verbergen ließ. So lag seinem Handeln immer noch eine Idee, ein Zweck zum Grunde, und so war er nicht hart und grausam, weil er es unter allen Verhältnissen gewesen sein würde, sondern er war es nur unter den gegebenen, er glaubte so sein zu müssen, wenn er den Platz ganz ausfüllen wollte, auf den er sich gestellt, den er für sich gehörig in Anspruch genommen. Aber anders war es mit Georg. Er war Nichts als eine todte Maschine. Er hatte nicht einmal einen Ueberblick über den weiten Geschäftskreis seines Vaters -- er stand still auf dem Platz, auf welchen ihn dieser gestellt. Er war einer jener Zahlenmenschen, welche ihr Leben lang niemals gedacht, sondern immer nur gerechnet haben. Aber darüber waren alle edleren Regungen seines Herzens erstorben. Der Grundzug seines Characters war böse Härte geworden. Glückliche und heitere Gesichter waren ihm förmlich unerträglich -- sobald er solchen begegnen mußte, ward er noch mürrischer als gewöhnlich; -- daß es so kam, war der Neid seines Herzens, weil er selbst für Freude und Glück ganz unempfindlich geworden war; aber er war dies auch für Schmerz und Trauer. In ihm war immer nur eine Empfindung lebendig: der Aerger und seine Aeußerungen Sich diesen zu verschaffen, war ihm kein Mittel zu gering, zu kleinlich und schimpflich — so bald sich dies Alles nur unter einem Schein des Rechtes verbergen ließ. So lag seinem Handeln immer noch eine Idee, ein Zweck zum Grunde, und so war er nicht hart und grausam, weil er es unter allen Verhältnissen gewesen sein würde, sondern er war es nur unter den gegebenen, er glaubte so sein zu müssen, wenn er den Platz ganz ausfüllen wollte, auf den er sich gestellt, den er für sich gehörig in Anspruch genommen. Aber anders war es mit Georg. Er war Nichts als eine todte Maschine. Er hatte nicht einmal einen Ueberblick über den weiten Geschäftskreis seines Vaters — er stand still auf dem Platz, auf welchen ihn dieser gestellt. Er war einer jener Zahlenmenschen, welche ihr Leben lang niemals gedacht, sondern immer nur gerechnet haben. Aber darüber waren alle edleren Regungen seines Herzens erstorben. Der Grundzug seines Characters war böse Härte geworden. Glückliche und heitere Gesichter waren ihm förmlich unerträglich — sobald er solchen begegnen mußte, ward er noch mürrischer als gewöhnlich; — daß es so kam, war der Neid seines Herzens, weil er selbst für Freude und Glück ganz unempfindlich geworden war; aber er war dies auch für Schmerz und Trauer. In ihm war immer nur eine Empfindung lebendig: der Aerger und seine Aeußerungen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0026" n="22"/> Sich diesen zu verschaffen, war ihm kein Mittel zu gering, zu kleinlich und schimpflich — so bald sich dies Alles nur unter einem Schein des Rechtes verbergen ließ. So lag seinem Handeln immer noch eine Idee, ein Zweck zum Grunde, und so war er nicht hart und grausam, weil er es unter allen Verhältnissen gewesen sein würde, sondern er war es nur unter den gegebenen, er glaubte so sein zu <hi rendition="#g">müssen</hi>, wenn er den Platz ganz ausfüllen wollte, auf den er sich gestellt, den er für sich gehörig in Anspruch genommen.</p> <p>Aber anders war es mit Georg. Er war Nichts als eine todte Maschine. Er hatte nicht einmal einen Ueberblick über den weiten Geschäftskreis seines Vaters — er stand still auf dem Platz, auf welchen ihn dieser gestellt. Er war einer jener Zahlenmenschen, welche ihr Leben lang niemals gedacht, sondern immer nur gerechnet haben. Aber darüber waren alle edleren Regungen seines Herzens erstorben. Der Grundzug seines Characters war böse Härte geworden. Glückliche und heitere Gesichter waren ihm förmlich unerträglich — sobald er solchen begegnen mußte, ward er noch mürrischer als gewöhnlich; — daß es so kam, war der Neid seines Herzens, weil er selbst für Freude und Glück ganz unempfindlich geworden war; aber er war dies auch für Schmerz und Trauer. In ihm war immer nur eine Empfindung lebendig: der Aerger und seine Aeußerungen </p> </div> </body> </text> </TEI> [22/0026]
Sich diesen zu verschaffen, war ihm kein Mittel zu gering, zu kleinlich und schimpflich — so bald sich dies Alles nur unter einem Schein des Rechtes verbergen ließ. So lag seinem Handeln immer noch eine Idee, ein Zweck zum Grunde, und so war er nicht hart und grausam, weil er es unter allen Verhältnissen gewesen sein würde, sondern er war es nur unter den gegebenen, er glaubte so sein zu müssen, wenn er den Platz ganz ausfüllen wollte, auf den er sich gestellt, den er für sich gehörig in Anspruch genommen.
Aber anders war es mit Georg. Er war Nichts als eine todte Maschine. Er hatte nicht einmal einen Ueberblick über den weiten Geschäftskreis seines Vaters — er stand still auf dem Platz, auf welchen ihn dieser gestellt. Er war einer jener Zahlenmenschen, welche ihr Leben lang niemals gedacht, sondern immer nur gerechnet haben. Aber darüber waren alle edleren Regungen seines Herzens erstorben. Der Grundzug seines Characters war böse Härte geworden. Glückliche und heitere Gesichter waren ihm förmlich unerträglich — sobald er solchen begegnen mußte, ward er noch mürrischer als gewöhnlich; — daß es so kam, war der Neid seines Herzens, weil er selbst für Freude und Glück ganz unempfindlich geworden war; aber er war dies auch für Schmerz und Trauer. In ihm war immer nur eine Empfindung lebendig: der Aerger und seine Aeußerungen
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