Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.Weib sammt Kind begraben wurde. Alle Arbeiter waren leise aufgestanden und mit hingezogen auf den fernen Kirchhof. Auch Franz war mitgegangen -- dieser neue Jammer hatte ihm in tiefster Seele weh gethan -- ihm selbst war wie einem Menschen zu Muthe, der aus hundert Wunden blutet und darüber nicht mehr fühlt, welche ihn am Meisten schmerzt. Aber er wußte noch nicht, was die Arbeiter sannen, warum sie gerade heute Alle einer Leiche folgten, da doch oft eine solche einsam hinausgetragen ward. Denn die Kameraden mißtrauten ihm jetzt und hielten deshalb ihre Absichten vor ihm geheim. Auch wußten eigentlich nur Wenige von einem bestimmten Vorsatz und Plan, die Meisten thaten aus einem blinden Instinkt wie die Andern. Draußen am Grabe hielt Wilhelm eine Rede: "Das ist das Loos unsrer Weiber und Kinder," sagte er. "Uns macht man zu elenden Sklaven, unsre Weiber und Kinder mordet man! -- Ich brauche Euch nicht erst an unser ganzes erbärmliches Dasein zu erinnern -- Ihr habt es ja täglich vor Augen! Und Ihr habt es auch täglich vor Augen, wie, während man so mit uns verfährt, unsere Peiniger von unsrem Schweiß und Blut Paläste aufbauen und mit dem schwelgen, wovon uns ein gutes Theil gehört -- eilen wir uns dieses Theil zu nehmen!" Wildes Beifallsgeschrei folgte darauf. Weib sammt Kind begraben wurde. Alle Arbeiter waren leise aufgestanden und mit hingezogen auf den fernen Kirchhof. Auch Franz war mitgegangen — dieser neue Jammer hatte ihm in tiefster Seele weh gethan — ihm selbst war wie einem Menschen zu Muthe, der aus hundert Wunden blutet und darüber nicht mehr fühlt, welche ihn am Meisten schmerzt. Aber er wußte noch nicht, was die Arbeiter sannen, warum sie gerade heute Alle einer Leiche folgten, da doch oft eine solche einsam hinausgetragen ward. Denn die Kameraden mißtrauten ihm jetzt und hielten deshalb ihre Absichten vor ihm geheim. Auch wußten eigentlich nur Wenige von einem bestimmten Vorsatz und Plan, die Meisten thaten aus einem blinden Instinkt wie die Andern. Draußen am Grabe hielt Wilhelm eine Rede: „Das ist das Loos unsrer Weiber und Kinder,“ sagte er. „Uns macht man zu elenden Sklaven, unsre Weiber und Kinder mordet man! — Ich brauche Euch nicht erst an unser ganzes erbärmliches Dasein zu erinnern — Ihr habt es ja täglich vor Augen! Und Ihr habt es auch täglich vor Augen, wie, während man so mit uns verfährt, unsere Peiniger von unsrem Schweiß und Blut Paläste aufbauen und mit dem schwelgen, wovon uns ein gutes Theil gehört — eilen wir uns dieses Theil zu nehmen!“ Wildes Beifallsgeschrei folgte darauf. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0132" n="128"/> Weib sammt Kind begraben wurde. Alle Arbeiter waren leise aufgestanden und mit hingezogen auf den fernen Kirchhof. Auch Franz war mitgegangen — dieser neue Jammer hatte ihm in tiefster Seele weh gethan — ihm selbst war wie einem Menschen zu Muthe, der aus hundert Wunden blutet und darüber nicht mehr fühlt, welche ihn am Meisten schmerzt. Aber er wußte noch nicht, was die Arbeiter sannen, warum sie gerade heute Alle einer Leiche folgten, da doch oft eine solche einsam hinausgetragen ward. Denn die Kameraden mißtrauten ihm jetzt und hielten deshalb ihre Absichten vor ihm geheim. Auch wußten eigentlich nur Wenige von einem bestimmten Vorsatz und Plan, die Meisten thaten aus einem blinden Instinkt wie die Andern.</p> <p>Draußen am Grabe hielt Wilhelm eine Rede: „Das ist das Loos unsrer Weiber und Kinder,“ sagte er. „Uns macht man zu elenden Sklaven, unsre Weiber und Kinder mordet man! — Ich brauche Euch nicht erst an unser ganzes erbärmliches Dasein zu erinnern — Ihr habt es ja täglich vor Augen! Und Ihr habt es auch täglich vor Augen, wie, während man so mit uns verfährt, unsere Peiniger von unsrem Schweiß und Blut Paläste aufbauen und mit dem schwelgen, wovon uns ein gutes Theil gehört — eilen wir uns dieses Theil zu nehmen!“</p> <p>Wildes Beifallsgeschrei folgte darauf.</p> </div> </body> </text> </TEI> [128/0132]
Weib sammt Kind begraben wurde. Alle Arbeiter waren leise aufgestanden und mit hingezogen auf den fernen Kirchhof. Auch Franz war mitgegangen — dieser neue Jammer hatte ihm in tiefster Seele weh gethan — ihm selbst war wie einem Menschen zu Muthe, der aus hundert Wunden blutet und darüber nicht mehr fühlt, welche ihn am Meisten schmerzt. Aber er wußte noch nicht, was die Arbeiter sannen, warum sie gerade heute Alle einer Leiche folgten, da doch oft eine solche einsam hinausgetragen ward. Denn die Kameraden mißtrauten ihm jetzt und hielten deshalb ihre Absichten vor ihm geheim. Auch wußten eigentlich nur Wenige von einem bestimmten Vorsatz und Plan, die Meisten thaten aus einem blinden Instinkt wie die Andern.
Draußen am Grabe hielt Wilhelm eine Rede: „Das ist das Loos unsrer Weiber und Kinder,“ sagte er. „Uns macht man zu elenden Sklaven, unsre Weiber und Kinder mordet man! — Ich brauche Euch nicht erst an unser ganzes erbärmliches Dasein zu erinnern — Ihr habt es ja täglich vor Augen! Und Ihr habt es auch täglich vor Augen, wie, während man so mit uns verfährt, unsere Peiniger von unsrem Schweiß und Blut Paläste aufbauen und mit dem schwelgen, wovon uns ein gutes Theil gehört — eilen wir uns dieses Theil zu nehmen!“
Wildes Beifallsgeschrei folgte darauf.
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