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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.

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ganz friedlich und gemüthlich aussah. War es ja doch eigentlich nur der Hunger, welcher die Meisten dieser Armen zum Aufstand gebracht hatte! Denn von communistischen Theorien, die sie etwa verwirklichen wollten, wußten sie Nichts, die spukten nur in Wilhelms Kopf, welcher sie in unklaren Reden zu verbreiten suchte, aus denen Jeder die Sache nur gerade so verstand, wie sie in seinem Gedankenkram paßte. Darin waren sie einig, daß sie Alle Etwas zu rächen hatten an dem Fabrikherrn: Hunger, Frost, Blöße, Krankheit, verstümmelte Glieder, Tod oder Elend ihrer Kinder, harte Behandlung und all' die Noth und Sorge von einem jammervollen Tag zum andern. Ihre leiblichen Bedürfnisse waren es, welche jetzt diesen Wuthausbruch hervorgerufen -- und wie viel er hier unbefriedigt gelassen und doch hätte befriedigen können, wenn er menschlich gewesen, das wußten sie -- aber ein unklarer Instinkt drängte sie in gleicher Weise zur Rache -- jener Instinkt, welcher sie hieß, für Alles, was in ihren und ihrer Kinder Seelen Gutes und Edles und Bildungsfähiges erstickt und todtgeschlagen worden war, durch all' ihr äußeres Elend, sich auch dafür zu rächen und eben gerade dadurch, daß sie ihrer Entsittlichung und Verwilderung in ihrer schlimmsten Art und ohne Zügel verderbensvoll walten ließen.

Der Abend begann schon herein zu dämmern -- im

ganz friedlich und gemüthlich aussah. War es ja doch eigentlich nur der Hunger, welcher die Meisten dieser Armen zum Aufstand gebracht hatte! Denn von communistischen Theorien, die sie etwa verwirklichen wollten, wußten sie Nichts, die spukten nur in Wilhelms Kopf, welcher sie in unklaren Reden zu verbreiten suchte, aus denen Jeder die Sache nur gerade so verstand, wie sie in seinem Gedankenkram paßte. Darin waren sie einig, daß sie Alle Etwas zu rächen hatten an dem Fabrikherrn: Hunger, Frost, Blöße, Krankheit, verstümmelte Glieder, Tod oder Elend ihrer Kinder, harte Behandlung und all’ die Noth und Sorge von einem jammervollen Tag zum andern. Ihre leiblichen Bedürfnisse waren es, welche jetzt diesen Wuthausbruch hervorgerufen — und wie viel er hier unbefriedigt gelassen und doch hätte befriedigen können, wenn er menschlich gewesen, das wußten sie — aber ein unklarer Instinkt drängte sie in gleicher Weise zur Rache — jener Instinkt, welcher sie hieß, für Alles, was in ihren und ihrer Kinder Seelen Gutes und Edles und Bildungsfähiges erstickt und todtgeschlagen worden war, durch all’ ihr äußeres Elend, sich auch dafür zu rächen und eben gerade dadurch, daß sie ihrer Entsittlichung und Verwilderung in ihrer schlimmsten Art und ohne Zügel verderbensvoll walten ließen.

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[160/0164] ganz friedlich und gemüthlich aussah. War es ja doch eigentlich nur der Hunger, welcher die Meisten dieser Armen zum Aufstand gebracht hatte! Denn von communistischen Theorien, die sie etwa verwirklichen wollten, wußten sie Nichts, die spukten nur in Wilhelms Kopf, welcher sie in unklaren Reden zu verbreiten suchte, aus denen Jeder die Sache nur gerade so verstand, wie sie in seinem Gedankenkram paßte. Darin waren sie einig, daß sie Alle Etwas zu rächen hatten an dem Fabrikherrn: Hunger, Frost, Blöße, Krankheit, verstümmelte Glieder, Tod oder Elend ihrer Kinder, harte Behandlung und all’ die Noth und Sorge von einem jammervollen Tag zum andern. Ihre leiblichen Bedürfnisse waren es, welche jetzt diesen Wuthausbruch hervorgerufen — und wie viel er hier unbefriedigt gelassen und doch hätte befriedigen können, wenn er menschlich gewesen, das wußten sie — aber ein unklarer Instinkt drängte sie in gleicher Weise zur Rache — jener Instinkt, welcher sie hieß, für Alles, was in ihren und ihrer Kinder Seelen Gutes und Edles und Bildungsfähiges erstickt und todtgeschlagen worden war, durch all’ ihr äußeres Elend, sich auch dafür zu rächen und eben gerade dadurch, daß sie ihrer Entsittlichung und Verwilderung in ihrer schlimmsten Art und ohne Zügel verderbensvoll walten ließen. Der Abend begann schon herein zu dämmern — im

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/164>, abgerufen am 11.05.2024.