Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.liebeseliges Wort, das sie einander zuflüsterten, vernahm -- da beschlich eine unendliche Wehmuth ihr Herz, ein bitteres, unzufriedenes Gefühl mischte sich hinein, und tief in ihrem Innern schrie es auf, wie eine schrillende Dissonanz. -- Und wenn sie auf Thalheim sah, der mit obenan saß neben dem Grafen Hohenthal und von diesem mit hochachtungsvoller Aufmerksamkeit behandelt ward -- da zuckte es auch seltsam traurig durch ihre Seele wie zu einer anklagenden Frage an das Schicksal -- sie dachte an Franz, an den ausgestoßenen armen Franz und deshalb war sie zuweilen so still und in sich gekehrt unter all' diesen frohen Menschen, deren Glück ihr doch auch so Viel galt. Sie meinten wohl, es sei ihre Art so, oder bürgerliche Schüchternheit, wenn sie still war. Nur Thalheim sah, was in ihr vorging -- er fühlte dann das Gleiche mit und konnte selbst sie kaum ohne Wehmuth betrachten. Aber auch Elisabeth's Schicksal bekümmerte ihm Der erklärte Geliebte der Sängerin Bella, er, der schon so viel Mädchenherzen durch seine Schönheit, sein einnehmendes Wesen, durch all' seine geistig hervorragenden Eigenschaften, freilich oft mehr willenlos als absichtlich an sich gefesselt hatte -- und sie dann wegwarf, weil er keine Befriedigung bei ihnen gefunden -- gleich viel, ob sie dabei brachen und blutend zuckten -- konnte der eine Bürgschaft dafür geben, daß Elisabeth endlich dies ruhelose liebeseliges Wort, das sie einander zuflüsterten, vernahm — da beschlich eine unendliche Wehmuth ihr Herz, ein bitteres, unzufriedenes Gefühl mischte sich hinein, und tief in ihrem Innern schrie es auf, wie eine schrillende Dissonanz. — Und wenn sie auf Thalheim sah, der mit obenan saß neben dem Grafen Hohenthal und von diesem mit hochachtungsvoller Aufmerksamkeit behandelt ward — da zuckte es auch seltsam traurig durch ihre Seele wie zu einer anklagenden Frage an das Schicksal — sie dachte an Franz, an den ausgestoßenen armen Franz und deshalb war sie zuweilen so still und in sich gekehrt unter all’ diesen frohen Menschen, deren Glück ihr doch auch so Viel galt. Sie meinten wohl, es sei ihre Art so, oder bürgerliche Schüchternheit, wenn sie still war. Nur Thalheim sah, was in ihr vorging — er fühlte dann das Gleiche mit und konnte selbst sie kaum ohne Wehmuth betrachten. Aber auch Elisabeth’s Schicksal bekümmerte ihm Der erklärte Geliebte der Sängerin Bella, er, der schon so viel Mädchenherzen durch seine Schönheit, sein einnehmendes Wesen, durch all’ seine geistig hervorragenden Eigenschaften, freilich oft mehr willenlos als absichtlich an sich gefesselt hatte — und sie dann wegwarf, weil er keine Befriedigung bei ihnen gefunden — gleich viel, ob sie dabei brachen und blutend zuckten — konnte der eine Bürgschaft dafür geben, daß Elisabeth endlich dies ruhelose <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0105" n="101"/> liebeseliges Wort, das sie einander zuflüsterten, vernahm — da beschlich eine unendliche Wehmuth ihr Herz, ein bitteres, unzufriedenes Gefühl mischte sich hinein, und tief in ihrem Innern schrie es auf, wie eine schrillende Dissonanz. — Und wenn sie auf Thalheim sah, der mit obenan saß neben dem Grafen Hohenthal und von diesem mit hochachtungsvoller Aufmerksamkeit behandelt ward — da zuckte es auch seltsam traurig durch ihre Seele wie zu einer anklagenden Frage an das Schicksal — sie dachte an Franz, an den ausgestoßenen armen Franz und deshalb war sie zuweilen so still und in sich gekehrt unter all’ diesen frohen Menschen, deren Glück ihr doch auch so Viel galt. Sie meinten wohl, es sei ihre Art so, oder bürgerliche Schüchternheit, wenn sie still war. Nur Thalheim sah, was in ihr vorging — er fühlte dann das Gleiche mit und konnte selbst sie kaum ohne Wehmuth betrachten.</p> <p>Aber auch Elisabeth’s Schicksal bekümmerte ihm Der erklärte Geliebte der Sängerin Bella, er, der schon so viel Mädchenherzen durch seine Schönheit, sein einnehmendes Wesen, durch all’ seine geistig hervorragenden Eigenschaften, freilich oft mehr willenlos als absichtlich an sich gefesselt hatte — und sie dann wegwarf, weil er keine Befriedigung bei ihnen gefunden — gleich viel, ob sie dabei brachen und blutend zuckten — konnte der eine Bürgschaft dafür geben, daß Elisabeth endlich dies ruhelose </p> </div> </body> </text> </TEI> [101/0105]
liebeseliges Wort, das sie einander zuflüsterten, vernahm — da beschlich eine unendliche Wehmuth ihr Herz, ein bitteres, unzufriedenes Gefühl mischte sich hinein, und tief in ihrem Innern schrie es auf, wie eine schrillende Dissonanz. — Und wenn sie auf Thalheim sah, der mit obenan saß neben dem Grafen Hohenthal und von diesem mit hochachtungsvoller Aufmerksamkeit behandelt ward — da zuckte es auch seltsam traurig durch ihre Seele wie zu einer anklagenden Frage an das Schicksal — sie dachte an Franz, an den ausgestoßenen armen Franz und deshalb war sie zuweilen so still und in sich gekehrt unter all’ diesen frohen Menschen, deren Glück ihr doch auch so Viel galt. Sie meinten wohl, es sei ihre Art so, oder bürgerliche Schüchternheit, wenn sie still war. Nur Thalheim sah, was in ihr vorging — er fühlte dann das Gleiche mit und konnte selbst sie kaum ohne Wehmuth betrachten.
Aber auch Elisabeth’s Schicksal bekümmerte ihm Der erklärte Geliebte der Sängerin Bella, er, der schon so viel Mädchenherzen durch seine Schönheit, sein einnehmendes Wesen, durch all’ seine geistig hervorragenden Eigenschaften, freilich oft mehr willenlos als absichtlich an sich gefesselt hatte — und sie dann wegwarf, weil er keine Befriedigung bei ihnen gefunden — gleich viel, ob sie dabei brachen und blutend zuckten — konnte der eine Bürgschaft dafür geben, daß Elisabeth endlich dies ruhelose
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